- Eine Doku-Soap -
1. Folge: Eine Zusage
04. April 2012
Betrifft: Konzept Buchprojekt „Double Travel“
Sehr geehrter Herr Halb,
Vielen Dank für die Übermittlung Ihres Konzeptes für das oben genannte Buchprojekt. Wir haben uns Ihr Konzept eines spartenübergreifenden Projektes unter dem Arbeitstitel „Double Travel“ (Buch, Fotoausstellung, Dokumentarfilm) sorgfältig angesehen und halten es vom künstlerischen, vom interkulturellen und aufklärerischen Standpunkt aus für äußerst vielversprechend.
Insbesondere das bereits vorliegende Fotomaterial aus der ersten Reise in den Benin ist von hoher Qualität.
Wir möchten Sie, Herr Halb, bei Ihrem Projekt unterstützen und wären sehr daran interessiert, das Buch zum Projekt „Double Travel“ in unserem Verlag zu publizieren. Die Kosten, die der Verlag für Herstellung und Verbreitung des Buches übernehmen könnte, belaufen sich auf bis zu 4500 Euro.
Wir hoffen, dass die weitere Arbeit an Ihrem Projekt erfolgreich verläuft und sind auf die Ergebnisse schon sehr gespannt.
Mit herzlichen Grüßen
Michael Baiculescu
mandelbaum-Verlag
2. Folge: Das Reisebudget
Eine Verlagszusage für ein Buch oder die Zusage einer Galerie für eine Ausstellung ist Voraussetzung dafür, dass man beim Kunstministerium um Projektförderung ansuchen kann. Victor Halb hat jetzt beides in der Tasche und tut es.
Drei Monate später, im Juli 2012, ist dann die Freude groß: Der Fotobeirat beim
steuert zum Projekt „Double Travel“ einen Reisekostenzuschuss von knapp 2.000 Euro bei. Drei Leute sind zu dem Projekt erforderlich; die Flugtickets sind, da es sich bei Benin nicht um eine viel angeflogene Destination handelt, nicht ganz billig; die Fotoausdrucke von der ersten Reise im Jahr 2000 ebenso - und so fehlen Victor Halb, um das Projekt durchführen zu können, noch etwas über 7.000 Euro. An öffentlichen Fördergeldern kann er später noch 1.300 Euro lukrieren. Silvia R., die Referentin für Finanzen und für die Frauenangelegenheiten im Team, erklärt sich bereit, die Kosten ihres Flugtickets selbst zu tragen.
Ein kleiner österreichischer Verlag wie der mandelbaum-Verlag, erfährt Victor Halb, kann ihm leider keinen Vorschuss auf das anvisierte Buchprojekt gewähren, und auch zu einer quasi nur symbolischen Beteiligung von ein-, zweihundert Euro an den Reisekosten sieht sich der Verleger Herr Baiculescu nicht in der Lage.
Private Gönner steuern Geld bei. Manche sind von dem Projekt überzeugt, andere unterstützen Victor Halb, damit er jetzt endlich auch einmal zu einem richtigen Buch kommt. (Und er hat ja die Zusage des mandelbaum-Verlags in der Tasche.)
Am Ende fehlen Victor Halb noch knapp 3.000 Euro. Er nimmt ein privates Darlehen auf. Somit ist der Reiseetat gesichert und es kann losgehen.
Bei der Abschiedsveranstaltung vor der Abreise des Teams kann der Verleger leider nicht anwesend sein, denn er ist auf einer Buchmesse. Per SMS schickt er dem Team die besten Grüße und wünscht ihm eine gute Reise, und wenn Victor Halb wieder zurück in Wien ist, werden sich die beiden treffen und das weitere Vorgehen und die editorischen und geschäftlichen Details besprechen.
3. Folge: Wieder in Wien
Wieder zurück in Wien stellt Victor Halb, wie es mit Herrn Baiculescu, dem Verleger abgesprochen war, das Bildmaterial für drei Kapitel des Buches zusammen, schreibt eine erste vorläufige Version der dazugehörigen Texte und sie verbringen zusammen einen Nachmittag in den Räumen des mandelbaum-Verlags. Sie sichten das Material und gemeinsam entwickeln sie ein adäquates Layout für das Buch. Die Kapitel bzw. Reisetage sollen jeweils mit einem Bildteil beginnen, in der Regel mit ganz- und doppelseitigen Bildern von der ersten Reise, gefolgt von einem Textteil, der mit kleineren Bildern durchsetzt und illustriert ist, worauf noch ein zweiter Bildteil mit den Fotos der zweiten Beninreise das jeweilige Kapitel abschließt.
Neben dem Layout wird Herr Baiculescu, sagt er, auch das Lektorat selbst übernehmen. In den nächsten vier Monaten, bis Ende März 2013 soll Victor Halb, lautet die Absprache, eine erste Version des kompletten Textes und des dazugehörigen Fotomaterials peu à peu, Kapitel für Kapitel, bei Herrn Baiculescu abliefern - der ihn dabei auch kontinuierlich als Lektor und Korrektor betreuen will - damit das Buch nach einer abschließenden gemeinsamen Arbeit am vollständig vorliegenden Text während des Sommers und nach der Bearbeitung der Bilder für den Druck im nächsten Herbstprogramm bei mandelbaum erscheinen kann.
Außerdem wäre nun der Zeitpunkt gekommen, um einen Vertrag zwischen Verlag und Autor zu schließen. Victor Halb bekommt den Mustervertrag des mandelbaum-Verlags ausgehändigt.
Einige spezielle Aspekte dieses besonderen Projekts, meint Victor Halb, müssten noch speziell verankert werden: Die Rechte an den verwendeten Fotos zum Beispiel, oder wie es sich bei den Rechten an einer französischen Übersetzung des Buches verhalte. (Denn der überwiegende Großteil der heutigen Benin-Reisenden kommt aus dem französischsprachigen Raum, und so könnte eine französische Version des Buchs nicht uninteressant sein.)
Dies alles wäre kein Problem, sagt Herr Baiculescu. Jeder einzelne Punkt in dem Mustervertrag sei für ihn noch verhandelbar. Victor Halb möge sich gerne beraten lassen und seine Änderungswünsche des Standardvertrags ausformulieren oder von Kundigen ausformulieren lassen, und danach werde man sich demnächst wieder treffen und den Vertrag unterzeichnen.
4. Folge: Auftritt der Experten
Mit einem Ausdruck des Standardvertrags des mandelbaum-Verlags geht Victor Halb zur IG Autorinnen/Autoren und lässt sich beraten. Zusammen mit der Beraterin Frau F. markiert er die Stellen in dem Vertrag, die noch geändert werden müssten.
Frau F. mahnt zur Vorsicht. Zwar orientiere sich der Standardvertrag sichtlich an den Empfehlungen der IG Autorinnen/Autoren. Aber wenn ein Verleger dem Autor gegenüber verlautbaren würde, dass alles an einem Vertrag auch noch verhandelbar sei, dann wäre nach aller Erfahrung irgendwo der Wurm drin. Denn jeder Verleger, sagt sie, müsse schließlich auch auf seine eigenen Interessen schauen. Von daher sei solch übergroßes Entgegenkommen gegenüber dem Autor für sie stets auch ein Anlass zu erhöhter Vorsicht.
Dann erkrankt Herr Baiculescu, und der Vertragsabschluss verzögert sich. Victor Halb schreibt weiter an seinem Manuskript, um den Abgabetermin einzuhalten, aber er hat nun dabei nicht mehr die Unterstützung eines Lektors. Zu Beginn hatte ihm Herr Baiculescu noch eine Handvoll nützlicher Änderungs- und Verbesserungsvorschläge gemacht, aber auch schon vor der Erkrankung kam diesbezüglich nun schon länger nichts mehr.
Da lernt Victor Halb „den Profi“ kennen. Er ist freischaffender Lektor und Layouter und bietet ihm an, seinen Text gegenzulesen. Der Profi äußert seine Verwunderung darüber, dass Herr Baiculescu Lektorat und Layout für das Buch selbst würde machen wollen. Denn Victor Halbs Text, sagt der Profi, sei literarisch sehr anspruchsvoll, und auch die Materie Benin dürfte wohl kaum einem Lektor so geläufig sein, dass sich das Lektorat dieses Buchs einfach so neben den Tagesgeschäften eines Verlegers noch nebenher bewerkstelligen ließe. Aus seiner Warte wäre ein seriöses Lektorat an diesem Buch während der vier Monate, die Victor Halb für die erste Version gesetzt worden sei, mindestens ein eigener Halbtags-, wenn nicht ein Ganztagsjob.
Als Layout-Profi kritisiert er auch das von Herrn Baiculescu entworfene Probekapitel.
Denn die mal hier, mal da eingestreuten Bilder würden vom Text ablenken oder ihn sogar zudecken. Ein solches Layout könne man bei einem journalistischen Text mit rein illustrierendem Bildmaterial machen, aber wenn der Text eine eigenständige literarische Ambition verfolge wie der in diesem Buch, wäre eine weit deutlichere Trennung zwischen den Text- und Bildteilen im Buch schon lange state of the art.
Als dritter Experte meldet auch Victor Halbs Webdesigner Bedenken an. Das Format, in welchem sich Herr Baiculescu die fertig gestellten Kapitel zuschicken lässt - doc-Dateien mit den an der geplanten Stelle eingefügten Fotos in Originalgröße - wäre ganz sicher keine gebräuchliche Arbeitsweise im Layout-Geschäft, denn das ergäbe unhandbar große Dateien, und das bis zum Druck noch mehrfach erforderliche Umformatieren ginge zu Lasten der Qualität der Fotos in dem Buch.
5. Folge: Der Paragraph 4
Als Herr Baiculescu seine Krankheit überstanden hat, trifft man sich in den Räumen des mandelbaum-Verlags zur Ausfertigung des Vertrags. Sämtliche Änderungswünsche von Victor Halb, die Fotorechte und eine mögliche französische Ausgabe betreffend und was die Abgabefristen, das Erscheinungsdatum, den Verkaufspreis betrifft, werden im Standardvertrag des mandelbaum-Verlags eingearbeitet. Bis man zum Paragraphen 4 vorstößt.
Der Paragraph 4 ist überschrieben mit „Druckkostenzuschüsse“. Der erste Satz sollte ebenfalls, meint Victor Halb, kein Problem darstellen, denn er ist ja schon von vorneherein durchgestrichen. Dieser durchgestrichene Satz lautet: „Der Autor verpflichtet sich, dem Verlag einen Druckkostenzuschuss in Höhe von _____________ Euro zu zahlen.“
Der zweite Satz dagegen ist nicht durchgestrichen. Er lautet: „Der Verlag verpflichtet sich, das Erscheinen des Buches sicher zu stellen, wenn die in der beigefügten Kalkulation, die Bestandteil dieses Vertrags ist, ausgewiesenen benötigten Zuschüsse zugesagt sind.“ Victor Halb erkundigt sich, was das heißen soll. Herr Baiculescu wirkt etwas unsicher und sagt: „Haben wir darüber noch nicht gesprochen? Haben wir die Kalkulation des Buches noch gar nicht gemacht?“
„Wir konnten das Buch bisher nicht kalkulieren, weil ja der Umfang und die Anzahl der Farbfotos bisher noch nicht klar waren“, antwortet Victor Halb.
Und dann stellt sich heraus, dass Paragraph 4 nicht verhandelbar ist. Ein solch aufwändiges Buch mit vielen Farbfotos, sagt Herr Baiculescu, sei für einen kleinen Verlag wie den mandelbaum-Verlag ohne Druckkostenzuschüsse nicht zu machen. Und ob diese bewilligt würden, könne er nicht sagen. Am besten wäre es, sagt er, wenn sich Victor Halb selbst um die Anträge dazu kümmern würde.
Victor Halb fühlt sich, als falle er in ein tiefes Loch. „Ich habe doch schon alles abgegrast, was mir möglich war, um die Reise nach Afrika zu finanzieren“, sagt er. „Und Mehrfachanträge zum selben Projekt sind bei den meisten Stellen ausdrücklich ausgeschlossen. Von daher hätte ich gedacht, dass es die Sache des Verlags sein müsste, sich um eventuelle Druckkostenzuschüsse zu kümmern. Sie kennen sich doch damit auch viel besser aus als ich.“
„Wir können uns darum bemühen“, sagt Herr Baiculescu. „Aber wie das letztlich ausgehen wird und ob da genug bewilligt wird, kann ich im Moment nicht sagen. Bei welchen Stellen haben Sie denn schon angesucht?“
Wieder zu Hause, schickt Victor Halb, wie sie es abgesprochen haben, alle Unterlagen zu seinen bisherigen Anträgen per E-Mail an den mandelbaum-Verlag. Er ist verzweifelt. Er hatte doch eine Zusage des mandelbaum-Verlags schon Schwarz auf Weiß in der Hand, und jetzt soll das Buch wieder in Frage stehen? Abends ruft er Herrn Baiculescu noch einmal an. Irgend etwas muss da fürchterlich schief gelaufen sein. Er lädt Herrn Baiculescu zu sich ein, um das Ganze noch einmal gründlich durchzusprechen. Herr Baiculescu nimmt die Einladung an.
6. Folge: Bei einem Glas Wein
Ein paar Tage später treffen sich Herr Baiculescu und Victor Halb, um die Situation bei einem Glas guten Weins noch einmal durchzusprechen.
Victor Halb beschreibt seine Situation: „Im Bewilligungsschreiben des Kunstministeriums zu der Projektförderung steht zum Beispiel, dass sie im Herbst fünf Belegexemplare des Buchs im mandelbaum-Verlag von mir erwarten. Private Gönner haben Geld zur Reise gegeben unter der Prämisse, dass das Buch zustande kommt. Auf meiner Homepage wird es seit Monaten angekündigt. Kurz: Wenn das Buch nicht erscheinen sollte, sind meine Glaubwürdigkeit und mein künstlerischer Ruf ruiniert. Was ist da bloß so schief gelaufen?“
Herr Baiculescu meint: „Schauen Sie, das Buch wird ein Nischenprodukt. Es wird sich nicht zu Tausenden verkaufen. Ich muss als Verleger in erster Linie den wirtschaftlichen Aspekt im Auge behalten. Wenn bei solch einem aufwändigen Produkt die Druckkosten nicht gesichert sind, kann das ein kleiner Verlag wie der mandelbaum-Verlag nicht stemmen.“
„Zu Ihren Gunsten nehme ich an, dass das bloß Schlamperei war, dass Sie mich über Monate im Glauben gelassen haben, das Buch wäre bereits in trockenen Tüchern“, sagt Victor Halb. „Die weniger schmeichelhaften Interpretationen wären, dass Sie ein vielversprechendes Produkt erst einmal an sich gebunden haben und es jetzt Ihren ökonomischen Erwartungen nicht mehr entspricht. Oder - so könnte man das ja auch verstehen - der mandelbaum-Verlag ist im Endeffekt nur ein ordinärer Zuzahlerverlag. Immerhin hatten Sie einmal zu mir gesagt, dass ich mich um die Druckkosten selbst kümmern sollte. Wollten Sie damit sagen, dass Sie es als meine Aufgabe ansehen, hier noch Geld aufzustellen? Ist der mandelbaum-Verlag am Ende tatsächlich nur ein verkappter Zuzahlerverlag?“
„Nein“, sagt Herr Baiculescu. „Der mandelbaum-Verlag ist kein Zuzahlerverlag. Aber wenn die Finanzierung solch eines aufwändigen Buches nicht gedeckt ist, können wir es uns einfach nicht leisten.“
„Das heißt für mich aber auch im Umkehrschluss, dass wenn Sie keinerlei eigenes Risiko nehmen, für Sie dann auch kein Grund mehr besteht, sich für die fertigen Bücher noch einzusetzen. Da Sie es ja eh auch schon als Nischenprodukt qualifiziert haben - warum sollten Sie dann noch in Werbung und die Organisation von Lesereisen und ähnliches investieren? Ihre Kosten sind bei der Fertigstellung des Buches und mit dem Abgreifen der Subventionen eh schon gedeckt.“
„So kann man das nicht sehen. Sie machen sich keine Vorstellung von den laufenden Kosten eines Verlags.“
„Ich habe mal irgendwo gehört“, sagt Victor Halb, „dass man die Ernsthaftigkeit des Verlagsinteresses am besten daran ablesen kann, ob sich der Verlag beim Autor auch nach einem Nachfolgeprojekt erkundigt. Denn dann will er ernsthaft daran gehen, einen Hausautor aufzubauen. Ich hätte da ja durchaus eine Idee für ein Nachfolgeprojekt, das auch in Ihr Verlagsprofil passen müsste. Aber bisher haben Sie sich nicht danach erkundigt.“
„Einen Hausautor aufbauen? Was denken Sie, was das für Mittel erfordert? Da müsste man vor allem in Deutschland, denn dort sind 90 Prozent des deutschsprachigen Marktes zu Hause, massiv aktiv werden. Kein selbständiger österreichischer Verlag hat das zur Zeit im Kreuz, sage ich Ihnen.“
„Ich finde es ja gut“, sagt Victor Halb, „dass Sie mir meine unrealistischen Ansichten zurecht rücken. Aber wie geht's jetzt weiter?“
Die beiden sprechen ab, dass Victor Halb weiter am Manuskript arbeitet und der mandelbaum-Verlag möglichst bald eruieren wird, was sich an Druckkostenzuschüssen zu dem Buch lukrieren ließe. Wenn dieses dann klar ist, wird man weiter sehen.
7. Folge: Schreiben und warten
Der mandelbaum-Verlag würde seine Afrika-Sparte ausbauen wollen, und deshalb passe Victor Halbs Buch gut ins Konzept, hatte es bereits bei einem der ersten Treffen mit Herrn Baiculescu geheißen. Ab Februar 2013 würde dieser im Zuge eines eigenen Projekts nach Mocambique reisen und könne in dieser Zeit Victor Halb nicht lektoratsmäßig beistehen. Aber auch vor seiner Abreise war von Herrn Baiculescu, von ein paar anfänglichen Tipps abgesehen, auf die regelmäßig bei ihm eingehenden Kapitel keine unterstützende Kritik mehr gekommen, und so ist Victor Halb auch bei diesem literarisch äußerst anspruchsvollen Text wieder wie bei seinen bisherigen Büchern allein auf sich gestellt.
Als er - die erste Version des Manuskripts steht kurz vor der Vollendung - wieder im Verlag anruft und sich erkundigt, ob Herr Baiculescu wohlbehalten zurück sei und wie der Stand der Dinge wäre, ist Herr Baiculescu immer noch in Afrika. Aber Frau B., die Verlagsassistentin am Telefon sagt, sie sei auch für die Anträge auf Druckkostenzuschüsse zuständig, und einiges sollte sich da durchaus machen lassen. Ob dieses genug sein würde, könne sie noch nicht sagen. Victor Halb möge demnächst wieder anrufen.
Wie besprochen stellt Victor Halb also bis Ende März die erste Manuskriptversion und die Auswahl der Bilder fertig, und ruft dann wieder im mandelbaum-Verlag an. Herr Baiculescu wäre jetzt wieder in Wien, heißt es da, und würde in Kürze zurückrufen. Einige Tage später, bei Victor Halbs nächster Anfrage heißt es, Herr Baiculescu hätte Victor Halbs Projektunterlagen neben vielem anderen auf dem Schreibtisch liegen und gerade ungeheuer viel um die Ohren. Aber spätestens in den nächsten zwei, drei Tagen würde er sich bei Victor Halb melden …
8. und letzte Folge:
mandelbaum im Herbst
Herr Baiculescu lässt nichts von sich hören. Wieder ruft Victor Halb im mandelbaum-Verlag an, aber Herr Baiculescu ist unterwegs und er würde, heißt es, zurück rufen. Er ruft aber nicht zurück. Victor Halb weiß nicht, ist es ein Versehen, ist es Schlamperei, oder hat sich Herr Baiculescu dazu entschlossen, die Affäre Halb/mandelbaum einfach auszusitzen. Erst als er im Mai den Newsletter mit dem Herbstprogramm des mandelbaum-Verlags zugesandt bekommt und sein Buchprojekt darinnen nicht vorkommt, hat er die Gewissheit: Das Buch wird es bei mandelbaum nicht geben.
Einige Tage später trifft er Herrn S., einen der privaten Gönner, die die Reise nach Benin und das Projekt mit ihren Spenden erst ermöglicht haben. „Beim momentanen Stand der Dinge,“ sagt Victor Halb, „kann ich es noch nicht sagen, ob ich Ihnen für Ihre großzügige Spende irgendwann ein Widmungsexemplar Double Travel werde überreichen können. Ich sehe mich jetzt noch nach einem anderen Verlag um, aber falls keiner aufspringt, muss ich das Projekt mit meinen eigenen beschränkten Mitteln zu Ende bringen. Ich denke da an ein neues Heft des Literarischen Zeitvertreibs mit den Texten aus dem geplanten Buch - die ja auch für sich allein stehen können - und einer beigelegten Multi-Media-DVD. Ein richtiges Buch wäre freilich schöner, aber ich muss mit dem Projekt ja auch einmal zum Ende kommen, und auf die Mitwirkung eines Verlages mag ich mich dabei nicht mehr verlassen.“
„Aber hatten Sie nicht schon eine schriftliche Zusage des Verlags erhalten?“ fragt Herr S.
„Doch, die habe ich, Schwarz auf Weiß,“ antwortet Victor Halb.
„Dann würde ich mir an Ihrer Stelle überlegen,“ sagt Herr S., „den mandelbaum-Verlag zu klagen.“
„Das hätte wahrscheinlich wenig Aussicht auf Erfolg. Das Schreiben ist ja noch kein formeller Vertrag, und der Verlag kann leicht argumentieren, dass die in dem Schreiben genannte Summe von 4.500 Euro, die er für die Herstellung und den Vertrieb des Buches zu investieren bereit gewesen wäre, die Kosten für einen dicken Band mit vielen Farbfotos nicht hätte abdecken können. Ganz davon abgesehen bin ich kein Streithansel. Ich bin Schriftsteller, und als Schriftsteller muss ich schriftstellern. Ich werde den Verlauf der Affäre mit dem mandelbaum-Verlag aufschreiben, auf meine Homepage stellen und auch als Sonderdruck auf Papier an alle die schicken, die es angeht. Das Kunstministerium zum Beispiel erwartet für seinen Reisekostenzuschuss im Herbst fünf Belegexemplare eines Buches aus dem mandelbaum-Verlag von mir, und die sollten wissen, warum es dieses Buch nicht gibt, und für die Zukunft auch, was von solch einer schriftlichen Zusage unter dem mandelbaum-Logo real zu erwarten ist. Die IG Autorinnen/Autoren hatte mich in Vertragssachen kompetent beraten und mich gleich von Anfang an gewarnt, dass da irgendwo der Wurm drin sein müsse. Sie wird sich gewiss ebenfalls für die Praktiken des mandelbaum-Verlags interessieren. Und vor allem Euch privaten Gönnern gegenüber habe ich ja ebenfalls Erklärungsbedarf.“
„Ich würde trotzdem versuchen, sie zu klagen,“ beharrt Herr S.
„Ein System kann man nicht wegklagen,“ wird Victor Halb da politisch. „Das österreichische System der Druckkostenzuschüsse für alle in Österreich gedruckten Bücher gaukelt die Existenz einer eigenständigen kleinen exquisiten Verlagslandschaft vor. Diese kleinen exquisiten österreichischen Verlage leben davon, aber sie sind allesamt nicht wirklich in der Lage, ein sogenanntes Nischenprodukt, sprich: ein ungewöhnliches Buch aus dem Nischendasein zu befreien oder gar wirklich neue Trends zu setzen. Das könnten nur die großen Konzerne versuchen, theoretisch, und auch bei denen ist ja bekanntlich die Risikobereitschaft nicht die hervorstechendste Eigenschaft. Aber diese kleinen exklusiven österreichischen Verlage sind zu Neuerungen ökonomisch gar nicht in der Lage, und vom Standpunkt des progressiven Literaten aus könnten sie gerne auch alle von den großen Medienkonzernen aufgekauft werden. Für die Verbreitung von progressiver Literatur und für eine wirkliche Vielfalt in der Bücherlandschaft sind sie, von einem gewissen Lokalkolorit in der Literatur und von ganz wenigen Ausnahmen vielleicht einmal abgesehen, absolut entbehrlich.“