Weblog-Archiv 2007 (2/2)
03. Juli 2007
Kultursponsoring
Der Standard beschwert sich in seiner gestrigen Ausgabe, sein Fotograf sei nicht zum Auftritt von Carleen Anderson beim Wiener Jazzfest zugelassen worden.
„In einem Telefonat mit Heinz Krassnitzer vom Jazzfest Wien gab dieser als Grund dafür an, die Berichterstattung des Standard sei `kontraproduktiv´. Damit bezog Krassnitzer sich auf die Ankündigung nämlichen Konzerts, in der der fragwürdige Charme des Austragungsorts erwähnt wurde. Das ließ Krassnitzer `heiß werden´, wie der Pressesprecher des Jazzfests am Freitag während eines Telefonats erzählte. Konzerte in der Fernwärme Wien, einem `Partner´ des Jazzfests, finden unterhalb eines von Friedensreich Hundertwasser verkitschten Industrieschlots statt, der an einer Einfallsstraße im 20. Bezirk liegt und eine Atmosphäre verströmt, die eher zu den Einstürzenden Neubauten passen würde als zu den Künstlern des Jazzfests.“
Der verkitschte Industrieschlot Hundertwassers ist wahrlich ein Ärgernis weit übers Gelände der Fernwärme Wien hinaus; dass er zu den Einstürzenden Neubauten passen würde, ist natürlich Blödsinn, denn in Wirklichkeit passt er zu rein überhaupt nichts; die Fernwärme Wien, außer dass sie über diesen blöden Schlot verfügt, fördert aber auch sehr den Jazz; und da nun Krassnitzer vermeinte, in solcher Art im Sinne der Fernwärme heiß werden zu müssen, hat sich ihr Image jetzt dahingehend verändert, dass sie nicht mehr bloß eine Wärme be- und mit einem Teil der Gewinne den Hundertwasser und den Jazz fördert, sondern auch noch gewisse Bestrebungen in Richtung auf eine Zensur.
04. Juli 2007
Armer Walser
Im Standard stand gestern zu lesen: –
Martin Walser hat sich bestürzt über den Dokumentenfund im Berliner Bundesarchiv gezeigt, der angeblich seine Mitgliedschaft in der NSDAP belegt. „Ich bin erschrocken, dass eine solche Organisation in dieser Weise über mich verfügt hat“ …
Sie wollte damit vermutlich eine für alle Zeiten gegen ihn zu schwingende Moralkeule in die Hände bekommen.
09. Juli 2007
Erde gerettet
Der große Ellgor hat erkannt, dass uns nicht mehr viel Zeit verbleibt, und als Hauptsponsor für das Leif-Örs, mit dem er am vergangenen Wochenende die Erde zu retten anfing, zum Glück auch einen namhaften Autohersteller gewinnen können, mit dessen Produkten man ja gewiss auch weit schneller als zu Fuß zu den nötigsten Interventionen hingelangen kann an die oft auch weit abgelegenen Brennpunkte des globalen Problems überall in der Welt.
18. Juli 2007
Schießbefehl
Eine knifflige verfassungsrechtliche Frage wird hier zur Zeit diskutiert: Ob im Falle eines 9-11-Szenarios, dessen Eintreten der Herrgott vermeiden möge, der im Einsatz befindliche Pilot, der Verteidigungs- oder der Innenminister dafür zuständig wäre, dafür zu sorgen, dass sich die Anschaffung der Eurofighter schlussendlich gelohnt haben wird.
21. Juli 2007
Tour de Trance
Wunderschöne Landschaftsaufnahmen, aus der Hubschrauberperspektive und vom Motorrad aus, beeindruckende Leistungen der Fahrer, quälende Aufstiege, halsbrecherische Abfahrten, spektakuläre Stürze, Dramatik pur, Tag für Tag – und ARD und ZDF verzichten drauf, zu übertragen, bloß weil der eine und der andre Teilnehmer wie übrigens auch der aktuelle Spitzenreiter möglicherweise gedopt haben könnten. Eurosport verzichtet nicht, Sat1 ist auch noch eingesprungen, der Spitzenreiter wurde von der Tourleitung nicht suspendiert, und also ist jetzt klar geworden, wohin der Weg geht an diesen drückend heißen Sommertagen: Für mich auch weiterhin auf die Couch allnachmittags und jetzt halt zu den Privatsendern und für die Fahrer ganz wie geplant nach Paris. Und da die Anforderungen im Arbeitsleben nun einmal immer härter werden, ganz so wie es bei Marx schon geschrieben steht, steht demnächst dann auch endlich an eine generelle Liberalisierung der antiquierten europäischen Arznei- und Betäubungsmittelgesetze. Und sich müde, verzagt, frustriert oder abgespannt zu fühlen bei der Arbeit wird dank der Vorreiterrolle der Tour de France wohl schon bald nun für immer der Vergangenheit angehören.
22. Juli 2007
Der schönste Satz …
aus dem heutigen Kurier: –
Laut einer OGM-Umfrage für profil sprechen sich im Vorfeld der Fußball-EM 2008 64 Prozent der Österreicher dagegen aus, Passagierflugzeuge, die nicht auf Funksprüche reagieren und Kurs auf ein volles Stadion nehmen, von Abfangjägern abschießen zu lassen.
20. August 2007
Neues von Frau Brügge
Der Literaturbewerb „Nachts“, den sie mit ausgeschrieben und an dem ich mich damals beteiligt hatte, –
siehe auch „Aus der literarischen Welt“
und Weblog-Archiv (19. April 2007)
ist seit beinahe zwei Jahren abgeschlossen und entschieden, aber bis heute noch sitzt Frau Brügge des nachts vor dem Computer und hat an den Spätfolgen zu leiden: –
18. 08. 07, 02:48
Betreff: Erneute Erinnerung
Sehr geehrter Herr Halb,
bevor ich juristische Konsequenzen einleite, möchte ich Sie nochmal bitten, die mich betreffenden Einträge auf Ihrer Website zu löschen. Sie irren – Verletzung des Briefgeheimisses ist auch nach Rechtssprache Ihres Landes gegeben. Zumindest sind Sie zu einer Gegendarstellung nach Pressegesetz verpflichtet. Die Rücksprache mit einem Juristen legt dies offen.
Ich weiß nicht, was ich Ihnen getan habe oder was Sie in mir vermuten, dass Sie mich derart „vorführen“.
Christine Brügge
19. 08. 07, 03:46
Betreff: Letzte Erinnerung / Abmahnung
Sehr geehrter Herr Halb,
diese letzte Erinnerung ist eine Ankündigung einer Abmahnung. Nach monatelangem Warten, dass Sie Ihre „nicht sehr feine Art“ (Ihre Worte) ändern in eine pietätvolle, angemessene, faire.
Ich weiß nicht, welchen „Narren“ Sie an mir gefressen haben oder welchen Spaß es Ihnen bereitet, Menschen zu schädigen, die Ihnen nichts getan haben und deren Existenzgrundlage Sie mit Ihren Webeinträgen gefährden können. Was ich weiß, ist, dass ich mich verteidigen werde. Vielleicht bedeutet Ihnen Moral nicht viel; mir schon.
Das heißt: Sollten Sie Ihren Stolz nicht überwinden können, oder Ihre Nonchalance, oder Ihre Vernichtungswut, geht der Auftrag direkt an den Rechtsanwalt. Und nicht nur das. Es dürfte teuer werden. Meine Achtung hätten Sie, wenn Nachdenken vor Stoik kommen würde. Und zwar aus Überzeugung.
Beste Grüße,
Christine Brügge
19. 08. 07, 04:23
Betreff: Ergänzung
Sehr geehrter Herr Halb,
auch dies sei noch angemerkt:
Auf jeden Fall haben Sie entscheidend dazu beigetragen, dass wir im literarischen Bereich jeglichen Idealismus abgelegt haben. Haben Sie wirklich geglaubt, wir seien in der Nähe von halbseidenen Druckkostenzuschussverlagen anzusiedeln? Information ist noch immer eine Hol- und keine Bringschuld. Hätten Sie neben Ihrer „One of the best 1000 authors“-Aktivitäten auch nur eine Sekunde auf die Recherche dessen verlegt, was und wer wir wirklich sind, hätten Sie mühelos feststellen können, dass wir bei sinn-bar zu Einhundertprozent ehrenamtlich agieren, zum Nutze der Autoren. Nicht zu unserem – sondern zum Gewinn derer, die gute Texte bringen, auch wenn sie damit noch kein Geld verdienen.
Ist es Ihr Ernst, das derart witzelnd in den Schmutz zu ziehen, wie Sie es tun?
Sollten Sie diese Zeilen auch wieder dazu missbrauchen, einen Witz aus allem zu machen, aus dem Zusammenhang gerissen, persiflierend, unwürdig verreißend, werde ich alles tun, um Sie genauso fertig zu machen, wie Sie es mit mir versucht haben. Meine Wut ist groß genug.
C. Brügge
Ich glaub’s ihr ja, dass sie mit ihrer sinn-bar kein Geld verdienen. Aber wie kann ich dann, frage ich mich, eine Existenzgrundlage gefährdet haben?
Jeglichen Idealismus im literarischen Bereich hätten sie mittlerweile abgelegt, schreibt sie, und dazu hätte ich entscheidend beigetragen. Das wäre eben genau der Sinn meiner Aktivitäten gewesen, allein - dieses nun glaub ich ihr nicht!
Denn sie geht immer noch viel zu idealistisch mit der Wahrheit um. Wenn sie z.B. schreibt, ich hätte da etwas aus dem Zusammenhang gerissen – wo ich sie doch im Gegenteil immer ganz vollständig und ungekürzt zitiert habe! Oder wenn sie mir unterstellt, ich hätte einen Narren an ihr gefressen, obwohl sie es doch ist, die mich mit Emails bombardiert, wohingegen ich ganz klar geäußert habe, dass ich jeden weiteren Kontakt zwischen uns für absolut entbehrlich halte.
Und so kommt sie mir jetzt also, da sie nun einmal einen Narren an mir gefressen hat, auf die juristische. Und sie hat sich kundig gemacht: Das Briefgeheimnis hätte ich sehr wohl verletzt, und ich wäre verpflichtet zu löschen, und falls aber vielleicht doch nicht, so begründe dies jedenfalls das Recht auf eine Gegendarstellung. Und falls ich nun darüber aber wieder ins Witzeln geraten sollte, vielleicht mit einem „Ja, wie denn nun? Muss ich löschen? Soll ich eine Gegendarstellung online stellen? Oder kann ich die teuer kommenden Konsequenzen nur dadurch noch abwenden, dass ich von meiner Homepage den eigenen Text herunter nehme und nur noch Frau Brügges Darstellung da stehen lasse?“, dann aber – ja dann würde es erst richtig ungemütlich. Denn dann zahle sie es mir nämlich alsbald noch mit gleicher Münze heim! Ganz schön viel Jura auf einmal, sagt da mein Laienverstand.
Aber genug gewitzelt. Damit das jetzt nicht bis in alle Ewigkeit so weiter geht, möchte ich Frau Brügge einen Vorschlag zur Güte machen: Sie möge mir dann eben eine Gegendarstellung schicken, aber bitte eine, die der Form einer Gegendarstellung genügt, indem sie also nicht Wutschaum durch die Gegend verspritzt, sondern die einzelnen Punkte, wie ich sie aus ihrer Sicht dargestellt haben soll, jeweils dar- und sie daraufhin aus ihrer Sicht richtig stellt.
Zu einer Veröffentlichung verpflichtet bin ich übrigens keineswegs, da jede Gegendarstellung, ob sie in einem Medium wie auf dieser Webpage nun erzwungen werden könnte oder nicht, innerhalb einer Frist von zwei Monaten hätte eingereicht werden müssen. Aber ich stelle ihr hiermit eine Veröffentlichung auch freiwillig noch in Aussicht, die nötigen Formen, wie gesagt, immer vorausgesetzt, weil’s mich jetzt schon interessiert, was da wohl wieder dabei herauskommt, und außerdem schmeichelt mir – ich geb’s gern zu – die von ihr nun schon wiederholt herausgestellte und gemeiniglich für mich völlig unerwartete Wirkmächtigkeit von jenen meiner Texte.
02. September 2007
Halbheiten vs. Rauschtaten
Das Problematische am Fanatiker ist: Wenn man ihm ein Stück entgegen kommt und ihm eine Forderung erfüllt, so wird er dies nie als Kompromiss würdigen können im Dienste eines zukünftigen friedlichen Zusammenlebens, sondern er wird sich dann stets nur ermutigt fühlen, nachzulegen, weiter zu fordern und also wird er sich z.B. umgehend gegen jede „Halbheit“ in die Bresche werfen, die für ihn schon darin besteht, dass es neben dem eigenen Weltbild überhaupt noch etwas anderes gibt. Am Beispiel des hier schon wiederholt behandelten Nichtraucherideologen Hans Rauscher vom Standard war das jetzt wieder zu beobachten: Kaum wird der Nichtraucherdespotie nachgegeben, im jüngsten Fall mit einem Rauchverbot in sämtlichen österreichischen Zügen, setzt sich der Fanatiker auch schon hin, und er setzt dann also nach und verfasst dann im obigen Sinn einen ellenlangen Kommentar unter dem ganz bezeichnenden Titel „Typische Halbheit“; wodurch er mich, nebenbei gesagt, zur Entgegnung, da Halbheiten ja doch eindeutig in meinen eigensten Kompetenzbereich fallen, auch ganz persönlich herausgefordert hat.
Passend zum Anlass leitete er seinen Kommentar mit einer Anekdote ein: Neulich sei da jemand im IC von Salzburg nach Wien, nachdem er sechs Rauchern im Vorbeigehen ihre Abteiltür zugemacht hätte, von ihnen angepöbelt worden …
Damit ist es nun vorbei. Danke, ÖBB. Das totale Rauchverbot in den Zügen, eingeführt im Windschatten der Deutschen Bundesbahn, ist eine gute Sache.
In Deutschland ist übrigens gleichzeitig auch Schluss mit dem Rauchen in öffentlichen Gebäuden und Taxis. Zumindest teilweise Rauchverbote gibt es fast in jedem EU-Land.
Es folgt eine Aufzählung der einschlägigen Regelungen in den diversen Ländern. Streng sind sie, mehr oder weniger, und alle seien sie relativ klaglos hingenommen worden. Ganz Europa wird offenbar schon von der Nichtraucherdespotie beherrscht. Ganz Europa? Nein.
Österreich und Griechenland bilden in Europa die beiden letzten gallischen Dörfer der ungehemmten Rauchbelästigung und -schädigung.
Das ist zwar reiner Blödsinn, denn Rauchverbote in den öffentlichen Gebäuden und Bahnhöfen gibt es hier seit dem Februar ganz ebenso wie andernorts, aber jedenfalls machte er damit – wie oben erörtert – doch deutlich: Gallische Dörfer sind dieses Kommentatoren Sache nicht! Er sieht sie sozusagen ganz aus Cäsarensicht.
Und er fuhr dann fort mit einem Rapport aus diesem zweiten gallischen Dorf, aus den griechischen Provinzen, und schrieb dann einen für uneingeweihte Leser gewiss sehr rätselhaft wirkenden Satz: –
In Griechenland ist meines Wissens nichts geplant; wer die griechischen Rauschtaten kennt und wer das Foto gesehen hat, von dem Mann, der mit weit ausgebreiteten Armen die Waldbrände beklagte und einen Tschick zwischen den Fingern hatte, der weiß warum.
Es lohnt sich, bei dem Satz ein wenig zu verweilen. Keine Nichtrauchergesetzgebung wäre dort also geplant, nach allem, was Rauscher weiß. Und wer die „griechischen Rauschtaten“ kennen würde, der würde auch wissen, warum. Wer z.B. jenes Foto gesehen hätte, von dem Mann, der mit weit ausgebreiteten Armen die Waldbrände beklagte und dabei einen Tschick zwischen den Fingern hatte – der wisse ebenfalls, warum. Was will uns Rauscher wohl damit sagen?
Rauscher hat es also jedenfalls gesehen, das Foto, davon ist auszugehen. Er hat also ein Foto gesehen von einem Mann, der die griechischen Waldbrände beklagte, und der hatte dabei doch glatt auch noch einen Tschick zwischen den Fingern! Rauscher nun, weil ihn jeder erblickte Tschick zwischen Fingern, auch ohne Waldbrand schon, in eine Erregung versetzt, geriet bei diesem Tschick plus Waldbrand nach und nach in einen wahren Assoziationenrausch. Der Tschick zwischen den Fingern konnte zwar kaum ernstlich, das war klar, für den Waldbrand verantwortlich gemacht werden. Aber viele Rauscher, dachte sich Rauscher des weiteren, brauchen auch ständig ihren Rausch, und denkbar wäre es doch auch immerhin, dass genau jener Mann, der auf dem Foto die Waldbrände beklagt, mit dem Tschick, den er zuvor in seinen Fingern gehalten und den er vielleicht unachtsam weggeworfen hatte – denn wahrscheinlich ist er ja Kettenrauscher, denn das sind sie dort alle – dass er also den Waldbrand vielleicht, berauscht vom ständigen Tschicken, höchstselber ausgelöst hat! Denkbar wäre es ja, dachte sich der Rauscher da also, und gesetzt den Fall, es wäre so gewesen, so könnte man dann auch durchaus, und bei dem Gedanken musste er lächeln und danach noch heftig nicken, von „griechischen Rauschtaten“ sprechen, als einem Oberbegriff für sowohl das Brandstiften als auch das Beklagen mit Tschick noch in der Hand, denn beides hätte ja unzweifelhaft a. in Griechenland stattgefunden und b. im Rausch, im Tschickrausch, genauer gesagt.
„`Griechische Rauschtaten´ – Das wird sitzen!“, dachte der Rauscher dann, und schrieb diese rätselhaft verkorkste Formulierung dann auch wirklich hin, die man also bloß verstehen kann, wenn man sich bewusst macht, dass ihr Urheber in solchen Momenten sehr darunter leidet, per definitionem ein Rauscher zu sein und gleichzeitig aber auch ein Nichtrauscher sein zu wollen. In solch merkwürdigen Formulierungen wie der von den „griechischen Rauschtaten“ spaltet der Rauscher dann, das ist ganz typisch, die ihm unangenehmen Anteile seiner selbst ab und verlagert sie nach draußen, projiziert sie ins Andere, nach Griechenland, in die Fremde.
In welchem Lande also nichts zur Rauschverhinderung geplant sei, seines Wissens, und wer die griechischen Rauschtaten kennen würde und jenes Foto gesehen habe, der wisse sicher auch, warum.
Anschließend wendete er sich dann wieder dem ersteren, dem hiesigen gallischen Dorf zu, und dass er auch da noch weiteren Unsinn schrieb, ist ein weiteres Indiz dafür, dass er sich wirklich in einen Rausch hineingeschrieben hatte: –
Österreich ist das Land, in dem die Belästigung und Schädigung anderer theoretisch unterbunden werden soll, aber de facto nicht durchgeführt wird.
Bzw. drückt der Satz eben auch genau das aus, und genauer, als er es beabsichtigt haben kann, was diesen von seiner Mission berauschten Cäsaren an den Galliern in Österreich wurmt: Getrennt ausgewiesene Rauscher- und Nichtrauscherbereiche in den Gaststätten sollen nun ja eben dafür sorgen, dass Schädigungen und Belästigungen von Rauschern durch Nichtrauscher sowie auch umgekehrt nicht mehr stattfinden müssen. Der Rauscher muss ja nicht unbedingt in die gallischen Dörfer gehen und sich dort schädigen lassen und im Gegenzug die Rauscher belästigen. Er will’s halt aber – denn da fühlt er sich wie Cäsar, wie im Rausch und ganz in seinem Element – auch weiterhin, ganz unbedingt!
Und also beklagte er sich auch im weiteren Verlauf des Kommentars noch des langen und des breiten über die „typische Halbheit“, die er in der österreichischen Regelung zu erblicken vermeint, und ich nahm diese seine Anspielung auf mich und meinen Namen wie gesagt auch persönlich, und habe jetzt u.a. auch versucht, ihm dies mit gleicher Münze heimzuzahlen.
Wobei ich auf lange Sicht – das weiß ich wohl – auf verlorenem Posten stehen werde. Hie ich, ein unbedeutender und kaum beachteter Blogger, der seine antitotalitären Warnungen in die Wüste ruft, dort er, Redakteur einer der angesehensten Zeitungen Österreichs, die ihm wohl auch weiterhin ihre Spalten zur Verfügung stellen wird für seine Gesundheitsschädigungen bei Österreichern verhindernde Mission, auch wenn in der Redaktion nun schon lange bekannt ist, dass er sie mit einem solch heiligen Eifer verfolgt, dass in den zur Verfügung gestellten Spalten am Ende oft auch viel wirres Zeug drinnen steht. Aber wie auch immer – da habe ich tatsächlich auf lange Sicht kaum eine Chance. Und es wird wohl tatsächlich so kommen, wie es der Rauscher zum Abschluss dieses seines Kommentars prognostiziert: –
Der Gesetzesvorschlag der Ministerin ist eine typische Halbheit; früher oder später wird es in der ganzen EU ein generelles Rauchverbot in geschlossenen Räumen geben …
und nicht bloß – hört, hört! – in den öffentlichen Gebäuden und Gaststätten!
und dann werden wir halt hinterherdackeln. –
Und wenn dies erledigt sein wird, ließe sich anfügen, muss er aber immer noch nicht aufhören, gegen „Halbheiten“ zu Felde zu ziehen, denn dann wird er’s danach so ganzheitlich anpacken wie jener Schwede, der tatsächlich neulich einen Nachbarn wegen Rauchens im Nachbargarten klagte, oder wie der US-Bürger, der neulich seine Gesundheit in der Fußgängerzone beeinträchtigt sah von einer zufällig vom Wind verblasenen Schwade eines vorbeigehenden Rauchers in seinem Gesicht. Gallische Dörfer und Halbheiten, die man bekämpfen kann, wird es auch weiterhin noch mindestens so lange geben, wie es Raucher gibt.
04. September 2007
Also gut, Ratzinger,
dann hältst du dich, wenn du am nächsten Wochenende nach Wien kommst, bloß im 1., 3. und 13. Bezirk auf, und ich beschränke mich auf den 2., 21. und 22., und ich bekomm dann also deinen Segen nicht und du von mir auch keine Torte ins Gesicht, und so ist es für uns beide doch besser. Also gut, Ratzinger, die Hand drauf, ist abgemacht.
21. September 2007
Waldzell
Da waren sie also nun alle versammelt, die verschiedenen Vertreter der verschiedenen Ausprägungen der Unvernunft beim sog. „Waldzell Dialog“ im Kloster Stift Melk, bei diesem Dialog der Religionen, und einer von ihnen, dieser ewige Grinsekater, der ansonsten noch sehr beliebt ist hier im Lande wegen seiner unverbrüchlichen Freundschaft zum früheren SS-Mann Heinrich Harrer, erntete zum Auftakt einen großen Lacherfolg, als er nämlich auf eine Frage aus dem Publikum, wie man den religiösen Glauben zur Bewältigung von Alltagssorgen einsetzen könnte, kurz und in seiner unnachahmlich verschmitzten Art antwortete: „Ich weiß es nicht.“
Die Antwort des Dalai Lama war aber nicht, wie die mit schallendem Lachen und wildem Schenkelklopfen reagierenden Manager sie verstanden hatten, als Koketterie und falsche Bescheidenheit gemeint. Denn das Nichtwissen – da waren sich die anwesenden Vertreter von Katholen, Protestanten, Ukrainisch-Orthodoxen, des Islam, des Judentums und eben auch der rotgewandete Walletuchträger einig – das Nichtwissen macht ja den Glauben und macht ja die Religion schließlich erst aus.
Woraus auch folgt, dass sie alle auch mal zweifeln. Nur der islamische Vertreter meinte zu diesem Thema, in seiner Religion sei es anders. Ein wahrer Moslem zweifle nämlich nicht oder jedenfalls überprüfe er sich dann stets, „ob das noch korrekt ist.“ Und so hatten die Zweifler-aber-dann-denn-doch-Glauber aus den anderen Religionen doch noch einen Dissens gefunden in all dem ringsherum herrschenden und urfaden multireligiösen Konsens, mit dem sie, als wären sie nun plötzlich alle islamophob geworden, den Islamvertreter weidlich abwatschen konnten.
„Wer keine Zweifel hat, ist ein gefährlicher Mensch“, sagte da zum Beispiel der jüdische Vertreter. Der lebende Buddha fügte pfäffisch ausweichend, indem er es vermied, das schlimme Wort Zweifel ebenfalls in den Mund zu nehmen, hinzu, „die Freiheit, die Dinge zu überprüfen“ sei ihm von seinem verstorbenen Ursprungsbuddha gegeben worden. (Woran ich nun wieder Zweifel anmelden würde.) Der ukrainisch-orthodoxe Pope schließlich ließ gleich rigoros gar keinen Zweifel daran zu, dass jeder Mensch auch manchmal zweifelt, und sagte dann noch: „Wer nicht zweifelt, ist geistig tot.“
Und so schlugen sie dann also alle auf den armen Moslemvertreter ein, bloß weil er ein wenig ungeschickt die Äußerung heraus gelassen hatte, Zweifel seien in seiner Religion unerwünscht. Er hatte dann ja noch hinzugefügt: „Wenn du Zweifel an Allah hast, musst du ihn anrufen, bis du wieder glaubst.“
Machen das denn die anderen Religionen auch nur um einen Deut anders? –
„Zweifeln därfst scho, Mädel. Dann betst mir halt fünf Vaterunser und drei Rosenkränz.“
23. September 2007
Weitere Religionsgespräche
Zum Abschluss seiner österreichischen Grinsvisite hat der Dalai Lama dann noch den Jörg Haider in Kärnten besucht. Beide zeichnen sich ja durch ein übergroßes Engagement für ihre jeweiligen unterdrückten Völker aus, und entsprechend haben sie sich wahrscheinlich gut verstanden. Jedenfalls soll es jetzt bald eine gemeinsame Grundsatzerklärung geben, und dem anvisierten tibetischen Gesundheitszentrum im südlichen Bundesland steht somit kaum noch was im Weg. Die Bergwelt dort ist ja auch recht ähnlich der von Tibet; das ganze spirituelle Ambiente passt sowieso; und wenn sich die Kärntner Betreiber und der Dalai Lama jetzt noch unter der Vermittlung Haiders darauf einigen, in welcher Form und zu welchem Preis die Klinik in Zukunft auch mit dem Namen des lebenden Heiligtums wird werben dürfen, so steht der nicht reinen Verkommerzialisierung dieses uralten Wissens, auf die der Dalai Lama jetzt wieder mit großem Nachdruck bestanden hat, rein überhaupt nichts mehr im Weg.
06. Oktober 2007
Schriftsteller machen Standard
Der Standard macht heute mit der dicken Unterzeile auf: „Österreichische Schriftsteller machen Standard – 37 Literaten berichten, interviewen, analysieren, kommentieren und schreiben Gedichte“.
Wieder 37, die zu Journalisten geworden sind. Es macht mich traurig, sehr traurig! Auf der andern Seite dezimiert es mir natürlich auch die Konkurrenz.
17. Oktober 2007
EM-Tagebuch
Die hauptsächlichen Gesprächsthemen hier im Land sind zur Zeit zum einen die miserablen Vorstellungen der Fußballnationalelf im Vorlauf auf die EM im nächsten Jahr im eigenen Land, und zum anderen die menschenverachtenden Resultate, die die Asylrechtsverschärfung vom letzten Jahr und die miese bis völlig absurde Integrationspolitik Österreichs jetzt in einigen öffentlich gewordenen und wirklich haarsträubenden Einzelfällen gezeitigt haben.
Nur auf die naheliegende Idee, dass das eine mit dem andern durchaus etwas zu tun haben wird – darauf kommt natürlich keiner.
19. Oktober 2007
Berichtigung
Da haben sie mich gleich Lügen gestraft. Das Fußballspiel vorgestern gegen die Elfenbeinküste hat gezeigt, dass es, um die österreichische Nationalelf für die EM im nächsten Jahr konkurrenzfähig zu machen, nicht unbedingt nötig ist, hier jetzt auf eine halbwegs menschliche Asylpolitik umzuschalten. Es genügt schon, wenn der Mannschaft damit gedroht wird, ihr einen phlegmatischen Trainer wegzunehmen.
Berichtigung
In der aktuellen jungle world gibt’s einen Schwerpunkt zum Thema „30 Jahre Deutscher Herbst“, und in diesem Zusammenhang auch ein Interview mit Karl-Heinz Dellwo. Was er darin sagt, spricht nun doch ziemlich deutlich dafür – was ich durch die am 2. Oktober erneut ins Netz gestellte „Todesspiel“-Kritik wieder in Frage gestellt hatte –, dass sich die Gefangenen in Stammheim damals doch selbst umgebracht haben.
Fest stehe, sagt Dellwo, dass ihnen tatsächlich Waffen in den Trakt geschmuggelt wurden. Rätselhaft sei für ihn gleichwohl, wie die Gefangenen sie bei den ständigen Verlegungen hätten verborgen halten sollen. Nach jahrelangem Grübeln und Zweifeln sei er zu der Einschätzung gekommen, dass ein Selbstmord der Drei nach der Devise „Den nächsten Schritt immer selbst bestimmen“ für ihn jetzt psychologisch glaubhaft erscheine; dass der Staat aber von solchen Plänen und ihrer Durchführung in der damaligen angespannten Situation und auf seinem ureigensten Terrain, im Stammheimer Hochsicherheitstrakt nichts mitbekommen haben will, das kann sich Dellwo auch weiterhin nicht vorstellen.
Beschwichtigung
Und ansonsten will ich mich jetzt aber bemühen, die völlig unwichtigen Themen wie Fußball nicht mehr weiterhin so verantwortungslos mit den ungleich wichtigeren wie z. B. der Asylpolitik zu vermengen.
18. November 2007
In der aktuellen Ausgabe der titanic wird von Hans Mentz meine „Ganze lange, wahre, traurige Geschicht …“ in seiner „Humorkritik“ besprochen. Das hätte nun in der Tat, egal, wie die Besprechung im Einzelnen ausfallen würde, ein Ritterschlag sein können. Hatte ich gedacht, bisher.
Aber Hans Mentz kann wohl doch keine Kunstfigur sein, wie ich immer dachte. Denn sonst hätte er mich wohl kaum in den zwei Absätzen seines kurzen Textes gleich viermal falsch zitiert! Fern liegt mir jede Kritikerschelte. Aber auf diesen Umstand werde ich wohl noch hinweisen dürfen.
Die Besprechung erschien unter dem Titel: –
Halb, Victor
Aus Wien erreicht mich die schmale Literaturbetriebssatire „Die ganze lange, wahre, traurige Geschicht, von ihm selbst erzählt, wie auch Halbs neues Buch von den Verlagen wieder nicht genommen ward“, in der ein gescheiterter Schriftsteller sein jüngstes Werk beweihräuchert („Es liest sich leicht und flüssig, ist überzeugend aufgebaut, amüsant und witzig, hat dabei auch Tiefgang“) und dann die Gründe aufführt, warum es von der Kulturbourgeoisie verschmäht wurde: „Daneben gab es immer Autoren, die dem tradierten Regelwerk nicht folgen konnten oder wollten … In letztere Richtung ging, ich sag’s ohne Bescheidenheit, bei fast jedem meiner Bücher mein Bestreben“, um schließlich den Lektorenstand zurechtzustutzen: „Ihr frondienstpflichtigen Serialisten!/Ihr umsatzhörigen Scheuklappenhändler!/Ihr trutzburgbewohnenden Pornographisten!“, bis hin zu „Konzernstreber!“ bzw. „Konkurrenzbeneider!“ usf.
Bis dahin fand ich die Broschüre schön rüpelhaft und den Protagonisten treffend überzeichnet – bis mir dämmerte, daß das Heftchen wohl keine Satire ist; und „Victor Halb“ keine Kunstfigur; sondern wahrscheinlich ganz real seine Angriffe gegen die „Laffen und Fanten“ reitet – als nächstes bestimmt gegen mich. Eitel geht die Welt zugrunde, und: „Bücher schreiben ist ganz schön hart“ (Victor Halb). Humorkritik schreiben aber auch.
Und korrekt zitieren erst!, ließe sich jetzt also anfügen. Das ist erst hart! Das ist schon wirklich viel verlangt.
Hart auch, zu entscheiden, ob’s „nur“ ein Versehen von Mentz war, dieses dreimal den grammatikalischen Stachel ziehende und einmal den Inhalt bis zur Unkenntlichkeit verwässernde falsche Zitieren, oder Absicht?
Leicht ist da nur der Textvergleich … Die betreffende Originaltirade befindet sich hier.
04. Dezember 2007
EM-Tagebuch
Bei der Gruppenauslosung zur Fußball-EM im nächsten Jahr hätte es für Wien kaum schlimmer kommen können. Vom Sicherheitsaspekt her.
Den Österreichern, wo es nur wenige Problemfans gibt – weil Österreich ist ja nur ein kleines Land –, wurde das größere Polen in die Gruppe gelost, wo es ebenfalls Problemfans gibt, und Kroatien, wo alle Fans Problemfans sind, was schon daraus zu ersehen ist, dass sie alle in den Farben der faschistischen Ustasha herumrennen. Was den dritten Gruppengegner Österreichs anlangt, die Deitschen, so haben die Fans von dort bekanntlich im letzten Jahr, bei der WM im eigenen Land, die Welt mit einer ganz neuen Form des fröhlichen Hurra-Patriotismus überrascht. Es bleibt nun abzuwarten, wie sich der im nächsten Jahr, hier zu Gast in der Fremde, äußern wird. Dass es schlechtweg noch keine Erfahrungen dafür gibt, wie sich die neue deutsche Fröhlichkeit im nächsten Jahr in einem Milieu kundtun wird, wo dann nicht wie zuhaus alle Menschen und Autos einheitlich schwarzrotgold gekleidet und ansonsten nur in wenigen anderen Fanfarben geduldet sein werden, um symbolisch als Minderheiten inmitten dieses schwarzrotgoldenen Meeres der Gastfreundschaft einmal nicht wie sonst verprügelt, verjagt und vertrieben zu werden – dass es dafür schlechtweg noch keine Erfahrungen gibt, erschwert den Behörden die allfällige Erstellung ihrer „Worst-Case-Scenarios“.
Was die sportliche Seite angeht, so börge die immerhin denkbare Konstellation, wie es sie schon einmal gegeben hat und in der den Unsrigen und den Piefkes im gemeinsamen letzten Gruppenspiel ein Remis zum Aufstieg reichen täte, in sich den wenigsten Sprengstoff.
15. Dezember 2007
Ein Monat Mini-Museum
Seit einem Monat gibt es jetzt Halbs Mini-Museum. Zeit für eine erste Erfolgsbilanz.
Um die 50 Werke sind ausgestellt, manche davon sind recht umfang- und detailreich. Ca. vier Fünftel davon stammen aus Halbproduktion, der Rest kommt von anderen Künstlerinnen und Künstlern und ist entweder ebenfalls in Halbs Besitz oder wurde ihm für das Museum temporär zur Verfügung gestellt. Wie die Werke gehängt und gestellt wurden, korrespondieren sie zum Teil untereinander und in der Regel auch mit ihrer Umgebung. Daneben ist das Museum auch weiterhin als eine Schriftstellerwohnung noch in Gebrauch; als die Wohnung eines Schriftstellers, genauer gesagt, der auch noch Fotograf ist und der gelegentlich malt und zeichnet; der auch schon Filme gemacht und der auch schon musiziert hat, und der gerne kocht. Dies alles mit in Betracht gezogen, ist nun eh klar, worauf das hinauslaufen wird: Wir haben es hier mit einem sogenannten „Gesamtkunstwerk“ zu tun.
Als ein solches steht es jetzt also seit einem Monat, immer werktags und solange es hell ist, für alle Interessierten (nach einer persönlichen Anmeldung per Email) zum Besuch offen. Es war mehr Aufwand, als zuvor gedacht, um dahin zu kommen, dass diese Infrastruktur jetzt steht. Und jetzt steht sie. Und der museumsbewohnende Schriftsteller meint es jetzt also auch weiterhin an jedem Werktag, wenn es sein muss, im Kreuz zu haben, für Besucherinnen und Besucher die Schriftstellerei für ein Stündchen oder so liegen- und sie ein- und sich auf sie einzulassen, den Garderobenservice und die ganze Multimedia für sie anzuschmeißen, sie herumzuführen oder ihnen auch, wenn sie das eher bevorzugen, ihre Ruhe für ihr Kunststudium zu belassen, daneben noch sie mit Speis und Trank zu versorgen, ihnen Fragen zu beantworten oder bei Bedarf ihnen mit Erklärungen das Verständnis nur bestimmter einzelner Werke zu vertiefen. Dass der museumsbewohnende Schriftsteller meint, dies alles jetzt also auch kontinuierlich im Kreuz zu haben – bis hierher ging nun also die Erfolgsbilanz.
Daneben stellen sich nach diesem ersten Monat von Halbs Mini-Museum vor allem auch Fragen. Wie zum Beispiel die: Nehmen wir an, jemand wohnt in einer normalen Wohnung, legt dafür Besuchszeiten für die Öffentlichkeit und eventuell noch ein paar sonstige Zutrittsbeschränkungen fest und macht ein Museumsschild über den Eingang – hat er dadurch tatsächlich schon ein Museum, im eigentlichen Sinn? Was macht überhaupt ein Museum aus?
Die einen sagen, ein Museum wäre hauptsächlich dazu da, bestimmte Ideologien dar- und auszustellen, sie zu formen wie auch sie zu repräsentieren. Und zwar nicht irgendwelche Privatideologiemätzchen würden ein Museum ausmachen, sagen diese Leute, sondern ein Museum im eigentlichen Sinne würde es erst durch ein staatliches Plazet, also durch die üblichen Formen institutionalisierter Anerkennung, wie durch Subvention zum Beispiel, durch einen Besuch eines Ministers, oder durch billigende Erwähnung wenigstens auf den einschlägigen kulturamtlichen Seiten im Netz. Ohne offizielle Anerkennung von Seiten des Staates aber, sagen diese Leute, ist es auch nicht wirklich ein Museum.
Andere halten dagegen, dass es sehr wohl auch rein private Museen immer wieder einmal gegeben hat und dass es auch ein paar von denen weiterhin noch gibt.
Was für die erstere Fraktion hingegen, die die Museen unter Staatsideologiegeneralverdacht stellen möchte, natürlich nur ein schwaches Argument ist, indem diese Privatanstalten, so sie denn nicht eh nur wenige unbedeutende Ausnahmen von der Regel darstellen, dann ja ebenfalls Staatsideologie zu treiben gezwungen wären, zum Beispiel auch in Form von Markt- und hier meist dann: Kunstmarktideologie, um museumsmäßig nicht sofort in der lächerlichsten Bedeutungslosigkeit zu versinken. Und entweder würde also dies letztere alsbald passieren, oder eben doch wieder eine Form der Staatsideologieproduktion, wobei in diesem Fall so sicher wie das Amen in der Kirche, wenn sich die Betreiber nicht völlig dumm anstellen würden, auch die oben erwähnte, die museumskonstituierende staatliche Billigung früher oder später sich in der einen oder andern Form einstellen dürfte.
Gegen diese Art von Museumshermeneutik, nach der ein solches Haus also immer entweder staatskonforme Ideologie produzieren oder aber praktisch irrelevant sein wird, ist in der Tat schwer anzukommen. Befragen wir dazu deshalb vielleicht noch einen ausgewiesenen Experten. Ein solcher ist der ansonsten relativ unbekannte Schriftsteller Victor Halb, hat er doch in seinem letzten Buch „Philosoph auf Reisen“ mindestens zwei Dutzend Museen kompetent beschrieben und rezensiert. – – –
- Herr VH, wohnen Sie in einem Museum?
- Sicher nicht im klassischen Sinn. Dagegen hätte ich mich auch verwahrt. Schaun S’, aus einem Museum im klassischen Sinn wäre alles Leben nach draußen verbannt, auf dass sich die Besucherinnen und Besucher in völliger Ruhe und Abgeschiedenheit in einem sogenannten white cube die toten Gegenstände anschauen können. Tot bin ich aber – darauf möchte ich schon einen gewissen Wert legen – bisher noch nicht. Insofern also: kein klassisches Museum. Auf der andern Seite – wenn ich Ihren Blick auf die Bilder lenken darf, die dort oben an der Decke reihum laufen und in gewisser Weise die Geschichte der Welt erzählen …
- Ganz schee weit droben …
- Sie haben’s intuitiv erfasst. Das ist der (PERMANENT:) „Scheedrobenfries“. Selbst wenn alle sonstige Kunst hier vielleicht einmal gerade umgearbeitet werden sollte, selbst wenn sich alle sonstige Kunst hier zu dem Zweck gerade im Depot befindet – der Scheedrobenfries ist PERMANENT. Er ist das Herz und das Rückgrat der Ausstellung.
- Herz und Rückgrat?
- Ja. Sie kennen doch die Secession am Karlsplatz?
- Sicher kenn ich die Secession. Ich hab schon verstanden. Das da droben ist eine Anspielung auf Klimts „Beethovenfries“ in der Secession.
- Keine Anspielung. Eine Verbesserung. Beim „Beethovenfries“ stehen die verschiedenen Motive, nur notdürftig verbunden durch ornamentale Schnörkel, im Grund ganz unvermittelt nebeneinander. Wir dagegen erzählen da droben reihum eine Geschichte. Die rund ist wie die Erde und also keinen Anfang und kein Ende hat. So muss ein Fries sein! Und um zur Ausgangsfrage zurück zu kommen, frage ich jetzt Sie: Ist die Secession am Karlsplatz ein Museum?
- Ja sicher ist sie ein Museum.
- Na, sehen Sie. Oder wenn ich Ihr Interesse auf diese Collage hier an der Wand lenken darf. Das ist eine „Hommage à Documenta 12“.
- Da sind jetzt aber, wenn ich so sagen darf, die disparaten Bestandteile in einer haarsträubend beliebigen Weise ebenfalls rein äußerlich miteinander verbunden.
- Sie haben es wieder erfasst. Das ist eben die Hommage à Documenta 12. Die ja wohl ebenfalls eindeutig in Museen in Kassel stattgefunden hat.
- Sie ist aber schon seit September zu Ende.
- Eben. Unser Mini-Museum hingegen gibt es noch. Noch weitere Belege gefällig dafür, dass es eines ist? Dort drüben haben wir unsere „Schönheitengalerie“. Im Schloss Nymphenburg in München gibt es eine Galerie gleichen Namens mit barocken Schönheiten. Unsere hier sind schöner. Ferner haben wir noch eine Saliera …
- Das ist ja wohl ein billiger Scherz! Einen normalen Salzstreuer auszustellen mit einem Schild daneben: „Saliera, 21. Jh.“ …
- Das ist überhaupt kein billiger Scherz! Ich sag nur „Fluxus“. Ich sag nur „Sonnensalz“. Jedes Museum braucht heute auch sein ready-made. Wobei unsere Saliera hier im Gegensatz zu der im Kunsthistorischen aber auch sämtlichen Prinzipien moderner Lebensmitteltechnologie gerecht wird.
- Ich bleibe dabei: Ein billiger Scherz. Und wenn ich mir den kritischen Einwand erlauben dürfte: Auch noch so viele Verweise auf andere Museen machen noch lange kein Museum. Es spricht durchaus auch vieles dagegen, dass das hier eines ist: Es gibt keine getrennten Toiletten für Männlein und Weiblein, es gibt keine Barrierefreiheit, keine Notausgänge, Eintritt wird auch keiner verlangt, es darf hier sogar geraucht werden …
- Da muss ich Sie verbessern: Es soll geraucht werden.
- Wie bitte?
- Ja. Von wegen der Patina.
- Sehr witzig. Diesen Scherz können Sie sich auch nur erlauben, weil die ausgestellten Werke hier – Hand auf’s Herz! – nur von einem geringen Wert sind.
- Das stimmt schon. Das hat aber auch Vorteile.
- Nämlich?
- Es schmälert den Tarif der Versicherung. Falls wir uns doch noch entschließen, die Ausstellungsstücke zu versichern. Und außerdem hätten die Bilder, wenn sie jetzt etwa Millionenwerte auf dem Kunstmarkt erzielen könnten, wohl kaum, wie es in einigen Fällen geschehen ist, mit der U-Bahn hierher transportiert werden können.
- Sie haben die Bilder mit der U-Bahn …
- Nicht alle, nur ein paar. Die waren dann aber sehr sorgfältig transportgerecht verpackt.
- Hören Sie auf! Da sträuben sich jedem Kunstfreund die Haare!
- Was will man machen? Für professionelle Frachter fehlte uns schlicht das Geld.
- Das ist furchtbar! Mit der U-Bahn! Alleine die Vorstellung! Wahrscheinlich waren Sie da auch noch in der Hauptverkehrszeit unterwegs …
- Das konnten wir uns nicht immer aussuchen.
- Das ist barbarisch! Das ist doch wirlich nicht die Vorgehensweise von einem Museum!
- Ich habe ja schon eingeräumt, dass es keines im klassischen Sinn ist.
- Klassisch oder nicht – bleiben Sie mir doch weg mit Ihren Haarspaltereien! Dieses sogenannte Museum hat ja zu Recht auch keine Besucher!
- Da ist aber die Presse dran schuld.
- Ja, ja. Die Presse ist an allem schuld. Das soll jetzt wahrscheinlich wieder ein hyper-subtiler Verweis gewesen sein auf irgendwelche alten Wiener Traditionen …
- Darauf wollte ich gar nicht hinaus. Es war aber in der Tat so, dass ich meiner Selbstmusealisierung hier vor allem auch wegen des damit verbundenen neuen Experiments in der Reihe „Nicht gedruckt soll er werden“ zugestimmt habe. Sie wissen ja, dass ich schon Zeit meines künstlerischen Lebens aus Gründen, die ich andernorts ausgiebig erläutert habe und auf die ich mir – nebenbei gesagt – einiges zugute halte, künstlerisch machen kann, was ich will – Betrieb und Presse nehmen davon grundsätzlich null und genau null Notiz. Und da hat es mich natürlich sehr gereizt, auszuprobieren, wie sie das jetzt wieder anstellen würden sebst in dem extremen Fall, dass da einer in Wien ein neues Museum eröffnet. 30 Einladungen hatten wir ausgeschickt zur Pressekonferenz zur Museumseröffnung, an sämtliche wichtigen und weniger wichtigen Medien aus dem Print- wie aus dem Funkbereich, (an die Krone und Österreich also selbstverständlich nicht,) und der einzige erkennbare Effekt war, dass für drei Tage die Zugriffsquoten auf unsere Website enorm in die Höhe geschnellt sind, bis endlich jeder dieser verantwortlichen Redakteure für sich bei den Recherchen dort etwas gefunden haben muss, was sie dann alle zu dem immer selben Entschluss gebracht hat, der durch die Meinungs- und Pressefreiheit aber gewiss auch gedeckt ist: Nicht gedruckt soll er werden! Bzw. zu der Meinung, dieses Museum müsse ja wohl ein fake sein. Oder zur Einschätzung, was weiß ich?: Dass dieses Museum ja keine Staats-, sondern bloß Privatinteressen verfolgen würde. Oder so ähnlich. Und darüber berichten sie dann natürlich lieber nicht.
Aber Wien ist ja zum Glück anders, und vor allem auch eine Kulturstadt. Wien ist eine solch kulturvolle Stadt, da kann auch ein ungewöhnliches Museum wie unser Mini-Museum trotzdem leicht fortbestehen, und wenn’s sein muss, leichter sogar noch – weil das weniger Arbeit macht – auch ganz ohne Besucherinnen und Besucher.