Weblog-Archiv 2007 (1/2)
06. Jänner 2007
Gestern abend hatte mir eine Bekannte ziemlich ausführlich und kompetent meinen „Philosoph auf Reisen“ kritisiert. Auch wenn ich nicht in allen Einzelheiten mit ihr übereinstimmte – ein Buch braucht z. B. nicht unbedingt einen roten Faden, denke ich, denn mehrere tun’s ja auch; ein Text muss nicht durchgehend und an jeder Stelle „schön“ und gleich auf den ersten Blick einleuchtend sein –, so wurde ich doch wieder einmal mit der Nase darauf gestoßen:
Ach, um wieviel besser noch könnten meine Bücher doch sein, wenn sie nicht immer von mir ganz allein, sondern auch einmal in Kooperation und Absprache mit einem fähigen Lektor oder einer fähigen Lektorin gemacht worden wären!
09. Jänner 2007
Vor der Angelobung
Wurscht, ob die Christdemokraten die Kanzlerin stellen, wie in Deutschland, oder die Sozialdemokraten den Kanzler, wie hier in Österreich – aber immer müssen bei diesen Großen Koalitionen die Sozialdemokraten die großen Kröten schlucken. Geschieht ihnen ganz recht, finde ich.
13. Jänner 2007
Nach der Angelobung
Beim Kurier haben sie sich die Mühe gemacht, das neue Regierungsprogramm auf die politischen Schlagworte hin durchzuzählen. Weit an der Spitze stand „Arbeit“, 138-mal.
Bei der SPÖ-Hotline waren, seit die Koalitionsvereinbarungen bekannt wurden, tausende Protestanrufe zu bewältigen.
Und das sind nur zwei Beispiele dafür, wie es die Große Koalition jetzt schon geschafft hat, Arbeit zu schaffen, Arbeit, und nochmals Arbeit.
18. Jänner 2007
Heute vor drei Jahren hatte ich mich aus der alten Heimat weg und mich aufgemacht in die weite Welt. Zeit, um zurückzuschauen, und vor allem auch nach vorn.
Noch einmal drei Jahre gebe ich mir. Bis dahin sollte ich mich dann aber doch endlich „als Schriftsteller durchgesetzt haben“, oder wie das heißt. Auf eigenen Füßen fest im Leben stehen können u. dgl.
Oder sagen wir, in sechs. Ja, doch, ich bin zuversichtlich: In spätestens neun, allerallerspätestens in zwölf Jahren ist es soweit.
21. Jänner 2007
Der Klimawandel
Verdienstvoll, wie sich der ORF jetzt endlich auf allen Kanälen mit dem Schwerpunktthema „Klimawandel“ auseinandersetzt. Aber wenn New York demnächst, zusammen mit der ganzen restlichen Nordhalbkugel, durch eine neue Sturmsorte mit Eisluft aus den oberen Atmosphärenschichten in Sekundenschnelle schockgefrostet wird, wie es gestern abend in „The Day after Tomorrow“ zu beobachten war, dann ist da ein eindeutiger wissenschaftlicher Zusammenhang mit dem immer noch rätselhaften Phänomen einer globalen Klimaerwärmung überhaupt noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Größere und kleinere Eiszeiten hat’s auf der Erde immer schon, auch vor Auftreten der Menschheit schon gegeben. Ich möchte da warnen vor einer unverantwortlichen Panikmache. Andrerseits ist natürlich auch klar, dass wenn jetzt auch China noch vom Fahrrad umsteigt auf den motorisierten Individualverkehr, da schlägt sie dann natürlich zurück.
26. Jänner 2007
Ein Kanzler für alle
Der Strache von der FPÖ hat Schwierigkeiten mit Fotos, die ihn bei Wehrsportübungen zeigen. Er kann auch nicht ausschließen, dass welche mit Hitlergruß noch auftauchen könnten. Der Kanzler Gusenbauer von der SPÖ nimmt ihn daraufhin in Schutz mit dem Argument von den „Jugendsünden“, und wird dafür, von wegen Verharmlosung und falsches Signal, auch aus der eigenen Partei kritisiert. Die SPÖ-Staatssekretärin Bures nimmt daraufhin nun den Kanzler in Schutz, sein Vorgehen sei schon okay, denn, so sagt sie, jede Ausgrenzung bewirke doch immer bloß eine Radikalisierung.
Vielleicht sollten wir die SPÖ eine Zeitlang ausgrenzen und sie wird dadurch dann radikal?
02. Februar 2007
Umfrage
„Guten Tag, mein Name ist Soundso. Ich mache gerade eine Umfrage für das Institut Soundso. Es geht dabei um Soundso, Soundso. Hätten Sie vielleicht kurz Zeit, um mir ein paar Fragen zu beantworten?“ –
„Die Zeit hätte ich schon, aber kein Interesse.“
03. Februar 2007
Neues von der Dopingfront
Ein Spieler aus der 1. österreichischen Liga wurde vom Dopingverdacht jetzt doch freigesprochen. Sein Konsum von Cannabis, hieß es, sei nicht leistungssteigernd gewesen. Und dass einer – ließe sich anfügen – nicht also mit gesteigerter Leistung, sondern bloß kreativer Fußball spielt, das wollten sie denn doch nicht verbieten.
04. Februar 2007
Gehts euch brausen!
Zu was soll dann der ganze Kolonialismus überhaupt gut gewesen sein, wenn sie uns am Ende selbst den Tabakgenuss noch verleiden wollen?
06. Februar 2007
Wo er Recht hat …
„Wir sind zu rechtslastig.“
Herbert Prohaska über die Österreicher (am 6. 2. 07 im ORF)
17. Februar 2007
Transparente Resonanz
Vor ein paar Tagen hat die Anzahl der Zugriffe auf diese Webpage die 1000 überschritten. Reell muss man da sicher noch einen beträchtlichen Anteil abziehen, wenn ich selbst oder mein Webdesigner darauf zugegriffen hatten, um getätigte Änderungen in ihrem Erscheinungsbild zu überprüfen. Aber trotzdem – diese vierstellige Zahl in der Webstatistik macht sich doch gut.
Was ist aus dieser Statistik genauer abzulesen? Dem üblichen Anfangshype, Mitte Juni vergangenen Jahres, nachdem ich bekannt gemacht hatte, nun auch im Netz existent zu sein, folgte eine ebenso erwartbare lange Flaute. Kaum Zugriffe, über Monate hinweg. Dies war deshalb nicht anders zu erwarten, weil die Seite im Laufe der Zeit erst mit Material gefüllt wurde und anfangs noch recht dürr war und nicht eben zum Schmökern einlud. Vor allem aber brauchten die Suchmaschinen fast ein halbes Jahr, bis meine Homepage dort auftauchte, und so wäre sie für Leute ohne eine persönliche Empfehlung bis in den November hinein überhaupt noch nicht aufzufinden gewesen.
Was letzteres anging, so hegte ich schon schwere Befürchtungen, dies würde sich überhaupt nie ändern. Die Kriterien und Arbeitsweisen, nach denen die Suchmaschinen arbeiten, sind ja für Laien wie mich erstmal in rätselhaftes Dunkel gehüllt.
Immerhin hatte ich diesbezüglich dann doch in Erfahrung gebracht, dass für die Reihung der Suchergebnisse vor allem auch die anderen Seiten wichtig seien, von denen aus auf die betreffende verlinkt wird, und da ich aber nicht gedachte, dieses Spiel mitzuspielen: „Verlinkst du meine Seite, verlink ich deine Seite“ und die Anzahl der Links auf meine Seite entsprechend bis dato, soweit ich weiß, exakt Null ist, hatte ich schon befürchtet, dass diese meine Homepage nie zu googeln sein würde. Aber dies hat sich dann glücklicherweise doch nicht bestätigt. Erst tauchte sie in den Suchergebnissen auf irgendwo unter ferner liefen, und dann kam doch auch noch das andere Kriterium zum Tragen, nach dem sie, wie man hört, ihre Ergebnisse listen: Weil ich nämlich auch immer hübsch am aktualisieren und verändern der Seite bin, taucht sie mittlerweile, wenn man mich googelt, brav ganz oben auf auf Position 1, ganz wie es sich gehört.
Und ich weiß zwar nicht, ob da ein direkter Zusammenhang besteht, und wer mich da ständig googeln sollte, aber seither geht’s auch in der Zugriffsstatistik stetig nach oben. Im Verhältnis zu einer wirklich gut besuchten Seite ist das zwar immer noch sehr bescheiden, aber jeden Tag so um die zehn Besucher, mit stetig steigender Tendenz – das ist doch auch schon mal mehr als nichts.
Interessant sind auch die durchschnittlich heruntergeladenen Datenmengen und die im Schnitt aufgerufenen Unterseiten. Indem sie darüber Auskunft geben, ob sich auf meiner Seite vorwiegend Stammkundschaft herumtreibt, die dann bloß schauen würde, ob es vielleicht wieder einen neuen Blog-Eintrag gibt. Oder ob die Besucherinnen und Besucher sich überwiegend ausgiebig informieren und durch viele Unterseiten hindurchklicken. Dieses hält sich offenbar die Waage. Wofür auch spricht, dass mit dem kürzlich eingeführten Service für meine Stammbesucher und -besucherinnen, dass jetzt schon auf einen Blick zu erkennen ist, ob die Seite und wann sie zuletzt verändert wurde, die durchschnittlich abgerufene Datenmenge, wie zu erwarten, zwar gesunken ist – es gibt also Stammkunden – aber doch so stark gesunken nun auch wieder nicht, dass es jetzt an Tagen, an denen die Seite nicht verändert wurde, schon gegen nur eine aufgerufene Seite tendieren würde. Da gibt es offenbar auch, ich weiß nicht woher, immer wieder neue Leute, die sich durch zahlreiche Seiten klicken und sich so ausführlicher einen Überblick verschaffen wollen.
Was ich nett finde! Es ist ermutigend! Weshalb ich auch Euch ermutigen möchte: Hallo, Ihr da draußen, unbekannterweise! Hallo, Stammkunden, hallo, Gelegenheitsbesucher! Vielen Dank auch, dass Ihr an meinem heroischen und nicht besonders aussichtsreichen Kampf gegen den Betrieb Anteil nehmt! Danke auch, dass Ihr mich offenbar auch – denn woher sonst sollten all diese Zugriffe gekommen sein? – immer wieder mal weiterempfohlen habt!
Zur viel zitierten „digitalen Boheme“, die ja zur Zeit sehr en vogue ist, gehöre ich mit diesen knapp über 1000 Zugriffen freilich noch nicht. Da bin ich eher immer noch ganz klassisch „analoge Boheme“. Aber sobald die Anzahl der Zugriffe auf meine Homepage die Anzahl der von mir ganz materiell und handfest, der analog unter die Leute gebrachten Exemplare meiner Bücher und Broschüren übertroffen haben wird, melde ich mich in dieser Frage wieder.
18. Februar 2007
Opernball-Resümee
Der Opernball, das gesellschaftliche Ereignis schlechthin in Österreich, ist vorbei. Ich war ja nicht dabei, aber was man so hört, so hat die Netrebko der Hilton die Schau gestohlen, wobei ihr höchstens noch die Hilton die Schau gestohlen hat.
19. Februar 2007
All about Paris
Frau Hilton war erst als Ehrengast auf dem Wiener Opernball und danach hatte sie noch in Ischgl Geburtstag gefeiert, und jetzt wissen wir alles über Frau Hilton, und überall brandeten in der Folge hitzige Debatten auf um die Frage, ob Frau Hilton nun wirklich so dumm ist wie Stroh oder ganz so dumm nun auch wieder nicht. Heute früh habe ich jetzt noch im Radio erfahren, dass wenn jemand ihr etwas zu ihrem Geburtstag hatte schenken wollen, in aller Regel noch 20.000 Dollar draufzulegen waren auf das Präsent, zur Abgeltung nämlich für den positiven Werbeeffekt, den das ja für dieses Frau Hilton geschenkte Produkt unweigerlich haben muss.
Wenn sie solch harte Bedingungen stellt, werden ihr schon bald die besten Freunde nichts mehr schenken wollen. Und das spricht ja wohl doch wieder für sehr, sehr dumm.
26. Februar 2007
Und der Oscar für den am meisten nach einem adligen Vollwaschmittel klingenden Regisseursnamen geht an – – – Florian Henckel von Donnersmarck!
15. März 2007
Erbschaftssteuer
Jetzt läuft sie also doch 2008 aus, die Erbschaftssteuer. Das Verfassungsgericht hatte sie in der bisherigen Form für ungerecht erklärt und dieses Auslaufen oder aber eine Reform bis 2008 verlangt. An einer Reform mitzuwirken verweigerte sich aber die ÖVP, und so läuft sie nun also aus, die Erbschaftssteuer, bis 2008, und Gusenbauer kommentierte gestern noch kurz und knapp, dass wenn eine Steuer auslaufe und nicht erneuert werde, dann laufe sie eben aus.
Auf mich hört halt mal wieder kein Mensch! Bei jeder Gelegenheit hatte ich mich in den letzten Tagen für meinen Vorschlag in die Bresche geworfen, der überhaupt nicht als Scherz gemeint war, sondern als Patentrezept für und gegen beinahe schon alles: Ich bin nämlich für eine allgemeine Erbschaftssteuer von 100 Prozent! Nur so wäre eine Chancengleichheit, die den Namen verdient, herzustellen. Wenn Konkurrenz schon unbedingt sein muss, dann sollen doch bitteschön alle bei Null anfangen. Die Reichen würden, wenn sie nicht mehr vererben könnten, kurz vor Ladenschluss noch konsumieren ohne Ende – das gäb ein Wirtschaftswachstum! Gar nicht zu reden von allen heuchlerischen Erbschleichereien, die einem allgemeinen grundehrlichen Verhalten unter Verwandten Platz machen würden. Der Staat hätte, würde in solcher Form dann nur noch er erben, immer Unmengen Geld zur Verfügung – ein allgemeines Grundeinkommen oder einen Eurofighterausstieg mit ein paar Milliarden zu finanzieren, wäre ihm dann ein Klacks. Der Kapitalismus bekäme, weil der Staat dann gar nicht mehr wüsste, wohin mit dem vielen Geld, endlich ein menschliches Antlitz, und, und, und.
Ich sähe in so einer 100-prozentigen Erbschaftssteuer tatsächlich nur Vorteile. Aber auf mich hört ja mal wieder kein Mensch.
19. März 2007
Skandale bei der Polizei
Die Kronenzeitung macht heute mit der Schlagzeile auf:
„Innenminister hat Skandale satt: Ultimatum an den Wiener Polizeichef“.
Die Skandale sind halt auch nicht mehr, was sie mal waren. Früher, ich erinnere mich, da gab’s Zeiten, da hatte schon einer glangt. Heute aber, wenn man der Krone Glauben schenken darf, macht ein Skandal allein noch lange keinen Skandal. Beim zweiten in Folge vielleicht, denke ich mir, stellt sich ein Missbehagen ein, beim dritten ein gewisser Unmut, beim vierten fällt es den Verantwortlichen dann schon schwer, da immer noch wegzuschauen, und erst aber, wenn sie in noch größerer Anzahl, quasi im Rudel auftreten, die Skandale, dann geht damit auch die Auflage signifikant und den Zuständigen allmählich die Hutschnur hoch und sie bekommen dann aber wirklich die Faxen langsam dicke.
22. März 2007
Die neue Klimastrategie
In der Presse stand heute zu lesen: –
WENIGER KOHLENDIOXID. Die nötige österreichische CO2-Reduktion findet zur Hälfte im Ausland statt ...
Mit der neuen österreichischen Klimastrategie will die Regierung das Kyoto-Ziel doch noch erreichen. Vor genau zehn Jahren hatte Österreich ja versprochen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2012 um 13 Prozent zu senken. In der Realität sind die CO2-Emissionen aber um 18 Prozent gestiegen. Wird das Kyoto-Ziel nicht erreicht, drohen Österreich Strafzahlungen von zumindest einer Milliarde Euro.
Der wichtigste Unterschied zur bisherigen Klimastrategie: 40 Prozent des Reduktions-Erfordernisses von jährlich 24 Millionen Tonnen CO2 sollen in Form von Emissionszertifikaten im Ausland zugekauft werden. Dafür werden schon heuer 46 Millionen Euro ausgegeben, ab 2008 sind es dann jährlich 56 Millionen Euro.
Da sage noch einer, es werde zu wenig getan gegen den Klimawandel. Um die 50 Millionen Euro lässt sich das Land seine neue Klimastrategie also kosten, Jahr für Jahr, und belohnt mit dem Geld in Form von Emissionszertifikaten jene Regionen im Ausland, die es also jedenfalls doch geben muss, und in denen die CO2-Emissionen während der letzten zehn Jahre nicht um 18 Prozent gestiegen, sondern wahrscheinlich sogar gesunken sind. Man muss sich diese Öko-Regionen wohl als vom Krieg verwüstete oder als sonstwie ziemlich desolat vorstellen, weshalb sie das Geld sicher gut gebrauchen können, und um diese Einnahmequelle auch für die Zukunft nicht zu gefährden, werden sie es bestimmt auch nicht in eine Ankurbelung der Wirtschaft stecken, was ja voll unöko wäre, oder in Autos oder Flugreisen. Nein, in diesen Regionen haben sie den Geist von Kyoto wahrscheinlich schon ganz verinnerlicht, und also kaufen sie mit dem Geld wahrscheinlich überhaupt nichts, weil ja jeder Warenwechsel unweigerlich wieder mit einem erhöhten CO2-Ausstoß verbunden ist. Nur eines werden sie davon kaufen, denn dies ist heute ganz unverzichtbar: Aus jenen Regionen im Ausland, wo auch weiterhin produziert und emittiert wird, moderne Filtertechnologie.
16. April 2007
Filbinger
Jetzt ist er also tot, der Filbinger.
Für meine österreichischen Landsleut: Das war jener ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident, der in den 1980-er Jahren hatte zurücktreten müssen, wie sich jetzt herausgestellt hat, wegen antinazistischer Gesinnung.
19. April 2007
Als Christine Brügge sich einmal gegoogelt hat
Größtenteils ist es mir ja ein Rätsel, woher wohl all diese relativ zahlreichen Zugriffe auf meine Webpage kommen mögen, Tag für Tag, angesichts meines doch recht randständigen Daseins in der Literatur und angesichts der Tatsache, dass sie doch auch kaum bis gar nicht verlinkt ist anderswo, schon weil ich mich darum ja auch gar nicht bemühe. Aber manchmal, allzu selten outet sich dann doch immer wieder einmal jemand in einer Email als Zugreiferin oder Zugreifer auf die Seite, und das sieht dann zum Beispiel so aus wie folgt: –
Lieber Victor Halb,
wie ich gesehen habe, haben Sie unseren Briefwechsel aus dem Jahr 2005 veröffentlicht …
Sie bezieht sich damit auf meinen Text „Aus der literarischen Welt“.
Ich wurde nicht gefragt ob es mir recht ist – und nein, das ist es mir nicht …
Das kann ich mir schon vorstellen.
Insofern möchte ich Sie freundlich bitten, ihn zu entfernen. Es ist eine Verletzung des Briefgeheimnisses.
Danke und beste Grüße,
Christine Brügge
Dazu ist folgendes zu sagen: Wer jenen Emailwechsel nachliest, wird mir leicht nachfühlen können, dass ich es doch strikt vermeiden möchte, in noch einen weiteren solchen mit dieser Frau Brügge hineinzugeraten. Der erste war aufreibend genug. Deshalb werde ich auf ihr Ansinnen auch nur hier an dieser Stelle und auf diesem Wege antworten. Sie wird sich aber bestimmt fast täglich selber googeln und die Antwort so auch auf diesem Wege mitbekommen.
Von einer Verletzung des Briefgeheimnisses kann natürlich überhaupt keine Rede sein. Ihre Emails waren ja an mich gerichtet. Eine Verletzung des Briefgeheimnisses läge ja nur dann vor, wenn ein dritter sich unseren Emailwechsel ohne unsere Zustimmung zugänglich gemacht und/oder ihn veröffentlicht hätte. Wenn sie sich jedoch von Wildfremden in solche Emailwechsel verwickeln lässt, dann muss sie auch damit rechnen, dass diese Wildfremden dies an andere Leute weiterzeigen.
Es ist in diesem Fall noch nicht einmal ein nennenswerter Bruch einer Vertraulichkeit. Denn ihre erste lange Email, mit der das ganze seinen Ausgang genommen hatte, hatte sie ja massenhaft verschickt, an alle – nach den Angaben auf ihrer Webpage – 1200 Teilnehmer und Teilnehmerinnen an jenem Online-Schreibwettbewerb, an dem ich damals ebenfalls teilgenommen hatte. Wenn ich dann nachgehakt, ihr so dieses und das über die Hintergründe entlockt und dieses schließlich in einer witzig-polemischen Form veröffentlicht habe, so geschah es also auch in einem gewissen allgemeineren Interesse, welches mir mein gewiss nicht ganz höfliches Vorgehen – es war schon nicht die feine Art! – nach gründlicher Erwägung als legitim erscheinen ließ.
Sie soll mir doch nicht mit einem „Briefgeheimnis“ kommen! Auf’s Betriebsgeheimnis hinter ihrem salbungsvollen und gleichzeitig so schlampig daherkommenden Geseier kam es mir bei unserem Emailwechsel und mit dem daraus entstandenen Text an. Dass ihr seine Existenz jetzt nicht recht ist, ist mir schon klar. Aber wie kann eine nur so kurzsichtig sein, mit so einer Forderung mir zu kommen, jenen geglückten und vielsagenden Text zu löschen, als hätte sie sich im Umgang mit mir nicht schon genug die Pfoten verbrannt! Da will sie unsere gemeinsame Vergangenheit von meiner Homepage wegzensieren, und die einzige Folge dessen ist jetzt, dass „Christine Brügge“ zu googeln hinfort auch noch auf weiteren Wegen zu unserer, für sie gewiss nicht sehr schmeichelhaften Vergangenheit hinführt.
23. April 2007
Liebe Freundin,
wie ich sehe, führst Du mich jetzt auch mit auf unter My Friends auf Deinem Space auf MySpace. Ich fühle mich geehrt!
Aber sag mir doch: Was bedeutet denn dieses „(D)“ hinter meinem Namen? Bei den meisten anderen steht da ein „(A)“. Das steht wahrscheinlich für „Adabei“. Steht dieses „(D)“ hinter meinem Namen dann vielleicht für „Dissident“?
24. April 2007
Clanstrukturen
Gestern hatte ich in der Zeitung von den Clanstrukturen gelesen, ohne die in Mogadischu gar nichts mehr geht. Heute dann von denen im Kosovo.
Schlimm, wie sehr sie auch weiterhin Recht behalten, Marx mit seiner „ursprünglichen Akkumulation“, Adorno mit seinen Ausführungen über die „Rackets“.
Nichts geht mehr ohne die Clans, in Somalia, im Kosovo, im Irak und in Afghanistan sowieso, in Russland, in Tschetschenien, in Österreich …
26. April 2007
Völkerkundemuseen – ein Textvergleich
In der aktuellen Ausgabe der jungle world befindet sich als „Dossier“ ein interessanter längerer Text über Völkerkundemuseen (http://jungle-world.com/seiten/2007/17/9827.php).
Im „Hamburg“-Kapitel meines „Philosophen auf Reisen“ gibt es auch einen Abschnitt zu dem Thema. Die Stammleser und -leserinnen dieser Seite werden sich vielleicht noch daran erinnern, wie ich mich in einer Episode aus der unendlichen Geschichte „Nicht gedruckt soll er werden“ just mit jenem „Hamburg“-Kapitel bei der jungle world um einen Abdruck, just um ein solches „Dossier“ beworben hatte, bis mir dieses nach längeren Email- und telefonisch geführten Debatten über meine „bildungsbürgerlichen Haltungen“ und über die angebliche „fehlende tagespolitische Aktualität“ meines Buches schlussendlich mit der Begründung abgelehnt wurde, mein Stil im „Philosoph auf Reisen“ wäre ihnen denn doch „zu subjektiv und zu freischwebend“. (Nachzulesen im Weblog-Archiv hier)
Mit dem „zu subjektiv und zu freischwebend“ haben sie ja aus ihrer Warte ganz recht. Oder anders gesagt: Ich bin in der Tat nicht wie sie Journalist! Aber was ich mir da zuvor hatte anhören müssen, von wegen meines Bildungsbürgertums und meiner fehlenden tagespolitischen Aktualität – dies jedenfalls entpuppt sich jetzt, beim Abgleich des aktuellen jungle world-Dossiers mit den Passagen aus meinem Buch als der reine vorgeschobene Unsinn, und zum Beleg wie auch zum kritischen Vergleichen der Texte stelle ich das Unterkapitel – man wird ja wohl noch nachtragend sein dürfen – hier im folgenden noch einmal hin: –
Völkerkundemuseum
(aus dem „Philosoph auf Reisen“, S. 41 ff., geschrieben 2004)
Wann immer sich mir die Gelegenheit bietet, besuche ich die Völkerkundemuseen fremder Städte. Vergleichende Völkerkundemuseenforschung ist so eine Art Passion von mir.
Dasjenige in Hamburg ist eindeutig – das ist schon an der Architektur zu erkennen – old school. Sonst würde es auch kaum noch auf den Namen „Völkerkundemuseum“ hören. Die revisionierten heißen nämlich heutzutage „Überseemuseum“ wie dasjenige in Bremen oder „Musée du Monde“ wie das in Paris.
Bemühen tun sie sich aber alle: Auch in den Old-School-Museen gibt es mittlerweile, und so auch im hiesigen, mindestens einen kleinen Bereich nahe des Eingangs, in dem museumsdidaktische Appelle stattfinden „auch an den aufgeklärten Europäer, sich den Einfluss der geschichtlichen Prägung auf seine Sichtweisen bewusst zu machen.“ – „Europäer sehen die Fremden; Exotismus – das sind wir“ heißt es da zum Beispiel. Auf einer weiteren Tafel wird Walter Benjamins Typus des „Sammlers“ bemüht und zur Beschaffungspraxis der Museen in einen kritisch gemeinten Bezug gesetzt. Hübsch ist hier in Hamburg der Spiegel, der den Europäern zum Abschluss dieser Political-Correctness-Abteilung vorgehalten wird, nämlich in Gestalt sogenannter „Colons“. Colons sind von der Ureinwohner Hände geschaffene Skulpturen, Europäern nachgebildet, kleine Statuetten, meist mit deutlich karikaturistischem Einschlag: Missionare, Polizisten, Soldaten gibt es da. Auch eine feist-fette Queen Victoria, die einem Bildnis nachempfunden wurde, wie es einst in einem Kolonial-Office hing. Und dann sind da noch jene Figuren, in denen die Tradition der Colons bis heute fortwirkt: sie zeigen komisch-bleiche oder auch krebsrot-sonnenverbrannte Touristen, in Bermudashorts oder mit Tropenhelm etwa, und immer mit der obligatorischen umgehängten Fotokamera.
Solche gut gemeinten Appelle an die Besucherinnen und Besucher sind also in allen Völkerkundemuseen mittlerweile Usus. Und erst wenn du sie über dich hast ergehen lassen, kannst du dich in die eigentlichen Ausstellungen begeben. Hier in Hamburg könntest du zum Beispiel beginnen mit einer sich museumstechnisch auf dem neuesten Stand befindlichen Sonderausstellung mit dem Titel „Expedition in die Südsee“. Und hier kannst du dann aber volle Kanne eintauchen in den zuvor halbherzig kritisierten Exotismus, und zwar mit allen Sinnen: vom Band ertönen unheimliche Urwaldgeräusche, von der Decke hängen Mengen grüner Stoffbahnen, welche den dazugehörigen Urwald vorstellen sollen; und dazwischen befindet sich das Beste aus den 15.000 Stück Beutegut ausgestellt, wie es von zwei Expeditionen nach Papua-Neuguinea zusammengetragen wurde, in den Jahren 1908 und 1912/13, finanziert von niemand anderem als eben vom „Hamburger Museum für Völkerkunde“.
Die Art und Weise, wie diese Benjaminschen „Sammler“ die Ausstellungsstücke erworben haben, heißt es da auf einer Tafel, müsse „im Kontext der Zeitumstände“ gesehen werden. Meistens seien sie eingetauscht worden gegen Nägel, Messer, Äxte. Die Südseeianer hätten davon sehr wohl auch profitiert, und übrigens hätten sie ja auch selbst schon vor dem Eintreffen der Europäer untereinander einen regen Tauschhandel getrieben. „Die Expeditionsmitglieder werden durchaus häufig den Unterschied in der Wertigkeit bei den eingetauschten Gegenständen erkannt haben“, heißt es dann. „Da sie aber nur mit knappen Ankaufmitteln ausgestattet waren, haben sie nicht mehr angeboten als gefordert.“ Gelegentlich sei in den Expeditionstagebüchern auch von sogenannten „anonymen Ankäufen“ die Rede. Mit diesen Worten sei es umschrieben worden, wenn die Expeditionsteilnehmer ein Dorf menschenleer angetroffen und wenn sie für die entwendeten Gegenstände dann notgedrungen nach eigenem Gutdünken eine Anzahl europäischer Tauschwaren zurückgelassen hätten.
Das Gezwitscher vom Band macht einen ganz blöd, aber mit viel Mühe kann ich mich auf die Exponate und ihre Beschreibungen konzentrieren und so habe ich doch noch gelernt: –
dass das Kanonenboot, welches zuvor, 1884, im fortan „Bismarck-Archipel“ genannten Gebiet die reichsdeutsche Flagge gehisst hatte, auf den trefflichen Namen getauft war: „Hyäne“;
dass diese „Sammler“ zum Beispiel auch die Daten gesammelt haben von Schädelgrößen der Ureinwohner, (was einem Benjaminschen „Sammler“ wohl nicht in den Sinn gekommen wäre. Der hatte jede solche Zielgerichtetheit bekanntlich fast schon systematisch und fast schon im Sinne einer Utopie aus seiner Sammeltätigkeit exkludiert);
dass schließlich diesen Expeditionen weitere unmittelbar auf dem Fuß gefolgt waren, welche dann dort Missionare abgesetzt und, wie als zum Ausgleich, Einheimische von dort auch wieder mit fortgenommen hatten, zwangsangeworbene Arbeiter nämlich, oder sagen wir besser gleich: Sklaven, die verschleppt wurden auf die Plantagen in den deutschen Kolonien in der Region.
Das nervtötende Dschungelgezwitscher und schummrige Licht der Südseeausstellung hinter mir lassend, begebe ich mich nun in die dagegen gleißend-hellen Säle der ständigen Ausstellung des Museums. Sie ist wie üblich großräumig-geografisch angeordnet, nach den Kontinenten zumeist, mit den ebenso üblichen Ausnahmen einiger prominenterer, weil im Spiel um die Weltherrschaft bedeutsamerer Kulturen aus Ägypten, Japan, China, und so fort.
In der Afrikaabteilung fällt der beträchtliche Anteil von Stücken auf, vor allem beim antiken Schmuck, dessen Herkunft zuerst mit Ländernamen bezeichnet wird wie „Ghana“ oder „Nigeria“, die dann auf den beigestellten Täfelchen noch präzisiert wird, wie es von einem Völkerkundemuseum ja auch erwartet werden kann, aber nur leider mit der immer wieder auftauchenden Formulierung: „Ethnie unbekannt“.
Auf wissenschaftlich höchstem Niveau stehend dagegen die beeindruckende Sammlung von Musikinstrumenten aus aller Welt. Es wird damit auch immer noch Musik gemacht, wie einem ausliegenden Konzertprogrammblatt zu entnehmen ist. Mithin stehen in dieser Abteilung nicht die möglichst spektakulär bestückten Vitrinen im Zentrum des Interesses, sondern die Klänge, die den Ausstellungsstücken zu entlocken sind. Entsprechend wurde hier auch nicht auf Teufel komm raus aus aller Welt zusammengeklaut. Da es hier um praktische Musikwissenschaft, um Instrumentenbau, um Akustik geht, erfüllt ein kompetent erstellter Nachbau oft genauso gut oder sogar besser noch den gesetzten Zweck.
Zum Abschluss dann noch eine weitere Sonderausstellung: „SpielWelten“ zeigt Spielsachen aus der heutigen sogenannten Dritten Welt, aus Abfallmaterialien manchmal von Kinderhänden, meist aber von Erwachsenen für diese hergestellt. Wahre Meisterwerke sind darunter! Was sich da aus Müll noch alles hat basteln lassen! Manchmal ist die Not doch ein prächtiger Geburtshelfer!
Das ist nun doch noch new school at its best: wie da museumsdidaktisch die Armut auf der Welt kontrastiert wird mit der modernen Wohlstandswegwerfgesellschaft, beziehungsweise auch mit deren Folgeerscheinung einer sogenannten „Hamburger Müllverwertungsgesellschaft“ (denn diese machte im Rahmen eines Kultursponsorings die Ausstellung erst möglich) – das macht nicht nur Staunen, sondern es erlaubte vermutlich zur Abwechslung auch einmal, den Produzenten der Ausstellungsstücke angemessene Preise zu bezahlen. (Selbst den Kontext sämtlicher Zeitumstände mitbedenkend …)
Und en passant befördert es noch den überraschenden Gedanken: Müll vermeiden muss nicht sein! Ein Leben ist manchmal nur vom und im Müll möglich. Was wäre der afrikanische Vater, der seinem Sohn aus Champagnerkorkendraht so ein Spielzeugauto bastelt, was wäre die „Hamburger Müllverwertungsgesellschaft“ ohne Müll? Im Müll trifft sich die Welt.
Die Welt ist tatsächlich heute ein globales Dorf, aber eines, das direkt an einer Müllhalde anliegt.
03. Mai 2007
Die Hinterbänkler
Zwei österreichische Parlamentarier, deren Namen ich mir nicht gemerkt habe, denn als Schriftsteller meines Alters muss ich mit meinen Erinnerungszellen ja auch immer gut haushalten, haben sich mit Hamas-Mitgliedern aus der palästinensischen Regierung getroffen und unterlaufen damit den EU-Boykott gegen diesen Antisemitenverein.
Der Eine sieht in einem Interview zu solch einem Dialog „keine Alternative“. Was natürlich Blödsinn ist, denn er hätte ja zum Beispiel auch noch konvertieren können.
Der Andere begründet die Kontakte drastischer, sie seien notwendig, denn sonst ginge in der Region da unten demnächst „alles in die Luft“. Das wünscht er sich aber nicht; das ist bloß als eine Drohung gemeint.
04. Mai 2007
Digitale Bohème
Der eine Parameter ist die Anzahl der Zugriffe auf meine Website und zielt in Richtung auf die zur Zeit vielzitierte „digitale Bohème“. Der zweite Parameter ist die Gesamtzahl meiner bisher in Umlauf gebrachten Bücher und Schriften und steht also sozusagen für meine Anteile an der traditionellen, an „analoger Bohème“.
Nun steigt der erste pro Zeiteinheit langsam, aber kontinuierlich an, während der zweite einigermaßen stabil bleibt, und so hat jetzt vor kurzem der erste den zweiten auch in absoluten Zahlen überholt und schätzungsweise wird er diesen Vorsprung von nun an immer nur noch weiter vergrößern, so dass sich mir die Frage aufdrängt: Werde ich damit auch immer mehr zu einem Mitglied in dieser wundersamen „digitalen Bohème“?
„Digitale Bohème“ sein, das könnte zum Beispiel heißen: Sich über die steigenden Zugriffszahlen auf seine Website erfreuen. „Analoge Bohème“, das war einmal: Real existierende Produkte, bestehend aus Papier, durch die Gegend schleppen, um sie an irgendwelche Leute zu verchecken. Die „digitale Bohème“ macht also eindeutig mehr Spaß, während die „analoge“ aber wohl auch weiterhin mich besser satt machen wird.
15. Mai 2007
Chrysler an Cerberus
Zur unglücklichen und nunmehr gescheiterten Ehe Daimler-Chrysler fällt mir wieder mein Aphorismus ein, der mit den Synergieeffekten: –
Was die nur immer haben mit ihren „Synergieeffekten“? Die DDR war sowohl hinsichtlich des in Gemeinschaft begangenen Diebstahls an Gemeineigentum als auch auf staatlicher Ebene nichts als ein einziger großer Synergieeffekt. Und was hat ihr das genutzt?
26. Mai 2007
Gegenderte Sprache
Viele werden es schon bemerkt haben: Die gegenderte Sprache ist mir mehr und mehr abhanden gekommen. Denn auf so manche althergebrachte Wendung mag ich einfach nicht mehr verzichten.
Und zu ändern zum Beispiel in: „Wie frau es macht, ist’s verkehrt“, da kommt dann oft ein Unsinn dabei heraus, den ich so nie sagen würde.
29. Mai 2007
Alles spricht für Salzburg
Wegen des hiesigen laxen bis kaum vorhandenen Vorgehens gegen das Doping hat das Internationale Olympische Komitee jetzt damit gedroht, es könne auch die sämtlichen österreichischen Sportler von der Olympiade ausschließen, wenn sich da nicht bald etwas ändert. Gleichzeitig steht die Entscheidung für oder gegen Salzburg als Ort für die Winterolympiade 2012 unmittelbar bevor, und die Bewerbungsverantwortlichen aus dieser Stadt konnten sich jetzt in diversen Interviews absolut nicht vorstellen, dass durch ersteres Detail die Chancen für Salzburg auch möglicherweise gesunken sein könnten.
Ich denke ebenfalls, sie sind eher noch gestiegen. Denn wer wünscht sich bei den Spielen nicht Gastgeber und Gastgeberinnen, die, wenn aus dem Gastgeberland keine Athleten teilnehmen, durch keinerlei Unneutralitäten und sportpatriotische Aufwallungen von den Gastgeberpflichten abgehalten werden?
31. Mai 2007
Poetry-Slam
Normalerweise nehme ich an Poetry-Slams nicht mehr teil. Da ich weder Zoten reiße, noch im Dialekt dichte, weder Trash produziere noch den diversen Jugendlichkeitskulten eine passende Projektionsfläche bieten kann, mache ich bei diesen Wettbewerben eh immer keinen Stich. Die Juroren mögen das in der Regel nicht, was ich so literarisch treibe, und die große Mehrzahl des Publikums auf diesen Veranstaltungen wird dadurch auch überfordert.
Aber gestern machte ich doch mal wieder eine Ausnahme. Im Vorlauf auf meine Lesung am kommenden Sonntag und um daraus einen Trailer zu präsentieren und auf sie hinzuweisen, nahm ich gestern mal wieder an einem Poetry-Slam teil.
Als die Reihenfolge der Beiträge ausgelost wurde, wurde ich als Viktor, nicht als Victor, und, weil die Notierende es wohl falsch verstanden hatte, nicht einmal als Viktor Halb, sondern als Viktor H. notiert. Auf die Frage ans Publikum, wie mein Beitrag kurz und bündig am besten und treffendsten zu benennen wäre, kam aus diesem der bezeichnende Zuruf, der aus meiner vorgetragenen Schimpfkanonade gegen die Verlage zielsicher den fäkalischsten Begriff auswählte: „Dünnschissisten!“ – Das habe ich mir freilich auch selbst zuzuschreiben.
Aber als die Notierende diesen bezeichnenden Begriff für meinen Beitrag dann auch noch falsch hinter meinen Namen hinschrieb, stand da dann also:
Viktor H. Dünnschischisten
und also drei Fehler in den drei Worten, die mich betrafen, und da dachte ich mir dann doch wieder: Für Literatur sind sie bei diesen Poetry-Slams nicht besonders kompetent.
08. Juni 2007
10 Fragen zu Rostock und Heiligendamm
I. Wie sieht so etwas aus?
Außer Atem war ich immer noch. Wir hatten rennen müssen. Im kleinen Pulk waren wir über einen schmalen gewundenen Kiesweg den Hügel hinauf. Erst durch Gärten, weiter oben dann vorbei an von hohen Hecken umgebenen Villen. Wir waren auf eine Straße gestoßen und ihr weiter bergan gefolgt. Jetzt saßen und lagen wir im Gras. Ruhten uns aus. Beratschlagten. Aßen, tranken. Vor uns lag die Stadt. Wir hörten die Sirenen von Krankenwagen, Polizei und Feuerwehr. Da und dort stiegen Rauchsäulen aus ihr auf.
Am Morgen hatten wir, ich darf ohne Übertreibung sagen, Leute aus aller Welt, versucht, an den Kongress des Internationalen Währungsfonds möglichst nahe heranzukommen. Unsere Route, die „blaue“, hatte zuerst einen Bogen nach Westen beschrieben, um an die nordwestliche Flanke des Sperrgebiets zu gelangen, ohne vorher über die Prager Stadtautobahn zu müssen. Auf der Demonstration selbst war keinerlei Polizei zu sehen gewesen. Die Leute vorne und auch viele im Zug waren gut vorbereitet. Wir hatten uns nicht lange mit den Banken am Weg aufgehalten. Wir waren schnell gewesen. Tatsächlich waren wir – für mich überraschend – ohne irgendwelche größeren Zwischenfälle genau dahin gekommen, wo wir auch hin wollten. Die Spitze des Zuges hatte etwa fünfzig Meter vor den Absperrgittern, der Polizeikette und den Wasserwerfern angehalten. Dahinter war, leicht erhöht, das reich beflaggte Kongresszentrum, ein monströser Turm aus Stahl und Glas, plötzlich zum Greifen nahe gewesen. Die Auffahrt war breit, umgeben von Wiesen, wir waren viele. Noch nie zuvor war ich auf einer Demo mit so vielen Militanten gewesen. Um uns die Leute hatten sich eilig dick eingepackt, vermummt, sich mit Wurfgeschossen aller Art munitioniert. Viele hatten sich Gasmasken aufgezogen. Die Absperrung war mir direkt lächerlich vorgekommen. Auch die beiden Wasserwerfer, das war mir gleich klar, würden uns niemals aufhalten können.
(Romananfang aus „Das Zeit-Seminar“, 2002, von Victor Halb)
II. Wer sind diese Leute eigentlich?
„Globalisierungsgegner“ trifft’s nicht ganz. Ganz am Anfang wurden sie so und haben sie sich auch selbst so genannt. Aber irgendwann kamen sie drauf, dass sie gegen eine Globalisierung an sich ja gar nichts einzuwenden hätten, und spätestens seit die Nazis dann ebenfalls damit angefangen haben, gegen Globalisierung zu demonstrieren, nennen sich eigentlich nur noch die ödesten Echtheitstrottel „Globalisierungsgegner“. Seither wird jetzt mehr die Art und Weise der Globalisierung kritisiert und also sind die meisten zu „Globalisierungskritikern“ geworden. Das Problem mit diesem Begriff hinwiederum ist aber, dass ja eigentlich ein jeder und eine jede einE GlobalisierungskritikerIn ist: Die Staatsbestärker von Attac sowieso, dann die Kirchen, von wegen des Hungers auf der Welt, die Gewerkschaften, wegen der heimischen Arbeitsplätze, weiters zum Beispiel auch der globalmusikalische Bono ebenso wie der eher deutsche Texte bevorzugende Grönemeyer, und dann natürlich auch der Heiner Geißler, und selbst Frau Merkel findet ja die Kritik dieser jungen Leute jedenfalls auch sehr berechtigt; und „Globalisierungskritiker“ ist also heute, wenn man mal vom amerikanischen Präsidenten absieht, eigentlich ein jeder Depp.
Also braucht’s da auch noch trennschärfere Begriffe, und so tauchte z. B. auch der berühmt-berüchtigte „schwarze Block“ wieder in den Schlagzeilen auf, von dem uns die Experten jetzt wieder viel zu berichten hatten.
„Wir wollen euch nicht mehr sehen“, sagt Attac-Sprecher Peter Wahl im Standard, aber das kann man sich halt nicht immer aussuchen. Beim „schwarzen Block“ handle es sich, sagt er, „um eine Gruppe von Personen, die mit der Absicht, Krawall zu machen, angereist ist“.
Ein weiterer Experte in einer Diskussion im Expertensender puls-tv brachte den gleichen Sachverhalt auf die noch griffigere Formel, das seien Hooligans, die zu faul sind, Fußballspiele zu besuchen. (Beziehungsweise finden ja zur Zeit wegen der Sommerpause auch gar keine statt. )
Und die Salzburger Nachrichten differenzierte dann aber noch weiter und brachte Daten und Fakten – „Schwarzer Block“: Links und gewaltbereit – Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, ist der „Schwarze Block“ keine einheitliche, homogene Gruppierung. (Was schon daran zu erkennen ist, dass er mal „schwarzer“ mit kleinem „s“ und dann wieder „Schwarzer Block“ geschrieben wird.) Vielmehr handelt es sich um ein Sammelsurium linksextremer, anarchistischer und autonomer Gruppen.
Und zu letzterem Bestandteil, den sogenannten „Autonomen“, wusste dann noch der bekannte Nichtraucherexperte Rau im Standard Wissenswertes beizutragen: Die so genannten „Autonomen“, die sich in Rostock mit den Polizeikräften einen blutigen Straßenkampf geliefert haben, wollen keine „gerechtere Welt“. Die Globalisierung und der Regenurwald und die Ausbeutung ist ihnen so etwas von scheißegal. Sie wollen schon „anders“ leben – aber ihr Lebensentwurf ist nicht altruistisch, sondern radikal egoistisch … Sie wollen ihr von Normen und gesellschaftlichen Zwängen unbeeinflusstes Leben in Isolation führen, zwar alimentiert von der Gesellschaft, aber ohne jegliche Verpflichtung zur Gegenleistung, und sei es die Enthaltung von Gewalt. Im Gegenteil, Gewalt ist ein wichtiger Bestandteil ihres Daseins … Es ist kindisch und naiv, hier nach „Ursachen“ suchen zu wollen, etwa in der „sozialen Benachteiligung“ oder im „sozialen Protest“. Die Autonomen wollen so leben, wie sie leben und nicht weil sie etwa von der „Konsumgesellschaft“ entfremdet wären. Und haben es auf diese Weise in derselben Ausgabe des Standard dann auch prompt zum Kopf des Tages gebracht: Der Autonome: Er schlägt gern zu, trägt aber selbst oft Schienbeinschoner und Helm. Der Autonome nimmt für sich das Recht auf „Freiräume“ in Anspruch, spricht seinen Gegnern aber das Menschsein ab … Der Autonome verfügt über kein einheitliches strategisches Konzept, aber über Ideologiefragmente wie Antiimperialismus, Anarchie und Antinationalismus. Er hält den Staat für gewalttätig und glaubt, seine eigene Gewaltbereitschaft dadurch legitimieren zu können.
„Das ist wirklich traurig. Die machen alles kaputt“, sagt Hans-Jochen Kreblin, ebenfalls im Standard, während er in sicherer Entfernung an seiner Bratwurst kaut. 75 Jahre alt ist der pensionierte Lehrer, und er ist extra zur großen Demo gekommen, um ein Zeichen zu setzen: „Mir passt das nicht, dass G8-Kritiker alle in ein so radikales Eck gestellt werden. Dass ein großer, teurer Zaun errichtet werden muss, weil wir angeblich alle so gefährlich sind.“
(Womit schließlich auch noch, der Vollständigkeit halber, ein Vertreter der sog. „G8-Kritiker“ zu Wort gekommen ist. Das sind die, die weder radikal sind, noch gefährlich. Die demonstrieren eigentlich immer nur wegen dem zu teuren Zaun.)
III. Wie ging’s dann weiter?
Dann war da plötzlich und wie aus heiterem Himmel diese Musik-Combo gewesen. Mit Tambourin, Pauke, Becken, Rasseln und Schlaghölzern hatte sie sich vor uns aufgebaut und angefangen, zu spielen. Die Musiker hatten ziemlich kurios ausgesehen mit ihren Unterwasserbrillen und Gasmasken und ihren bunten Klamotten, die an Narren und mittelalterliche Spielmannszüge erinnerten. Sie spielten vor uns auf, fetzig, laut. Es gab gleich Riesenbeifall. Es brach ein richtiger Jubel los. Weiterhin spielend drehten sie sich von uns weg und zogen uns voran in die Schlacht.
Fast sofort war ein dichter Tränengasnebel aus Granaten und von den Wasserwerfern. Von Musik begleitet hatten wir die Absperrung attackiert, solange wir es aushielten und etwas zu Werfen hatten. Während wir uns dann etwas zurückfallen ließen, um zu verschnaufen und uns um Nachschub zu kümmern, hatte die Combo als Ablösung frische Kräfte an die Front heran geführt. Das war etwa eine Stunde lang so gegangen. Die Absperrung war schon lange überwunden, die Wasserwerfer rangierten konfus auf dem Acker herum und waren nur noch mit ihrem Selbstschutz beschäftigt, spritzten sich gegenseitig die Treffer von Brandflaschen aus. Wir waren direkt an dem Kongresszentrum dran, vor uns nur noch wenig Polizei, die versuchte, sich mit Schilden vor einem wahren Hagel von Steinen zu schützen.
(aus dem „Zeit-Seminar“, 2002)
IV. Was wird da eigentlich ausgestoßen?
Da wird viel Testosteron ausgestoßen (Überschrift im Standard)
V. Und was ist dann passiert?
Da tat es plötzlich einen Riesenschlag. Vor uns ein Blitz. Wieder ein Riesenknall. Ich war kurz wie gelähmt. Bis ich gesehen habe, dass die Grünen vor dem Eingang eben Ohrenschützer angelegt hatten. Und sich die Arme schützend vors Gesicht legten. Da hatte ich auch schon begriffen, dass das Blendschockgranaten waren. Der nächste Blitz und Knall war schon nicht mehr so schlimm. Es war ja auch heller Tag. Da war der große Schock schon vorbei. Ein wenig verwirrt waren wir aber doch noch, als da plötzlich eine oder zwei Hundertschaften SEK unartikuliert brüllend und knüppelschwingend in einer Reihe den Berg herab und auf uns zu gestürmt kamen. Das war dann doch zuviel der Überraschung. Sie hatten uns überrumpelt. Wir rannten.
Du rennst, und Du weichst automatisch nach der Seite aus. Denn instinktiv weißt Du, dass sie Dir nicht sehr weit folgen werden, weil sie sonst ihr Objekt schutzlos lassen würden. In einem weiten Bogen um das Kongressgelände herum hatten wir uns erst nach Süden und dann nach Osten in die Gegend begeben, wo wir die „Sektion Rosa“ vermuteten, den Demonstrationszug der Gewerkschaften, der Kirchen und der Dritte-Welt-Solidaritäts-Bewegung. Aber entweder hatte sich der schon pflichtgemäß in Luft aufgelöst, oder er war ebenso zerstreut worden wie der unsere. Oder aber, was am wahrscheinlichsten war, wir hatten uns verlaufen.
Es war heiß, aber nicht diesig, sondern glasklare Sicht. Wir saßen und lagen im Gras, aßen, tranken und ruhten uns aus. Vor uns drunten lag die Stadt.
(aus dem „Zeit-Seminar“, 2002)
VI. Und drunten in der Stadt – was hat der Standard da beobachtet?
Die meisten Geschäfte in der Rostocker Innenstadt sind ohnehin mit dicken Brettern verrammelt, der am Wochenende sonst übliche Einkaufsbummel muss diesmal komplett ausfallen. Nur ausgerechnet bei McDonalds laufen die Geschäfte glänzend. Während draußen Plakate mit Parolen wie „Stoppt den Kapitalismus“ und „Für einen fairen Welthandel“ vorbeigetragen werden, ordern Globalisierungskritiker drinnen Burger und Cola en masse.
Wenn das mal kein Widerspruch ist: Globalisierungskritiker, die kapitalistisch produziertes Essen essen!
VII. Und wie ging’s dann weiter, 2000 in Prag?
Illona hat dann den Stadtplan studiert und festgestellt, dass das Kongresszentrum seltsamerweise gleich bei uns ums Eck liegen musste. Und tatsächlich, wir waren noch keine 300 Meter gelaufen – als wir um eine hohe Hecke bogen, lag sie in ihrer ganzen Pracht vor uns, die Glasfassade des Hotels, welches zum Kongressgelände gehört. Rechter Hand, ziemlich hoch droben befand sich eine Art Dachterrasse, auch überhängend, also eher eine Art Plattform. Auf dieser standen etwa 50 bis 80 von den Bankern mit Drinks in der Hand an der Balustrade und schauten auf uns herab. Als wir ankamen, flogen bereits die ersten Steine in deren Richtung, die Terrasse lag aber zu hoch. Die standen da oben und verfolgten interessiert das Schauspiel, das wir ihnen boten, während unten eben ca. 20 Polizisten mit Schilden und Knüppeln vor der Glasfront aufzogen. Von links sahen wir einen kleinen Block von ungefähr 50 hauptsächlich Männern im bunten Fummel, tanzend, mit so Glitzer- und Raschelzeug in der Hand, einen „Queer-Block“ also, herankommen. In der näheren Umgebung standen vielleicht noch einmal 200 Leute wie wir in kleineren Gruppen herum und beobachteten die Szenerie.
Eben dachte ich mir, was haben die Tänzer jetzt vor, als die beiden Grünen, die ihnen am nächsten waren, plötzlich knüppelschwingend auf sie los rannten. Entweder sie waren nervös, oder sie hatten einen Befehl, oder sie hatten etwas gegen Schwule. Jedenfalls kamen sie nicht weit, denn der eine bekam gleich einen Stein aufs Auge, was auch dem anderen sofort Einhalt gebot.
Dann ging alles sehr schnell. Die Grünen waren weg wie nix, sie sind nur noch gerannt. Ein Hagel von Steinen ging in die Glasfront, batsch, klirr, batsch, klirr, innerhalb von nicht einmal einer Minute waren sämtliche Scheiben bis in den ersten Stock hinauf eingeschmissen, batsch, klirr, das habe ich so noch nie erlebt. Die Banker waren ganz schnell weg von ihren Logenplätzen. Zwei oder drei Mutige sind kurz eingestiegen in das Hotel, da waren dann aber noch Polizisten drin, Spezialkräfte ohne schwere Panzerung und mit Tonfa-Knüppeln, die waren richtig übel drauf. All die Scherben da auf dem Boden, und – klar – Pistolen hatten die zur Not auch noch, das war wirklich kein sehr nettes Nahkampfterrain. Da sind wir dann lieber nicht mehr rein gegangen. Wir haben Parolen gerufen, Steine geworfen, Party gemacht ein paar Stunden lang.
Dass hier von nirgends mehr eine Polizeiverstärkung kam, lag daran, dass sie an allen Ecken und Enden gut zu tun hatten, da das Kongresszentrum mittlerweile völlig von uns eingekreist und von allen Seiten belagert war. – – –
(aus dem „Zeit-Seminar“, 2002)
VIII. Wirft das nicht auch Fragen auf?
„Wenn das so weitergeht, bleibt nichts anderes übrig, als diese Gipfel dorthin zu verlegen, wo keine Demonstrationen möglich sind. Dann müssen wir also in Deutschland auf die Zugspitze gehen oder nach Helgoland.“ Dieser Vorschlag des deutschen Ex-Finanzministers Theo Waigel (CSU) zur Auswahl künftiger G8-Gipfelorte scheint nach den schweren Ausschreitungen bei der großen Auftakt-Demonstration in Rostock nicht die schlechteste Lösung zu sein.
Eric Frey vom Standard meint: „Ein teures Ritual, das so wenig bringt und so viel Schaden anrichtet, gehört dringend abgeschafft … Gelegenheit für persönliche Begegnungen haben die Staats- und Regierungschefs auch ohne G8 genug.
Und auch die Salzburger Nachrichten fragen in einer Überschrift: Ganz großer Zirkus, noch zeitgemäß? und den Heiner Geißler in einem Interview: „Haben G8-Gipfel wie jener in Heiligendamm überhaupt einen Sinn? Oder sollte man diese Treffen besser abschaffen?“
IX. Und wie lautete die Bilanz, vor fünf Jahren, im „Zeit-Seminar“?
Lederhut meinte, er würde zu solchen Ereignissen nicht hinfahren wollen. Um seinen Kopf zu riskieren, fehle es ihm da an Perspektive. Er vermute hinter den Protesten eine falsche Analyse, denn entgegen des oberflächlichen Anscheins hätten diese acht Regierungschefs nicht wirklich etwas zu entscheiden. Er könne in ihnen nur Befehlsempfänger der Wirtschaft sehen und vielleicht noch eine Art Krisenmanager.
Philip aus London fragte sich, wozu diese Events gut seien. Warum die Chefs der acht wichtigsten Industrienationen sich nicht gleich auf einem U-Boot getroffen oder eine Video-Konferenz gemacht hätten.
Gunter wollte es nicht als Erfolg sehen, dass verkündet worden war, dass es in Zukunft Gipfel in dieser Form tatsächlich nicht mehr geben würde. Denn die politische Kaste würde noch genügend andere Gelegenheiten finden, um die militärische Macht des Systems auszustellen, und ihre ausschließliche Zuständigkeit für das Wohlergehen der Welt zu proklamieren.
X. Bleibt denn immer alles gleich?
Ebenfalls aus dem „Zeit-Seminar“: Die Sonne senkte sich über die Barrikaden. Der König war gestürzt, der Pulverdampf verflogen. Da richteten die Aufständischen ihre Vorderlader auf ein neues Ziel: Sie beschossen die Turmuhren. Ein blindwütiger Elan hatte an diesem ersten Abend der französischen Julirevolution von 1830 die Rebellen erfasst. Diesmal galt ihr Angriff einem unsichtbaren und allmächtigen Feind. Sie sangen von „Schüssen, um den Tag anzuhalten“: Nichts geringeres als das „Kontinuum der Geschichte“, schrieb der Essayist Walter Benjamin, wollten die Revolutionäre sprengen, alle Last der Vergangenheit abstreifen. Das alte Regime hatten sie schon hinweggefegt. Nun sollte auch die äußerste Tyrannei fallen: Die Herrschaft der Zeit.
Was offenbar bis heute nicht gelungen ist.
14. Juni 2007
Neues von der Bundeswehr
Da sind sie also zum Zwecke der Feindaufkärung und so ähnlich wie in Afghanistan im Tiefflug mit dem Tornado über die Camps der Gipfelgegner gedonnert und haben diese hochauflösend fotografiert und hochdezibelig tyrannisiert. Es war aber kein verbotener Einsatz der Bundeswehr im Innern, verlautet aus dem Verteidigungsministerium, sondern es geschah im Rahmen der Amtshilfe.
Ich sehe da keinen entlastenden Effekt in diesem Zusammenhang. Denn beim Wort „Amtshilfe“ muss ich immer gleich an „Wehrmacht“ denken, an die Vorgängerorganisation dieser Bundeswehr, von der man ja weiß, dass sie auch immer viel Amtshilfe geleistet hat für Sondereinheiten der Polizei. Das war jetzt also auch bloß wieder „Amtshilfe“? Ein schlechtes Argument!
In der selben Ausgabe der Tagesschau gestern dann noch, gleich im Anschluss, die Nachricht, dass Deutschland jetzt endlich bekommt, was es natürlich für die Zukunft unbedingt braucht: Eine Gedenkstätte für die in Ausübung ihrer Pflichten verstorbenen Bundeswehrsoldaten. Wenn also zum Beispiel so ein Tornadopilot in Afghanistan oder auch beim nächsten von Massenprotesten begleiteten Gipfeltreffen einen Lenkfehler macht ...
Über den Aufstellungsort und die formale Ausführung wurde im Verteidigungsministerium bereits entschieden. Natürlich kommt es an den Ort schlechthin der Traditionspflege der Bundeswehr, in den Hof des Bendlerblocks, und das ausgewählte Modell sieht passenderweise aus wie ein Mittelding zwischen der „Ehrenhalle für die Gefallenen des 1. Weltkriegs“ am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und dem Münchner „Haus der Kunst“. Diese Entscheidungen passierten zwar ohne parlamentarische Debatte, aber das Verteidigungsministerium, das wirklich viel zu tun hat dieser Tage, teilt dazu mit, von seiner Seite wäre auch nichts dagegen einzuwenden, wenn das Parlament nun noch darüber debattieren wolle. Es könne jederzeit gern über eine Gedenkstätte diskutieren, über den Ort, über die Form, und dann halt eine zweite, eine eigene und vielleicht für die Öffentlichkeit besser zugängliche Gedenkstätte errichten lassen, zum Beispiel vor dem Parlament.
Deutschland bekommt nun wahrscheinlich demnächst zwei Gedenkstätten für seine gefallenen Soldaten. Deutschland ist ja auch schon lang in aller Welt bekannt für seine ausgeprägte Gedenkkultur.
16. Juni 2007
Kurt Waldheim ist tot
Wie heißt es in der Kondolenzanzeige der ÖVP? „Auch in schweren Zeiten hat er stets Haltung bewahrt...“ Stimmt schon. Eine verstockte.
„Ein großer Österreicher“, nannte ihn der aktuell allergrößte. Stimmt ebenfalls. Denn das hat bekanntlich nichts mit ethisch-moralischen Qualitäten zu tun; ein großer Österreicher wird man allein aufgrund von Posten und Titeln.
Kurt Waldheim war im Nationalsozialismus ein typischer Mitläufer in nicht allzu niedriger Position, und wie er mit dieser seiner Vergangenheit umging, das machte ihn in den 80-ern für beide Seiten zur personifizierten österreichischen Lebenslüge.
„Man soll nichts Schlechtes von den Toten sagen“, sagen sie, und dann sagen sie aber regelmäßig immer auch noch Falsches über sie.
22. Juni 2007
Marktkonsolidierung
Orange hat's gut.
Weil wer One hat, hat's gut.