Es ist kein ganz gewöhnlich Buch, was ich nun Ihnen antrag. Es ist ganz außerordentlich – sein Stil, die Form, die Richtung. Es ist Roman und doch auch nicht. Es passt nicht in ein Schema. Und wenn es auch ganz eigen ist, so schließt’s doch an, an einen Trend, (wenn mich nicht alles täuscht …) und dieses Thema geht doch gut, und X zum Beispiel macht doch auch, und ist nun auch schon in Top 10, und wenn mein Buch vermarktet würd’, auf kompetente Weise, so bin ich sicher – sehn Sie’s ein: Es würd’ sich gut verkaufen.

Dem Exposé entnehmen Sie, was ich für Sie hineinschrieb. Es ist doch schlüssig, oder nicht? Und ganz so ist das Buch.

Die bunten Lettern sind bloß da, Sie aufmerksam zu machen. Und da ich weiß, Sie sind ’ne Frau, hab ich die Blätter parfümiert.

Der Auszug kann nur sehr bedingt die ganze Tiefe transportiern. Er sollte lustig, witzig sein, und sexy. Wissen S’: Sex ’n Crime hat’s auch, das Buch, mehr als genug. Doch will ich nun nicht weiter noch mein Buch mit Worten preisen. Ihr Urteil wird – das glaub ich fest! – ihm Würdigkeit erweisen. So bleibt mir nur, zu warten jetzt, und freuen würd’ mich, wenn Sie bald, und bitte, bitte, machen Sie’s, es ist doch einfach gut!

„Der Großteil von dem, was mir da jeden Tag auf den Schreibtisch kommt, ist schlicht und einfach Mist. Ich schlage die Mappe auf, ich lese einen Satz. Da weiß ich schon Bescheid. Man sollte es nicht glauben, wer sich da alles zum Schriftsteller berufen fühlt.

Das Eine sind die diversen persönlichen Befindlichkeiten der Autoren, die da in den Manuskripten ausgebreitet werden, sprachlicher Schrott zumeist, der keine alte Sau interessiert, von Leuten verfasst, die sich natürlich alle für die reinen Genies halten, auch wenn ihrem Stil schon von zehn Kilometern gegen den Wind anzumerken ist, dass sie sich immer noch, obwohl vielleicht schon Mitte Zwanzig, in der Pubertät befinden. Lektoratsintern heißen die bei uns entsprechend die „Pickel“.

Relativ etwas reifer als die „Pickel“ – was aber auch nicht viel besagen mag – sind die aus der anderen großen Fraktion der „Kupfer“. Mit dem Kürzel „Kupfer“ bezeichnen wir die, die sich doch immerhin schon ein wenig am Markt orientieren, indem sie einem bestimmten Autoren nacheifern, ihn eben „abkupfern“, der dort schon gute Erfolge zu verzeichnen hat. Aber bei den „Kupfern“ heißt es natürlich ebenfalls: Weg damit! Denn in der Regel bewegen sie sich hart an der Grenze zum Plagiat. Außerdem steht in deren Begleitschreiben mit schönster Regelmäßigkeit eine naiv-offenherzige Wendung mit drin à la: „Der Soundso erscheint doch auch in Ihrem werten Verlag. Ganz so etwas ähnliches schreibe ich übrigens auch.“ Wie, als wenn wir nichts besseres zu tun hätten, als mit Newcomern, die wir erst mühsam aufbauen müssten, unseren bereits gut eingeführten Hausautoren Marktanteile abzuknapsen. Die würden sich schön bedanken!

Ungefähr 60 Prozent der Manuskripte sind „Pickel“, 30 Prozent „Kupfer“. Die erkenne ich gleich. Am meisten Mühe machen die restlichen zehn Prozent. Das ist oft ungeheuer kompliziertes Zeug, was kein Mensch kaufen würde, oder irgendwelche breit ausgewalzten schrulligen Spezialuntersuchungen, oder auch sogenannte „literarische Experimente“ und dergleichen. Da gibt es zwar klare Anweisungen vom Chef, dass so etwas in unserem Programm nichts zu suchen hat. Das Problem ist bloß: Man sieht es dieser Sorte nicht auf den ersten Blick an. Und so landen dann täglich fünf oder sechs solcher Manuskripte, eben alles, was nicht Pickel ist und nicht Kupfer, auf einem separaten Stoß und macht uns dann, bis es abgelehnt und retourniert werden kann, die meiste, die eigentliche Arbeit. Manchmal waren es auch schon zehn am Tag. Da heißt’s dann, gründlich und gewissenhaft bleiben, auch wenn zuhause schon das Abendessen auf dem Tisch steht und kalt wird. Da heißt’s dann wieder Überstunden machen.“

Der Dichter spricht,
Er hat ja nicht
Zum Gelderwerb geschrieben.

Das Denken war’s.
Die Sprache auch –
Die Kunst hat ihn getrieben.

Das lässt sich nicht verkaufen, Mann,
Kannst du denn das nicht sehn?
Wenn ich das akzeptieren würd’,
Könnt’ ich gleich stempeln gehn.

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