Die erste Absage hatte ich, überraschend schnell, nach nur wenigen Tagen bekommen. Sie kam von einem jener Schlaumeierverlage, die es den Autoren nicht anheim stellen, sich für ihre Bewerbungen denjenigen Textauszug auszuwählen, den sie selbst für besonders gelungen oder für repräsentativ für das betreffende Werk halten, sondern die sich dabei exakt die ersten Seiten des fraglichen Buchs ausbitten. Ich fand das immer eine einleuchtende und wahrscheinlich sehr sinnreiche Erfindung zum Auffinden derjenigen Texte, die den Leser – wie es so schön heißt – gleich von der ersten Zeile an gefangen nehmen. Und weiters denke ich mir, dass die andere Sorte von guten Büchern, die es ja auch noch gibt – die nicht gleich in medias res gehen, weil sie vielleicht ein Thema haben, das einen gemächlicheren Rhythmus erfordert – in Verlagen, die so vorgehen, dann wohl unterrepräsentiert sein dürften.

Wie auch immer, jedenfalls kam die Absage, wie gesagt, überraschend schnell, und dazu war sie aber auch – was alles andere als die Regel ist – in ein paar Sätzen individuell begründet. Gleich auf der ersten Seite meines Textauszugs, gleich auf der allerersten Seite somit auch des fraglichen Buchs, war der zuständige Lektor über einen meiner Neologismen gestolpert, den er missbilligt und womit er seine Absage begründet hatte. Statt des „Hundefladens“, den ich da in meinem Text auf der Straße hatte herumliegen lassen, müsse es doch wohl eindeutig „Hundstrümmerln“ heißen, wurde ich da von diesem Lektor auf gut Österreichisch belehrt. Mit seinen weiteren Sätzen ließ er noch durchblicken, dass er sich sehr wohl noch, mindestens flüchtig, durch die folgenden Seiten geblättert hatte. Aber sein einziger deutlich formulierter Einspruch gegen den Text richtete sich gegen eben diese Stelle, just auf Seite 1, wo die Rede war nicht von „Hundstrümmerln“ auf Berlins Straßen, wie sie dem Mann geläufig gewesen wären, sondern „gespreizt formuliert“, wie er es empfunden hatte, von einem „Hundefladen“.

Nun sehe ich zwar nach wie vor einen gewissen Unterschied zwischen Hundstrümmerln und einem Hundefladen. Aber da ich mir Kritik immer von Herzen gern zu Herzen nehme; da ich es durchaus auch nicht von vornherein und rundweg ablehne, den Wünschen und Vorstellungen der Verlage, so gut es eben geht, entgegen zu kommen, (denn im jahrelangen Verkehr mit ihnen wird man unweigerlich schon auch mal taktisch,) notierte ich mir in meiner Verlagskartei zu diesem Verlag M.: „Austriatica einbauen“, und auf der To-do-Liste, wo es um sämtliche von mir zukünftig noch zu schreibende Werke geht, die Anregung, die Scheiße darin lieber nicht gleich auf der ersten Seite, sondern erst späterhin im Buch auftauchen zu lassen, um sie so auch vor dem flüchtigen Lektorenblick besser zu verstecken.

Die zweite Antwort war dann ebenfalls noch überraschend schnell gekommen. Der Verlag S., war aus dem Text auf einer Postkarte zu entnehmen, hatte eine begrüßenswerte Neuerung im Verkehr mit den Autoren eingeführt. Auf der Karte stand: –

Sehr geehrte Autorin, sehr geehrter Autor,
herzlichen Dank für die Zusendung Ihres Manuskripts. Wir prüfen alle eingehenden Manuskripte, Leseproben und Exposés sehr sorgfältig und werden uns, so eine Veröffentlichung bei S. denkbar ist, innerhalb von acht Wochen mit Ihnen in Verbindung setzen. Die Vielzahl der eingehenden Manuskripte erlaubt uns leider nicht, über nicht geeignete Manuskripte zu korrespondieren bzw. diese zurückzuschicken.
S., Lektorat

Das bedeutete also, dass sie bei S. den leidigen Versand von Ablehnungsschreiben schon ganz wegrationalisiert und komplett eingestellt hatten. Wenn ich bis in acht Wochen nichts mehr von ihnen hören würde, könne ich mein Buch auch ohne solch ein Schreiben als abgelehnt betrachten. Ich begrüße dieses Verfahren! Es ist vernünftig. Es erspart Arbeit. Keine individuelle Anrede ist mehr einzufügen, wo es keinen Ablehnungsbrief mehr gibt. Es erfolgt keine Rücksendung. Es gibt nur noch diese Karte. Das erspart Porto und verbraucht weniger Rohstoffe. Vor allem wird dem Autor damit, was ich den größten Fortschritt daran finde, die Frustration erspart, die ihn ereilt und die ihm regelmäßig einen ganzen Tag versaut, wenn er eine jener Absagen im Briefkasten vorfindet, wie sie von konservativeren Verlagen nach wie vor durch die Gegend geschickt werden. Dieses vor allem fällt bei dem neuen Verfahren jetzt ganz weg. Was doch wirklich nur gut ist.

Danach kam an weiteren Reaktionen von den Verlagen erst einmal lange nichts mehr. Aber nach vier Wochen fing’s dann auch schon wieder mit den althergebrachten hektographierten Absagen an.

Üblicherweise könnte so ein hektographiertes Ablehnungsschreiben folgendermaßen aussehen: –

Sehr geehrter Herr Halb,
haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift, mit der Sie uns Ihr Manuskript „Philosoph auf Reisen“ zur Publikation anbieten. Wir haben es sehr sorgfältig geprüft.
Von einer Veröffentlichung möchten wir jedoch absehen, da es leider nicht die Art „Stoff“ ist, nach der wir derzeit für unser Verlagsprogramm Ausschau halten. Betrachten Sie dies bitte nicht als ein Qualitätsurteil …

No na! Das hat doch mit Qualität nichts zu tun!

und haben Sie Verständnis dafür, dass die Vielzahl der zu sichtenden Manuskripte eine individuelle Bewertung nicht zulässt und wir Ihnen daher nur mit diesem Formbrief antworten können.

Es ist zwar unerfreulich, dass man von den Gründen für die Ablehnung so rein gar nichts erfährt, aber wenigstens ist es hier unmissverständlich formuliert. Wohingegen an dieser Stelle auch oft, wie in dem Schreiben eines anderen Verlags und mehr Spielraum lassend, stehen kann: –

Aufgrund der vielen Manuskripteinsendungen ist es uns nicht möglich, jede Absage ausführlich zu begründen.

Aber dann schicke ich natürlich immer gleich eine Email: –

Vielleicht könnten Sie sie mir dann nicht ausführlich, sondern nur ganz kurz, mit einigen knappen Worten begründen? Dies wäre mir für zukünftige Projekte und Verschickungsaktionen wirklich sehr hilfreich.

Und entsprechend, wenn da steht: –

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass es uns nicht möglich ist, dieser Absage ein detailliertes Gutachten beizufügen.

dann erbitte ich mir postwendend immer ein undetailliertes Gutachten, eine ganz knappe, pauschal gehaltene Begründung, nur so in ein paar Worten. Denn man will ja doch wenigstens ungefähr wissen, woran man denn gescheitert ist. Aber wenn den Verlagen auch klar zu sein scheint, wie es in der einschlägigen Stelle im Schreiben wieder eines anderen Verlags formuliert ist: –

Die Fülle der eingereichten Manuskripte lässt uns nicht die Möglichkeit einer angemessenen Reaktion.

so erbringen doch diese Bitten per Email nach einer weiteren, im letzten Fall dann eben, soll sein!, bloß dürftigen und von mir aus auch nur unangemessenen weiteren Reaktion in aller Regel keine weitere Reaktion. Sie haben dazu nicht die Zeit. Die Fülle der eingereichten Manuskripte lässt ihnen nicht die Möglichkeit.

Aber da es ihnen doch allen so geht, ist es da nicht verwerflich, und gegen die Autoren fast schon zynisch, dass sie nun nicht gemeinsam versuchen, die ungeheure Papierflut einzudämmen und ihr Herr zu werden, sondern dass sie sie im Gegenteil noch perpetuieren, indem sie fast alle ihre hektographierten Ablehnungsschreiben schließen lassen mit Sätzen wie –

Wir bedanken uns sehr für Ihr Interesse und wünschen Ihnen, dass Sie Ihr Projekt schon bald andernorts erfolgreich platzieren können.

Oder: –

Unser Urteil ist subjektiv und auf unser spezifisches Verlagsprogramm bezogen und sollte Sie nicht davon abhalten, es bei anderen Verlagen zu versuchen.

Ich nenne das den abschließenden Satz nach dem „St. Schreibians-Prinzip“:
Ey, Schreibian, Mann, Schreibian, verschon mein Haus, schreib andre an!

Verfluchte Haben-Sie-Verständnis-Hektographen!
Ihr sich gern mit dem Tellerrand andrer Schmücker!
Ihr allein noch durch Konkurrenz das Geschäft Beleber!

Ihr Niemandenabschrecker!
Ihr Machbarkeitsagenten!
Bei Kunst Panik bekommende Inquisitoren!

Ihr universalungelehrte Poesieverteiler!
Ihr intuitive Traditionalisten!
Fortschrittlich leibeigne Culophisten!
Malefikante Profeuilletonisten!

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