Philosophie des Fußballs
(2020 - 2022)

Nur wenige Weblogeinträge zu den Themen Fußball und Sport generell. Es war auch wenig los. Corona-Pause - eh scho wissen …

17. April 2020

Geisterspiele

Im Mai wird der österreichische Spitzenfußball den Spielbetrieb wieder aufnehmen und die Saison noch zu Ende spielen. Es wird vor leeren Zuschauerrängen geschehen. Geisterspiele. Huh, huh!

Die Meister werden also noch gekrönt, die internationalen Startplätze vergeben, die Aufsteiger gekürt, die Abstiege besiegelt, und die Begleitatmosphäre wird, so ohne Zuschauer, eine ungewohnte sein.

Aber dass der Sportminister Kogler darauf besteht, der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern sei weiterhin einzuhalten und jeder Spieler müsse auch einen eigenen Ball bekommen und dürfe mit denjenigen der anderen nicht in Berührung kommen - ich fürchte fast, das versetzt dem Fußball, wie wir ihn kennen und lieben, den Todesstoß.

17. September 2020

Grölende Männerhorden

Fußballübertragung

Der TSV Hartberg spielt auf ORF Sport+ in Glivice um den Einzug in die Europa-League, parallel dazu gibt es auf dem deutschen Sender Sport1 das Spiel von Wolfsburg gegen den FK Kukesi.

Bei dem Wolfsburger Spiel hören wir die coachenden Trainer und die Kommunikation der Spieler auf dem Feld. Auch das Spiel in Polen findet coronabedingt vor leeren Rängen statt, aber das polnische Fernsehen belästigt uns mit einer darübergelegten Tonspur wie in alten Zeiten.

Dumpf grölende Männerhorden, sich stark fühlend und aufgehend im Erlebnis der Masse, unfähig, ein Fußballspiel zu genießen, solange nicht das eigene Team in Front liegt - es könnte einer der wenigen Pluspunkte an der Corona-Krise sein, dass uns das zur Zeit erspart bleibt. Aber nein, das polnische Fernsehen meint, die Kriegsgesänge gehören dazu und das müsse so sein.

(Sport-)Journalistisch betrachtet ist das der Todesstoß. Pure Fake-News sind das, präsentiert ganz ungeniert. Aber wo hört das auf? Kann man sich überhaupt noch sicher sein, dass Hartberg das Spiel wirklich verloren hat? Der österreichische Kommentator hatte während des Spiels halbkritisch und halbironisch die Frage gestellt, ob das polnische Fernsehen im Falle eines Hartberg-Sieges überhaupt auch Konserven von steirischen Schlachtgesängen vorrätig gehabt hätte?

Die polnischen Konserven jedenfalls - ich verstehe ja kaum Polnisch, aber sie kamen für mich als ein ganz besonders dumpf unartikuliertes und geistlos dahinrumpelndes Kriegsgeschrei rüber.

Und interessant fand ich es dann aber auch noch, wie in der zweiten Halbzeit die Motivation des zuständigen Mannes im Übertragungswagen spürbar nachgelassen hatte: Während der ersten war das unnötige Gegröle mehr oder weniger situationsbedingt an- und wieder abgeschwollen. In der zweiten war der Mann dann, glaube ich, öfter mal eine rauchen gegangen und gab es über weite Strecken nur noch ein ganz gleichmäßig dahinbrüllendes massenhaftes Gegröle.

14. Oktober 2020

Die Deppenfamilie

Wann kommt die Soap?

Manche Familien, die sind so kreuzdämlich, dass sie nicht mal zum Sympathie- oder selbst zum Werbeträger nicht zu gebrauchen sind.

Deppenfamilie kennenlernen?

Ein Beispiel gefällig? Dann klicken Sie bitte auf die Grafik!
(MP4; 27 sec.; 14 MB)

23. Jänner 2021

Bilder, die wir so nicht sehen wollen, aber eben eigentlich doch

Abfahrtsrennen auf der Streif

Die Streif ist bei mir ein Fixtermin. Gestern war ich wieder live im Fernsehen mit dabei. Höchst spektakuläre Fernsehbilder sind bei den Abfahrtsrennen auf der Streif vorprogrammiert. Das war auch gestern wieder so.

Alleine schon die langgezogene Kurve, etwa zur Hälfte des Rennens, bei der ein jeder Abfahrer, wenn er die Skier bis dahin hat laufen lassen, aus physikalischen Gesetzmäßigkeiten heraus bestenfalls haarscharf darum herum kommen kann, in die Begrenzungszäune getragen zu werden - es ist bei jedem einzelnen Fahrer auf's neue wieder Adrenalin pur!

Und dann natürlich die Sprünge! Sprünge gehören zu einer Skiabfahrt wie das Amen zum Gebet. Und besonders der Zielsprung in Kitzbühel spielt da in der obersten Liga.

Der Zustand der Piste, die Sicht, der Wind und die Streckensetzung waren übrigens gestern in Kitzbühel, wie es vom Kommentator und in Interviews mit den Rennläufern hieß, so handzahm wie schon lange nicht mehr.

Nur der Zielsprung hatte es mal wieder in sich. Die Veranstalter hatten nach den Trainingsläufen noch alles versucht, um ihn zu entschärfen. Und trotzdem hoben dort jetzt alle die Rennläufer am Ende ihrer zwei auslaugenden Rennminuten noch einmal mit um die 150 Stundenkilometer Geschwindigkeit heranrasend einigermaßen unkalkulierbar ab und segelten beinahe wie beim Skispringen und oft verzweifelt in der Luft rudernd ziemlich hoch und bis zu 75 Meter weit bis fast in den Zielbereich. Es war ein verdammtes Lotteriespiel: Wer würde als erster zu Sturz kommen? Wann sonst sieht man solch nervenaufreibende Bilder? Das sind so die Bilder, die wir aus Kitzbühel sehen wollen.

Einen hat es bei dem Zielsprung, einen weiteren Fahrer hat es an einer anderen Stelle der Strecke übel zerlegt. Dem ersteren wurden beim Sprung die Skispitzen nach unten gedrückt, er stürzte mit Kopf und Oberkörper voran ins Ziel und war dann bewusstlos. Beide waren aber zum Glück, wie es im Streckenfunk hieß, nach kurzer Zeit wieder ansprechbar.

Die Rettungskette hat tadellos funktioniert: Das Rennen wurde unterbrochen, bis die Verunfallten erstversorgt, stabilisiert und mit dem Hubschrauber abtransportiert worden waren und bis dieser wieder zurück und für eventuelle weitere Vorkommnisse wieder neben der Strecke bereit gestellt worden war.

Wenn dann in den Rennpausen zu den wartenden nachfolgenden Läufern in den Startbereich geschaltet wurde und wenn wir erleben durften, wie sie dort mit dem Bewusstsein dessen, was dem Kollegen eben passiert war, versuchten, wie es dann immer heißt, „die Spannung weiter hochzuhalten“ - da konnte man es ihnen vom Gesicht ablesen, dass das natürlich nicht eine Spannung in emotionaler Hinsicht war, an der es ihnen da nun gemangelt hätte und die sie nun weiter hätten künstlich hochhalten müssen. Nein, es war schlicht die vielzitierte, gute alte „Körperspannung“, um die sie da ringen mussten, wartend auf den eigenen Höllenritt, nämlich allein schon um das Zittern ihrer Knie in den Griff zu bekommen. Großes Kino war das wieder! Das sind so die Bilder, wie wir sie von der Streif sehen wollen!

Und von den Bildern aber, die wir lieber nicht sehen wollen, wie es von den Kommentatoren da immer heißt, bekamen wir in diesen Rennpausen dann auch noch überreichlich serviert. Die Bilder vom Sturz, in Wiederholung, aus sämtlichen verfügbaren Kamerawinkeln, in Zeitlupe, in Superzeitlupe, und von den Experten wurde der Ablauf in sämtlichen Details analysiert. Der gestern schwer Verunfallte, hieß es dabei gleich mehrmals, hätte im Grunde sogar alles richtig gemacht. Er war bei dem Sprung in Gefahr gekommen, in Rückenlage zu geraten und hatte dieses bemerkt und in Sekundenbruchteilen korrigiert, aber leider eben nur um ein Alzerl zuviel, und so war es dann passiert. Er kippte im Flug mit dem Oberkörper nach vorne, und das Drama nahm seinen Lauf. So hätte es jeden treffen können. Der Zielsprung war gestern die reine Lotterie. Und wieder und wieder sahen wir uns die haarsträubenden Bilder an, die wir gemäß dem Kommentator lieber gar nicht hätten sehen wollen.

Aber jetzt mal Hand auf's Herz: Wenn ich solche Bilder nicht würde sehen wollen, warum sollte ich mir das Rennen dann anschauen? Für mich selbst kann ich ganz klar sagen: Ich mag schon auch zum Beispiel Skisprungbewerbe, und das Skifliegen noch mehr. Aber weil es da kaum noch Zwischenfälle gibt, ziehe ich dieses Skifliegen beim Schlusssprung in Kitzbühel von wegen der größeren Spannung eben doch noch deutlich vor.

Ich habe ja durchaus auch Verständnis für die Athleten, die sich darüber beklagen, dass der Skizirkus im Dienste höherer TV-Einschaltquoten immer halsbrecherischer werden würde. Aber schließlich haben sie sich den Beruf selbst gewählt, und sie werden, zumindest wenn sie einigermaßen erfolgreich sind, für das Risiko auch ganz gut bezahlt. Immerhin konnten sie doch auch mit dem Skifahren ihr Hobby zum Beruf machen. Und wer kann das schon von sich sagen? Und jeder Beruf hat eben auch seine Schattenseiten.

Genau betrachtet sind es immer genau die Schattenseiten eines Berufs - dass er krank macht, dass er anödet oder vielleicht auch „nur“ einem die kostbare Lebenszeit stiehlt -, für die man mit dem Gehalt finanziell entschädigt wird. Jedem Athleten steht es aber ja auch jederzeit frei, den Beruf zu wechseln. Selbst auch für Leute, die nur sportlich veranlagt sind und sonst nichts können, gibt es da auch noch genügend andere Möglichkeiten, sich beruflich zu betätigen, ohne solch immense Risiken in Kauf nehmen zu müssen. Nur so als ein Beispiel unter vielen fällt mir da das Kickboxen ein, ein Sportberuf mit kalkulierbarerem Risiko als bei den Skirennläufern und dann halt auch nur noch einem entsprechend überschaubaren Gehalt.

07. August 2021
[Geschrieben zu den Spielen in Japan]

Die Olympischen Spiele
heute, gestern und morgen

1. Heute: Ich bin so stolz

Ich bin so stolz. Ungeheuer stolz. Die Leistungen der österreichischen Sportlerinnen und Sportler bei den Spielen machen mich stolz. Meine überwiegend österreichisch geprägte Umgebung ist darüber stolz und zufrieden und so etwas ist ansteckend und entsprechend bin auch ich darüber sehr stolz.

Weil ich darüber hinaus aber auch noch direkte leibliche Vorfahren mit einer deutschen Nationalität in meinem Stammbaum vorzuweisen habe, machen mich auch die Leistungen der deutschen Sportlerinnen und Sportler bei den Spielen sehr stolz.

Und drittens bin ich ja auch noch mit noch sehr vielen weiteren StarterInnen bei den Olympischen Spielen, im Grunde mit allen von ihnen ebenfalls verwandt, wenn auch in einem entfernteren Sinne. (Was in Zeiten des nationalen Taumels manchmal aus dem Blick zu geraten droht.) Und so freue ich mich auch über deren Leistungen oder ich leide mit ihnen mit, und jedenfalls machen mich auch die, sobald sie Beachtliches leisten, stolz.

Ich stolziere da sozusagen auf verschiedenen Ebenen. Einerseits schwanke ich oft hin und her, auf was ich da am stolzesten bin und sein kann, andererseits machen mich aber auch die Spiele im Ganzen betrachtet sehr stolz - stolz als Mensch. Dass sie überhaupt abgehalten werden konnten in Zeiten einer Pandemie. Dass es uns mit den Spielen jetzt endlich gelungen ist, dem Virus nicht nur Paroli zu bieten, sondern ihm sogar gleich ganz die kalte Schulter zu zeigen - auch das macht mich ungeheuer stolz.

Ja, es macht mich stolz als Mensch, dass die Hygiene- und Abschottungskonzepte so gut gefruchtet haben, dass nur so um die zweihundert SportlerInnen ihre geplante Teilnahme coronabedingt hatten wieder absagen oder aus dem Olympischen Dorf hatten wieder abreisen müssen. Es macht mich stolz und zufrieden als Mensch, dass aufgrund dieser erfolgreichen Konzepte trotz der olympiabedingten massiven Reisetätigkeit am Tag 5 der Spiele in Tokio nur gerade einmal 2848 Neuinfektionen zu verzeichnen waren und dass diese Quote auch am Tag 6 nicht höher als auf nur 3177 angestiegen ist.

Diese nur wenigen Hundert Bedauernswerten, was sind sie, rechnete ich mir dann immer wieder einmal vor, gegen die x Millionen von Menschen in aller Welt, die wie ich da nun endlich einmal für zwei Wochen unsere Sorgen haben vergessen können, während wir alltäglich beziehungsweise -nächtlich vor den Fernsehapparaten saßen oder lagen und begeistert dieses grandiose Event verfolgten, diese Olympischen Spiele, wie es sie so noch nie zuvor in der Geschichte gegeben hatte?

2. Gestern: Ein geschichtlicher Abriss der Spiele von der Antike bis heute

Ein weiter Weg war es von den bescheidenen Anfängen der Olympischen Spiele im alten Griechenland bis zu dem weltweit verfolgten Megaevent von heute. Mit nur ein paar Dutzend nackigen Adelssprösslingen, die sich in nur wenigen Disziplinen gemessen hatten, hatte es damals angefangen.

Die Sieger (Frauen hatten nicht einmal als Männer verkleidet teilnehmen können, denn die Teilnehmer trugen, wie gesagt, keine Kleider) hatten, von der Weltöffentlichkeit ganz unbemerkt, nicht mehr als nur ein wenig Ruhm geerntet und bekamen einen symbolischen Siegeskranz aufgesetzt, geflochten aus aromatischen Gewürzblättern. Alle anderen, die unterlegenen Teilnehmer waren vom Publikum mit dem legendär gewordenen hämischen Spottwort bedacht worden: „Dabeisein war alles!“, und dann ging man auch schon wieder auseinander und das war's dann auch schon wieder bis zur nächsten dieser belanglosen Familienfeiern auf dem heiligen Berg Olymp, vier Jahre später.

Eine größere Aufmerksamkeit erfuhren die Spiele erst viel später, unter der Herrschaft der Römer. Sie modernisierten und erweiterten die Spiele, indem sie neue Disziplinen einführten, um die Attraktivität zu erhöhen und um breitere Bevölkerungsschichten anzusprechen. Im Zuge dessen wurden die Olympischen Spiele dann zuerst umbenannt in „Brot und Spiele“ und dann, nachdem der vierjährige Rhythmus abgeschafft worden war und praktisch andauernd irgendwo welche stattfanden, in „Gladiatorenspiele“.

Die erfolgreichsten Gladiatoren der Römerzeit hatten dann durchaus auch schon einen ähnlichen gesellschaftlichen Status inne wie die heutigen Superstars des Sports. Aber wegen der verhängnisvollen Tendenz der Spiele zum „Immer schneller, immer härter, immer spektakulärer“ kamen auch diese Superstars in aller Regel nach relativ kurzen Zeiten des Erfolgs ebenso zu Tode wie die bereits in den Vorrundenkämpfen Ausgeschiedenen, was die Identifikation des Publikums mit seinen Idolen doch auch immer wieder erschwerte. Mit den immer neu hinzugekommenen Disziplinen, zu Wasser, gegen Tiere, im Einzel mit dem Fischernetz gegen die Pike und so weiter, setzte im Laufe der Zeit eine Übersättigung ein. Die Barbareneinfälle in das niedergehende Weltreich taten das ihre dazu und erschwerten immer wieder die regelmäßige Abhaltung, und spätestens als sich dann auch noch das finstere Mittelalter breitmachte, das sich ganz uninteressiert zeigte an jeder Art von Sport, waren die Spiele im Grunde so gut wie vergessen.

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte dann ein weiterer Adliger mit dem klingenden Namen Pierre de Coubertin die Idee, die Olympischen Spiele von einst wieder aufleben zu lassen. Machthaber ganz verschiedenster Couleur fanden die Idee gut und haben es seither immer unterstützt, sie nun wieder wie im alten Griechenland im Vierjahresrhythmus abzuhalten.

Nur die Weltkriege I und II waren seither der Abhaltung des regelmäßig stattfindenden friedlichen Wettstreits der Völker im Wege gestanden, und wegen der Corona-Pandemie von 2020 waren die Spiele ebenfalls kurz in Gefahr, aber dann hatte ein in die Vorbereitung involvierter IOC-Mann die praktische Idee, wenn man mit dem Weiterzählen der Jahreszahlen einfach ein Jahr lang aussetzen würde, dann würde man Tokio 2020 trotz Seuche auch dann noch abhalten und in gewohnter Weise Nutzen daraus ziehen können, wenn das Kalenderjahr 2020 in der gewöhnlichen Welt bereits abgelaufen wäre und in der Vergangenheit liegen würde.

Und dies ist nun auch als Verweis zu lesen auf einen Generalzug der Spiele: Weil die Welt sich beständig ändert, so war auch ihr Spiegelbild, so waren auch die Olympischen Spiele der Neuzeit einem beständigen Wandel unterworfen. Als beharrendes Moment auf der Gegenseite versuchte dabei stets - ebenfalls ganz analog zur gewöhnlichen Welt - eine Riege alter reicher weißer Männer im Internationalen Olympischen Komitee, sich gegen jeglichen solchen Wandel erst einmal anzustemmen. So hatte sie niemals etwa nur deshalb gleich einem Teilnahmerecht auch von Frauen bei den Olympischen Spielen zugestimmt, weil die Damen vielleicht gerade in der restlichen Welt eine Aufwertung erfahren und in ein paar Ländern ein politisches Stimmrecht zugestanden bekommen hatten. Nein, bedachtsam bremste da das IOC in solchen Fällen grundsätzlich immer erst einmal für ein paar Jahrzehnte lang aus und wachte in solchem gut wertekonservativen Geist stets über die alte Tradition.

Deshalb wurden auch nur sehr selten einmal nicht mehr zeitgemäße Disziplinen aus dem olympischen Programm genommen. Was war das nicht für ein langes Ringen gewesen, bis das altehrwürdige, aber unverkennbar altmodisch gewordene behäbige Tauziehen 1936 endlich doch dem zeitgemäßeren Handgranatenweitwurf und etwas später dem Modernen Fünfkampf hatte weichen müssen? Und wieviele anklagende Hinweise auf die nicht mehr zeitgemäße permanente Untergriffigkeit des Freistilringens hatte es nicht schon gegeben? Aber diese die Athleten (und jetzt sogar auch noch Athletinnen!) entwürdigende Disziplin ist nach wie vor im Programm.

Und so zieht sich das durch. Besonders deutlich wird es auch an der Disziplin des Gehens. Sie ist unzeitgemäß wie kaum eine zweite, denn wer geht heute, in den Zeiten des Elektroscooters, schon noch? Trotzdem hatten auch in Tokio wieder viele Sportler gehen müssen, nicht enden wollende 50 Kilometer weit, bei sengender Hitze.

Die Liste ließe sich fortsetzen: Dressurreiten. Überhaupt der Reitsport. Fechten. Tontaubenschießen. Unzählige Disziplinen werden, obwohl hoffnungslos veraltet, nur deshalb noch weiter ausgetragen, weil das IOC immer so unerbittlich über die Traditionen wacht.

Kleine Gegentendenzen neben jenen großen, traditionell bewahrenden gibt es im IOC jetzt aber doch auch immerhin zu vermelden: Zu all diesen antiquierten, beinahe trotzig beibehaltenen alten Wettkämpfen gesellen sich jetzt wenigstens auch immer wieder einmal neue hinzu. Es ist das Verdienst einiger jüngerer und dynamischer denkender Neumitglieder im IOC, und sie können sich damit durchsetzen, weil es unbestreitbar einen frischen Wind in die Spiele bringt und weil ihnen auch niemand das profunde Sachwissen ihrer Expertise abstreiten wird, denn sie sind nämlich auch bestens vernetzt mit vielen wichtigen Leuten aus der Trendsportartikelbranche.

3. Morgen: Was ich persönlich mir in Zukunft von den Olympischen Spielen erwarte

Ich wünsche mir Spektakuläreres. Mehr Zeitgemäßes. Ein bisschen mehr existentielle Härte und Schärfe, sodass es auch weiterhin die gestiegenen Anforderungen im Berufsleben und in der Freizeit wiederspiegelt.

Standup-Paddeling im Wildwasserkanal. Skateboard-Downhill an der Kletterwand. Pfeil-und-Bogen-Gotcha, als Einzel- und Teambewerb. Fightclubbing, Martial Arts, so wie es im Fernsehen schon lange etabliert ist. Als einen Ansporn zur Selbstoptimierung halt, kurz gesagt, in allen ihren Facetten.

31. Jänner 2022

Darf man die Olympischen Winterspiele in Peking im Fernsehen mitverfolgen?

Eine Vorahnung

Massenhafte Internierung und sog. „Umerziehung“ der UigurInnen, sodass es durchaus in Richtung Völkermord geht; die Menschenrechte werden ganz offiziell in China von der totalitär herrschenden Partei als ein „unangemessenes Konzept“ angesehen für das Land; und jetzt also die Olympischen Winterspiele in Peking, ein absehbar monströses verlogen-kitschiges Propagandaspektakel auf Kunstschnee zur Hebung des Ansehens der Diktatur, von den demokratisch konstituierten Ländern alibimäßig gerade so weit „auf diplomatischer Ebene boykottiert“, dass es die Geschäftsgänge der Sportverbände und ihrer Sponsoren nicht wesentlich tangieren und die patriotische Penetranz, zu der diese sportlichen Großereignisse ja systemübergreifend vor allem da sind, nicht schmälern wird - wäre es da nicht naheliegend, aus politisch-moralischen Gründen auf die Verfolgung der Spiele im Fernsehen ganz zu verzichten?

Ich schwanke noch, denn konsequenterweise stünde damit ja ebenso bald auch ein Verzicht auf die nächste Fußball-WM im Raum, in Katar, schon im kommenden Winter.

22. Februar 2022

Ein Funkspruch

[Am Tag nach den Olympischen Winterspielen in Peking …]

Am Montag, dem 21. Februar wurde gleich in aller Frühe der folgende Funkspruch abgesetzt:

„Winnie Poo an Topless-Tiger! Winnie Poo an Topless-Tiger! Die Pekingente ist gegessen. Die Sportdeppen sind aus aller Welt brav angetanzt, die Medien haben fast gar keine dummen Fragen gestellt, die Fernsehtrotteln haben's gefressen und waren begeistert. Außer die aus Uiguristan natürlich, oder wie das heißt, Zwinkersmiley …

Ein Dank nochmal, dass du bis nach der Schlussfeier gewartet hast. Du kannst jetzt loslegen. Jetzt zeig uns mal in deinem postsowjetischen Hinterhof, was du so drauf hast in Sachen Greisengroßmannssucht und nationalpatriotisches Eierschaukeln! Bussibussi“

Die alten Freunde


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