14. Mai 2007
Texte der Woche
Die Stammleser und -leserinnen dieser Website kennen es schon: das Verfahren, dass ich hier immer mal wieder Texte präsentierte als „Text der Woche“, die ich dann regelmäßig einleitete: „Vor zehn Jahren erschien der Literarische Zeitvertreib Nr. soundsoviel …“; und so konnten diese Texte dann nach zehn Jahren noch einmal ihre bleibende Aktualität ausstellen oder ihren zeitlosen Gehalt, oder eben auch nicht.
Ganz ebenso wollte ich zu Anfang des Monats wieder verfahren. Also beginnen mit: „Vor zehn Jahren, im Mai 1997, erschien der Literarische Zeitvertreib Nr. 4 …“ Allein, so oft ich das Heft auch durchblätterte – bei dieser Ausgabe Nummer 4 hatte ich offenbar geschwächelt. Ich fand und fand keinen Text darin, den ich heute noch als genügend gelungen und geeignet befunden hätte, um ihn hier online zu stellen.
Aber dann kam mir am vergangenen Wochenende nun die Presse zu Hilfe, indem sie ein einigermaßen kurioses Thema, das ich damals behandelt hatte, wieder aufgriff und bis ins Heute fortschrieb, so à la „Was geschah eigentlich weiterhin mit …“ Und so habe ich jetzt also doch noch einen „Text der Woche“ gefunden aus diesem LZ Nr. 4 von vor zehn Jahren, und der ergänzende zweite, gleich im Anschluss, stand also in der Presse.
Es geht voran
(aus dem Literarischen Zeitvertreib Nr. 4, Mai 1997)
Nach eindreiviertel Jahren besuchte der Stasi-Beauftragte der Bundesregierung Joachim Gauck zum ersten Mal jene knapp 50 Schreibtischschaffenden beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf, denen vorübergehend die Erwerbslosigkeit gedroht hatte, weil sie nach Abschaffung des Grundrechts auf Asyl die sog. „Altfälle“ so eifrig ablehnend beschieden hatten, dass sie sich fast um ihre Existenzgrundlage gebracht hätten, weil seither wenig nachkommt. Im letzten Moment fand sich dann noch eine neue Tätigkeit für sie, eine recht interessante sogar aus dem historischen Bereich, nämlich das Zusammenpuzzeln von Stasiakten aus Reißwolfschnipseln. Als nun Gauck mit seinem Besuch diese gewiss nicht einfache Arbeit würdigte, war bereits der Inhalt von 35 der insgesamt 5650 Säcke zu den ursprünglichen Blättern zusammengeklebt.
Daraus läßt sich leicht errechnen, dass schon in knapp 283 Jahren die Quellen gesichert sein werden und dann den AushilfshistorikerInnen erneut Erwerbslosigkeit drohen wird. Doch der Bundesregierung als Muster an einer dankbaren Arbeitgeberin wird bis dahin bestimmt wieder eine sinnvolle und erfüllende Tätigkeit einfallen. Natürlich vorausgesetzt, die 50 lassen jetzt keinen Schlendrian einziehen und machen dauernd Kaffeepausen, sondern arbeiten tüchtig zu. – – –
Zehn Jahre später steht jetzt also in der Presse, dass von den 50 noch 30 bis heute am Ball geblieben sind, und dass sie zu dreißigst noch etwa 600 bis 800 Jahre brauchen werden, deutet auch nur auf einen geringfügigen mittlerweile dort eingekehrten Schlendrian hin. Und trotzdem sind sie nun aber – denn die Zeiten sind schnelllebig geworden, und wer weiß schon, was in 600 Jahren ist? – durch Automation möglicherweise von Arbeitslosigkeit bedroht …
Sorgen für Stasi
(aus der Presse vom 12. 05. 07)
Als die DDR fiel, trommelte die Stasi ihre Mitarbeiter zum Reinemachen zusammen, die Akten sollten vernichtet werden. Man hatte nur nicht genug mechanische Shredder, das meiste wurde händisch zerrissen – und von Bürgern, die die Stasizentralen besetzten, gesichert: etwa 600 Millionen Papierstücke, die, richtig zusammengesetzt, 45 Millionen Seiten ergeben. Zunächst versuchte man eine händische Rekonstruktion, sie geht auch, würde aber 30 Leute 600 bis 800 Jahre beschäftigen. Nun haben Forscher eines Fraunhofer-Instituts Software entwickelt, die es rascher können soll, im Juni beginnt der Test. Die Forscher sind zuversichtlich, dass ihr Verfahren auch mechanisch Geschreddertes [im Original: „Geschreddertertes“] wieder zusammen bringt (news@nature.com, 10. 5.).