Der informelle Sektor

Aus dem Senegambia-Reisetagebuch -
Dakar, 29. Oktober 2008



Personen:
Ein Hotelportier, gebürtig aus der Casamance
Ein Hotelwachmann, stets mit dem Nun-Chako über der Schulter
Ein Rastafarian, der sich beruflich zuverlässig um Busreisende kümmert
Zwei Touristen aus Autriche


Nachts.

Die Touristin und der Hotelportier kommen ins Plaudern über die weiteren Pläne der Touristen. Nach Gambie? Mit dem Taxi-brousse? Das wäre aber strapaziös.

Er fahre oft die Strecke. Da gebe es auch einen Bus. Klimatisiert. Mit TV. Und der Preis sei fast derselbe. Er fahre morgens um sieben ab, ganz in der Nähe. Kurze Rücksprache unter den Touristen. Das hört sich gut an.

Fünf Minuten später. Der Hotelportier kommt in die Hotelbar und teilt den Touristen mit, dass der Mann mit dem Bus in Kürze hier vorbeikommen würde. Was für jene erstens ein Fragezeichen in den Raum stellt und zweitens schon eine Ahnung aufscheinen lässt, worauf das Ganze hinauslaufen wird.

Kurze Zeit später teilt der Hotelportier mit, man wäre nun soweit. Der Hotelwachmann könnte die Touristen nun begleiten und ihnen den Weg zur Busstation zeigen. Kurze Beratung. Okay, das schauen sie sich an.

Vorm Hotel erhebt sich der Wachmann, schultert sein Nun-Chako, und zu dritt macht man sich auf den Weg. Die Busstation ist tatsächlich nur fünf Minuten entfernt.

Dort angekommen, lernen die Touristen den Rastafarian kennen. Er kümmere sich hier um alles. Er sei zum Beispiel auch für Busreservierungen zuständig. Ein Ticket nach Barra koste 5.000 Francs C.F.A. Die Touristen hätten am nächsten Morgen um halb sieben da zu sein und könnten dann die Tickets lösen. Er würde nun ihre Namen aufnehmen und zwei Plätze reservieren. Dafür würden pro Person 1.000 Francs C.F.A. Reservierungsgebühr fällig.

Die Touristin fragt ihn, ob es dafür eine Quittung geben würde. Nein, antwortet der Rastafarian, eine Quittung gebe es nicht. Die beiden Touristen können sich ein Lachen nicht verkneifen.

So sei das eben in Afrika, klärt sie der Rastafarian auf. Die Leute müssten leben. Und wenn er nicht wolle, dass jemand einen Busplatz bekäme, dann bekäme der auch keinen.

D’accord, d’accord, sagen die Touristen, geben ihre Namen und die Reservierungsgebühr ab, und dann lassen sie sich vom Hotelwachmann zurück zum Hotel geleiten. Aus freien Stücken legen sie für dessen Dienste noch einmal 500 Francs C.F.A. drauf, und am nächsten Morgen wird dann im Service noch inkludiert sein ein Weckdienst von Seiten des Hotelportiers, eine weitere Begleitung der Touristen durch den Hotelwachmann hin zum Busbahnhof, (wobei er auch beim Gepäcktragen behilflich sein wird,) und der Rastafarian wird da sein und den Touristen den richtigen Bus weisen, und es wird zuverlässig der richtige sein, da er zu dieser frühen Stund nämlich der einzige weit und breit ist, und gegenüber dem Busfahrer wird der Rastafarian aus einiger Ferne signalisieren, dies hier seien nun der angekündigte Monsieur und die angekündigte Madame; was den Fahrer, weil er gerade mit dem Einchecken anderer Fahrgäste beschäftigt ist, nicht eben besonders stark interessieren wird.

Jedenfalls werden die Touristen zwei freie Plätze im Bus vorfinden, bei freier Platzwahl, und wenn sie auch ein klein wenig enttäuscht sind, da der Bus weder über eine Klima- noch über eine TV-Anlage verfügt, so schätzen sie sich doch glücklich, zum kärglichen Familieneinkommen eines Hotelportiers, eines Hotelwachmanns und eines Rastafarians nun auch ein kleines Schärflein beigetragen zu haben.

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