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ein Fußballspiel zu betrachten


Zur WM 2014 in Brasilien -
die dritte Runde

23. Juni 2014

Australien - Spanien 0:3
Niederlande - Chile 2:0

Kamerun - Brasilien 1:4
Kroatien - Mexiko 1:3



Von Arithmetik, Anstand und Würde

Die dritte Runde beginnt. Die Entscheidungen in den Vorgruppen stehen an. Seit der „Schande von Gijón“ werden die abschließenden Gruppenspiele bekanntlich parallel ausgetragen, um Manipulationen zu erschweren. 1982 hatten die Deutschen und die Österreicher das Resultat der Algerier bereits gekannt, und als es in ihrem Match 1:0 stand, hatten beide gewusst, dass sie damit aufsteigen würden, und sie stellten daraufhin den Spielbetrieb praktisch ein.

Natürlich könnte auch auf parallel laufende Spiele noch reagiert werden. Im Zeitalter der Smartphones und der Echtzeitkommunikation bräuchte man dazu jetzt auch keine Assistenten mehr, von denen der eine sich im anderen Stadion aufhält, und der zweite, im Fall dass sich dort etwas geändert hat, sich so schnell wie möglich, aber trotzdem unauffällig an die Trainerbank heranpirscht, um den neuen Torestand, den er über eine heimlich verlegte Standleitung oder ein klobiges Satellitentelefon übermittelt bekam, an den Chef weiterzugeben. Nein, heute ist man natürlich immer in Echtzeit über den Stand im Parallelspiel informiert, und selbst wenn es ein Trainer für angeraten hielte, ihn seinen Spielern vorzuenthalten, etwa auf dass sie nicht abgelenkt werden sollen und ganz gleich, wie es dort steht, einfach ihr Bestes geben - selbst dann werden die Spieler aus dem Jubeln oder Raunen im Publikum, wenn dort tausend Handys zugleich vibrieren und die einschlägigen Apps einen neuen Spielstand übermitteln, stets schließen können, wie es dort steht. Trotzdem aber - um den Gedanken abzuschließen - ist es natürlich schwieriger geworden, einen Nichtangriffspakt wie in Gijón 1982 abzuschließen, seit das andere Endergebnis erst feststeht, wenn auch das eigene Spiel beendet ist.

1982: Die „Schande von Gijón“ - Seither werden die abschließenden Gruppenspiele parallel ausgetragen. (Die meisten deutschen YouTube-Videos zum Thema sind übrigens „auf Antrag für das Einbetten gesperrt“.)

Ein Ticket erworben zu haben für solch ein abschließendes Gruppenspiel birgt stets und auch weiterhin noch Risiken. Das Spiel kann eine offene Entscheidungsschlacht werden, frei von der zuvor oft geübten taktischen Zurückhaltung, ein Drama mit Helden, die mit dem Mute der Verzweiflung die letzte Chance zum Weiterkommen suchen und das Glück erzwingen möchten; eventuell noch mit dem zusätzlichen Kick, dass sobald in den Hosentaschen die Handys vibrieren, sich erneut die Situation in der Gruppe dramatisch wendet. Das Stichwort lautet dann „Aktuelle Tabelle“. Es kann aber auch im Gegenteil passieren, dass schon vor dem dritten Spiel, zu dem man mit viel Geld und Mühe ein Ticket hat ergattern können, sämtliche Entscheidungen über den Aufstieg oder das Ausscheiden in der Gruppe schon gefallen sind. In diesem Fall lautet das Stichwort dann oft nur noch: „Sich mit Anstand und Würde aus dem Turnier verabschieden“.

In der Gruppe B, die heute zuerst gespielt wurde, war schon so ziemlich alles klar. Die Niederlande und Chile waren bereits fix weiter und matchten sich im direkten Duell noch um den Gruppensieg. Im Parallelspiel ging es für die amtierenden, aber jetzt entthronten Weltmeister aus Spanien und für die Australier, die einen attraktiven Angriffsfußball gezeigt, aber zu oft nur Aluminium getroffen und ebenfalls die ersten beiden Spiele verloren hatten, genau nur noch darum: sich mit Anstand und Würde aus dem Turnier zu verabschieden. Schwierig ist's, wenn es in einem Match für beide darum geht. Ein Unentschieden zeugt da manchmal zwar noch von Anstand, aber doch nur sehr begrenzt von Würde. Den Spaniern gelang es, mit dem Anstand und der Würde. Sie siegten mit 3:0. Torres hat wieder mal ein Tor geschossen, und rief noch einmal Erinnerungen wach an die guten alten spanischen Zeiten. Den Australiern gelang es auch, mit Anstand. Ja, doch. Das kann man so sagen. Bis zum Schluss haben sie wacker gekämpft.

Die Parallelbegegnung zwischen den Niederlanden und Chile, in der es „nur noch um den Gruppensieg“ ging, hatte trotzdem noch Brisanz. Hier kommt wieder die Arithmetik ins Spiel. Denn der Sieger der Partie würde in der nächsten Runde gegen den zweiten der Brasiliengruppe antreten, der Verlierer gegen den Gruppenersten. Momentan lag dort Brasilien in Front, aber entschieden würde das erst später am Abend. Kamerun war zwar schon draußen, aber zwischen den anderen dreien: Brasilien, Kroatien und Mexiko war noch alles möglich. Wie sollte man nun das eigene Spiel so anlegen, dass man einer Begegnung mit dem Favoriten Brasilien und dem zwar vorbildlich gastfreundlichen, aber das Nationalteam frenetisch unterstützenden Heimpublikum zu solch einem frühen Zeitpunkt des Turniers möglichst noch aus dem Wege ging?

Manchmal sind diese Arithmetiken ziemlich kompliziert. Brasilien lag also im Moment vorne, punktgleich mit Mexiko, aber mit einer etwas besseren Tordifferenz. Wenn es sein letztes Spiel gegen Kamerun gewinnen würde, und Mexiko gewänne gegen Kroatien nicht um zwei Tore höher als Brasilien das seinige, würde es Gruppenerster bleiben. Falls Brasilien Unentschieden spielen würde, käme es ebenfalls noch in jedem Fall weiter. Als Zweiter hinter dem Sieger zwischen Mexiko und Kroatien, und im Fall dass diese sich unentschieden trennen würden, noch immer als Gruppenerster. Auch falls Brasilien gegen Kamerun verlieren sollte, könnte es noch immer zum Aufstieg als Gruppenzweiter reichen, vorausgesetzt, Mexiko würde sein Spiel gewinnen. Das sind schon eine Menge an Varianten, die man als Trainer, der auch den weiteren Turnierverlauf bereits im Auge haben sollte, berücksichtigen muss. Wie also war da einer Begegnung gegen Brasilien möglichst noch aus dem Weg zu gehen?

Am wahrscheinlichsten ist es wohl, lautete die abschließende Analyse der Chefarithmetiker sowohl Hollands als auch in Chiles Trainerstab, dass Brasilien sein Spiel gegen Kamerun gewinnt und auch von Mexiko torverhältnismäßig nicht mehr überflügelt wird. Am wahrscheinlichsten ist, dass es als Gruppenerster weiter kommt. Nichts genaues weiß man zwar nicht. Aber der Begegnung mit Brasilien schon in der nächsten Runde ausweichen konnte man am ehesten dadurch, dass man selbst in der eigenen Gruppe Erster wurde.

Und so war das Spiel von Holland und Chile hart umkämpft, obwohl beide schon vorher weiter waren. So hatten die Ticketbesitzer doch noch gut etwas bekommen für ihr Geld. Durch zwei Jokertore von Leroy Fer und Memphis Depay in den letzten zehn Minuten erwarb sich Holland dann vorerst einmal eine ziemlich gute Chance, Brasilien nicht schon in der nächsten Runde zu begegnen.

Wie es die Arithmetiker analysiert hatten, so kam es dann auch, am späteren Abend. Brasilien gewann gegen nur noch lustlose Kameruner, deren Trainer Finke vergeblich appelliert hatte, sie mögen sich noch mit Anstand aus dem Turnier verabschieden, mit einem deutlichen 4:1. Mit den ersten beiden Toren von Neymar, schon in der ersten Halbzeit, gingen dabei auch die Neymar-Festspiele weiter.

Im Parallelmatch des Abends überzeugten die Mexikaner mit einem 3:1 gegen Kroatien. Der mexikanische Torwart Guillermo Ochoa, derzeit ohne Verein, konnte seinem Bewerbungsvideo weitere prächtige Paraden von der WM in Brasilien anhängen, und er raubte damit auch dem kroatischen Oldie Ivica Olic, der auch heute wieder brandgefährlich war, den letzten Nerv.

Die ersten Achtelfinalbegegnungen lauten nun also Niederlande gegen Mexiko und Chile gegen Brasilien. Die Niederlande sind Brasilien vorerst ausgewichen und können erst im Finale auf die Gastgeber treffen. Ein einmaliges Erlebnis dürfte es sein für jeden Fußballer, bei einer WM in Brasilien gegen Brasilien spielen zu dürfen. Die Chilenen dürfen das jetzt. Die Holländer kommen zu dem unvergesslichen Erlebnis nur, falls sie es bis ins Finale schaffen, (oder ins Spiel um Platz 3,) und auch dann nur, falls Brasilien es ebenfalls bis ins Finale schafft (oder ins Spiel um Platz 3). Zwölf der sechzehn Teams im Achtelfinale werden bis dahin noch ausscheiden müssen. Die restlichen vier teilen sich die Plätze im Finale und im Spiel um Platz 3. Rein arithmetisch betrachtet ist das jetzt nur noch eine ziemlich kleine Chance, dass die Holländer noch zu dem speziellen Erlebnis kommen, das kein Fußballer wohl je in seinem Leben wieder vergisst.

24. Juni 2014

Italien - Uruguay 0:1
Costa Rica - England 0:0

Japan - Kolumbien 1:4
Griechenland - Elfenbeinküste 2:1



Die männlichen Werte

„Mei, is der fesch!“ Ich sitze mit meiner Partnerin vor dem Fernseher und wir schauen uns das Match zwischen Italien und Uruguay an. Sie meint den italienischen Keeper Gianluigi Buffon. -

„Musst du jetzt so punktgenau das Klischee verkörpern von der Frau, die nur alle zwei Jahre Fußball schaut und dann nur auf die schönen Männer acht gibt? Es gibt doch auch noch andere Werte, nicht nur das attraktive Äußere. Denk nur zum Beispiel an das Jahreseinkommen der Männer auf dem Feld! Denk an ihren Kontostand! Zählt denn das gar nicht?“ -

„Doch, schon.“ Sie tippt auf ihrem Tablet herum, unterbricht das Computerspiel, und bestätigt nebenbei ein weiteres Klischee: Frauen sind in der Regel bitaskingfähiger als die Männer. Sie googelt nach Buffons Jahreseinkommen. „Ja, nicht schlecht“, sagt sie. „Aber hier steht auch, er hätte verschiedentlich schon Sympathien für die extreme Rechte gezeigt. In der italienischen Liga wollte er die Rückennummer 88 auf dem Trikot haben, den bekannten Code der Neonazis für `Heil Hitler´. Und es gab da noch weitere Vorfälle. Da kann er mir jetzt aber doch gestohlen bleiben. So ein Arsch!“ -

„Schau hin!“ Ich versuche, ihre Aufmerksamkeit wieder aufs Fernsehbild zu lenken. „Den Andrea Pirlo mag ich! Er ist die personifizierte Spielintelligenz. Ein Mann mit Spielintelligenz kann doch auch sonst nicht ganz blöd sein, oder was meinst du? Autsch! Jetzt haben sie ihm wieder eine mitgegeben.“

Das Spiel wird hart geführt. Mit gestreckten Beinen geht es in die Füße des Gegners. Im Luftkampf sind immer schön die Ellenbogen ausgefahren. Es gibt Kratzspuren zu sehen, knapp unterhalb des Auges. Mit den Stollen werden die Oberschenkel der Gegner traktiert. Kaum ein Zweikampf endet, ohne dass ein Spieler am Boden liegt. Das Spiel ist nichts weniger als brutal. „Jetzt hätte der Schiri wieder mindestens Gelb geben müssen! Die lassen hier alles laufen bei dieser WM. So könntest du dir doch auch deine Favoriten erwählen: Wer nach solch einem Match nicht im Krankenhaus liegt, hat offenbar eine gute Kampf- und Widerstandskraft und ist genetisch und mental gut präpariert für ein modernes Leben als Gladiator oder als Führungskraft in der Wirtschaft.“ -

„Da schau! Den kenne ich!“ sagt sie. -

„Ja, das ist der Balotelli. Vor zwei Jahren hat er die Deutschen mit seinem Tor aus dem Turnier geschossen und sich danach entblößt und den Frauen vor den Fernsehgeräten seinen Muster-Body vorgezeigt. Der macht schon was her. Aber nach allem, was ich weiß, wirst du nicht unbedingt dabei sein wollen, wenn er seinen Mund aufmacht und Wörter heraus kommen.“ -

„Dann ist er wohl eine Art italienischer Arnautovic?“ Manchmal verblüfft sie mich denn doch mit ihrer fußballerischen Sachkenntnis. Kurz darauf lässt sich Balotelli prompt provozieren und bekommt, auch ohne sich entblößt zu haben, die zweite gelbe Karte im Turnier. Damit wäre er im Achtelfinale gesperrt. Kurz darauf wird Pirlo ausgewechselt. Es ist tatsächlich nicht der Tag des fein gedachten filigranen Fußballs. Die Treterei geht weiter. Und kurz vor Schluss passiert dann das noch nie Dagewesene …

Oliver Kahn ist ein ausgewiesener Experte, um es im ZDF zu erklären: „Man kann es nicht erklären. Das Spiel steht spitz auf Kopf. Es geht um so viel. Du bist voll mit Adrenalin bis in die Haarspitzen. Du willst unbedingt, du musst gewinnen. Und dann kommt so ein Zweikampf, und dann beißt du schon auch mal zu.“ Das noch nie Dagewesene ist sehr wohl zuweilen schon da gewesen. Oliver Kahn hatte in seiner aktiven Zeit einen Gegner gebissen. Und Luis Suárez, der heute nach einem Eckball den Italiener Giorgio Chiellini in die Schulter gebissen hat, hatte sogar schon zweimal zuvor in Ligaspielen zugebissen.

Der Schiedsrichter hat es nicht gesehen. Chiellini zeigt ihm die Bisswunde. Luis Suárez sitzt derweilen am Boden und tastet sich mit einer Miene, als wäre er gerade aufs übelste gefoult worden, die schmerzenden Beißwerkzeuge ab.

Die Szene wird noch ein Nachspiel haben. Für Tätlichkeiten, die nicht während des Spiels geahndet werden, aber mit Videos zu beweisen sind, ist der FIFA-Ausschuss zuständig, und Suárez wird noch eine Strafe ausfassen.

Trotzdem hat er, man weiß nicht wie, wieder sein Ziel erreicht. Denn eine Minute später schießen die Urus in einer ähnlichen Situation das goldene Tor und kommen somit weiter.

Suárez macht es immer so. Er ist eben ein Kampfschwein. Bei der WM vor vier Jahren war er es, der mit einem Handspiel auf der Linie Ghanas Siegtor in der letzten Minute verhindert hatte. Er bekam dafür Rot, aber Ghanas anschließender Elfmeter wurde verschossen, Uruguay rettete sich in die Nachspielzeit, gewann danach das Elfmeterschießen, und wurde schließlich Turnierdritter. Er macht es immer so. Er kann nicht anders. Fairness ist nicht etwa ein Fremdwort für ihn. Nein, in der Hitze des Gefechts, und weil er halt ein Kampfschwein ist, scheißt er nur einfach drauf.

Suarez Neu

(Luis-Suarez-Sammelkarte,
mit einem aufgeklebten Pressefoto
auf den neuesten Stand gebracht.)


Im Parallelspiel hat das kleine Costa Rica auch das dritte Spiel in der „Todesgruppe“ mit den drei Ex-Weltmeistern nicht verloren, und wurde sogar Gruppensieger. Das bereits ausgeschiedene England trat mit einer auf neun Positionen veränderten Mannschaft an, also nur noch „im zweiten Anzug“, wie man so sagt. (Wenn nicht gar im dritten.) Es kam über ein 0:0 nicht hinaus. Costa Rica, das schon vorher qualifiziert gewesen war, riss sich kein offensives Bein mehr aus, sondern nahm das Spiel gegen die englische Ersatzbank, jetzt da es im Turnier nicht mehr weiterhin so unterschätzt werden wird, zum Anlass, eine zweite gründlich eingeübte, eine ausgeprägte Defensivtaktik noch einem Praxistest zu unterziehen. Die Abwehr der Ticos stand auch wirklich bombenfest. Mit dem Titel Griechenlands bei der EM 2004 wurde schon einmal bewiesen, dass man so auch ohne Stars und beste Techniker sehr, sehr weit kommen kann. Aber attraktiv, das sagt übrigens auch meine Partnerin, war das sture sich nur Hintenreinstellen nicht.

Kontinente bewerten

Abends um zehn stehen die Entscheidungen in der Gruppe C an. In dem einen Match tritt Kolumbien wieder sehr überzeugend auf und fegt mit seinem dritten Sieg und einem auch in der Höhe verdienten 4:1 Japan vom Platz. Das Parallelspiel ist spannender: Dort kämpfen im direkten Duell Griechenland und Cote d'Ivoire um den zweiten Aufstiegsplatz in der Gruppe. Bis kurz vor Schluss steht es 1:1, was für die Ivorer reichen würde. Aber dann bekommt Griechenland einen nicht unumstrittenen Elfmeter zugesprochen, kann ihn verwandeln, und entscheidet das Duell doch noch für sich.

Mit den heutigen Entscheidungen setzen sich bestimmte kontinentale Trends bei dieser WM fort. Die FIFA denkt in Kontinenten. Sie richtet den Qualifikationsmodus nach Kontinenten aus. Sie verteilt die Startplätze nach Kontinenten. Sie legt oft auch schon mal die Anstoßzeiten nicht sportphysiologisch vernünftig, sondern ausgerichtet auf die großen Wirtschaftsräume, auf deren Fernsehkonsumenten und die jeweilige Kaufkraft aus.

Mit Kolumbien ist heute bereits der fünfte von sechs südamerikanischen Teilnehmern ins Achtelfinale aufgestiegen. Der sechste, Ecuador, hat morgen ebenfalls noch eine gute Chance. Liegt es am Klima? Liegt es am zahlenmäßig größeren Support der nicht von gar so weit heranzutransportierenden Fans in den Stadien? Oder erleben wir gar eine Renaissance des leidenschaftlichen lateinamerikanischen Fußballs? Wie auch immer man es interpretiert - der Hinweis, dass noch niemals eine europäische Mannschaft in Lateinamerika hat Weltmeister werden können, darf an dieser Stelle jedenfalls nicht fehlen.

Auf der anderen Seite ist mit Japan schon wieder ein Team aus der asiatisch-australischen Föderation gescheitert. Australien ist bereits raus. Südkorea und der Iran blüht wohl dasselbe Schicksal, denn sie haben nur noch eine theoretische Chance aufs Weiterkommen.

Der fast schon komplette Triumph auf der einen Seite, der fast schon sichere komplette Ausfall auf der anderen, jetzt schon, da erst die Hälfte der Gruppen fertig gespielt sind, sind sehr wohl beachtliche Trends.

Bei den restlichen drei großen Wirtschaftsräumen, bei Afrika, Europa und Nord- und Zentralamerika, ist noch so einiges offen bei den Spielen morgen und übermorgen. Aber wie die Entscheidungen im Detail auch ausfallen mögen - klar ist jetzt schon, dass sich diese drei Wirtschaftsräume in solch einer Statistik eher im Mittelfeld wiederfinden werden. Viele dieser Mannschaften haben sich, wie es gern heißt, „eher schwer getan“. Die Teilnehmer aus diesen drei Kontinenten werden sich etwa zur Hälfte, mehr oder weniger, fürs Achtelfinale qualifizieren können.

Interessant ist dabei, dass das notorisch bevorzugte Europa mit seinen dreizehn Teilnehmern, wovon im Moment vier weiter und fünf ausgeschieden sind, (ausgesprochene Kapazunder darunter,) und die restlichen vier noch rittern oder zittern müssen, eine ähnliche Erfolgsquote haben dürfte wie das notorisch benachteiligte Afrika mit seinen nur fünf Startplätzen (bei einer x-mal größeren Fläche und Bevölkerungszahl des Kontinents und einer etwas höheren Anzahl von dort betriebenen Staaten). Von den fünf afrikanischen Teilnehmern sind bis jetzt zwei definitiv ausgeschieden, Ghana steigt vielleicht noch, Algerien und Nigeria mit einiger Sicherheit auf. Die Erfolgsquoten der europäischen und der afrikanischen Starter sind also in etwa gleich. Aus sportlicher Sicht sollte damit, könnte man meinen, die unterschiedliche Behandlung bei der Vergabe der Startplätze erledigt sein. Es gibt da nicht mehr auf der einen Seite einen Kontinent voller fußballerischer Entwicklungsländer, denen man gönnerhaft auch noch eine Handvoll Startplätze zubilligt, und auf der anderen Seite den Mutterkontinent des Fußballsports, dessen Mannschaften jene Exoten regelmäßig an die Wand spielen. Nein, aus Afrika wie aus Europa kam jetzt jeweils etwa die Hälfte der Teilnehmer weiter.

Um unsere Kontinentalbewertung zu vervollständigen: In Nord- und Zentralamerika stellen die nur vier bewilligten Startplätze nicht gar so eine große Ungerechtigkeit dar. Da gibt es zwar ebenfalls, zum Beispiel in der Karibik, jede Menge Staaten. Diese dürften aber tatsächlich nicht so eine große Fußballtradition haben, dass sie bei solch einem Turnier halbwegs konkurrenzfähig mithalten könnten. Die Erfolgsquote der vier Teilnehmer aus diesem Raum ist aber überraschenderweise ebenso hoch, wenn nicht sogar noch höher als die der Europäer und Afrikaner. Mexiko und Costa Rica sind bereits weiter, Honduras hat noch eine kleine, die USA haben noch sehr reelle Chancen. Wenn sie übermorgen gegen Deutschland ein Unentschieden oder mehr erreichen, kämen aus dem Wirtschaftsgroßraum Nord- und Zentralamerika beachtliche 75 Prozent, oder sagen wir es einfacher: drei von vier Teilnehmern weiter.

12 Stars

Schon ausgeschieden - diese zwölf Starkarten
kann ich gleich wieder aussortieren.


Auf ein Problematisches an der kontinentalen Sichtweise hat mich ein Freund hingewiesen. Ihm ist aufgefallen, dass die WM-Reporter oft, wenn sie von den Nigerianern, den Ivorern oder Kamerunern sprechen, die Umschreibung verwenden: „die Afrikaner“. Bei den Deutschen, den Engländern oder Griechen hingegen hört man das praktisch nie, (außer natürlich, wenn gerade von Kontinentalvergleichen die Rede ist,) dass ein Reporter zum Beispiel sagen würde: „Der Schiedsrichter entscheidet zugunsten der Europäer.“ Ob diese Verallgemeinerung, hatte er in den Raum gestellt, nicht eine fortdauernde Exotisierung wäre der „Spieler vom schwarzen Kontinent“?

Ich musste ihm Recht geben. Da ist sicher viel dran. Ich hatte es aber auch relativiert. Denn angesichts der Benachteiligung durch die FIFA wie auch durch die weltwirtschaftliche Situation, hatte ich argumentiert, würden viele afrikanische Spieler sehr wohl außer für ihr Land auch noch für den afrikanischen Kontinent ins Spiel gehen. Denn jedes gute Ergebnis eines afrikanischen Teams zeigt auch auf, dass der historisch bedingte Rückstand Afrikas nicht unumkehrbar ist und nicht zuletzt erhöht es auch den Druck auf die FIFA und auf einen zunächst wenigstens sechsten afrikanischen Startplatz.

„Na, ich weiß nicht“, hatte mein Freund entgegnet. „Ich habe auch Anderes gesehen. Kamerun: Ein zwischen den Stars und den Nobodys völlig zerstrittenes Team, das sich am Ende des Spiels gegenseitig an die Wäsche geht. Oder die Ivorer, deren durchschnittliche Laufleistung, wie es in einer eingeblendeten Statistik zu sehen war, fast um die Hälfte niedriger lag als die Laufleistung anderer Teams. Sich für den afrikanischen Kontinent den Haxen ausreißen schaut anders aus. Ich will damit ja gerade nicht generalisieren und dieses dem ganzen Kontinent unterschieben. Ghana, Algerien und (aus einer besonders schwierigen Situation heraus) Nigeria spielen ein hervorragendes Turnier. Aber genau wenn dies nicht passiert, was du da beschreibst - dass sich die afrikanischen Spieler bewusst oder auch ungewollt für ihren ganzen Kontinent in die Bresche werfen -, genau dann neigen ja diese Reporter zu ihren Verallgemeinerungen und sagen Sachen wie: `Jetzt fangen die Afrikaner auch noch damit an, sich zu prügeln.´ Hat man das je so gehört vom französischen Team, bei der WM vor vier Jahren: `Die Europäer haben dem Trainer die Zusammenarbeit aufgekündigt und sind untereinander heillos zerstritten´?“

Nein, es stimmt schon. Da hat mein Freund ganz recht.

25. Juni 2014

Nigeria - Argentinien 2:3
Bosnien-Herzegowina - Iran 3:1

Honduras - Schweiz 0:3
Ecuador - Frankreich 0:0



Hedonismus mit Hindernissen

Etwa hundert österreichische Staatsbürger, entnehme ich der Zeitung, dürften am Verlauf der Weltmeisterschaft nicht sonderlich interessiert sein. Wahrscheinlich sind es auch noch mehr, aber bei diesen hundert ist sicher davon auszugehen: Etwa hundert Österreicherinnen und Österreicher sind nach Angaben des Verfassungsschutzes nach Syrien gereist, um dort am Dschihad teilzunehmen oder sich für eine spätere Himmelfahrt ausbilden zu lassen. Etwa die Hälfte von ihnen, heißt es da weiter, ist wieder zurück in Österreich.

Na sauber, denke ich mir. Da wandelt jetzt so manche Zeitbombe unter uns, die die eigene Perspektivlosigkeit zur ideologischen Mission umdeklariert hat und die sie uns jetzt allen aufdrücken möchte. Und wenn es ein paar von denen auf der Reise geschafft haben, außer der Ausbildung zur Bombenfachkraft auch noch die Rente für ihre Märtyrerhinterbliebenen in spe klarzumachen, wie es dort bekanntlich offeriert wird - na servas! Aber wenn wir nun angesichts dessen in Schockstarre verfallen, hatte ich mir weiter gedacht, dann hätte der Terror sein Ziel schon erreicht. Und so vertraute ich mich dann doch gleich wieder den Fähigkeiten des Verfassungsschutzes an, außer unserer Verfassung auch noch unsere Lebensfreude zu beschützen, und gab mich dem westlichen Hedonismus hin, und sah fern.

Argentinien ist schon weiter. Nigeria braucht, falls der Iran im Parallelspiel gewinnt, noch ein Unentschieden. 3. Minute: Messi schießt für Argentinien das 1:0. 4. Minute: Ahmed Musa erzielt den Ausgleich. Kurz vor der Pause: Messi bringt mit einem Freistoß wieder Argentinien in Front. Kurz nach dem Seitenwechsel: Musa trifft erneut und es steht 2:2. Wieder drei Minuten später: Diesmal bringt Rojo die Argentinier mit 3:2 in Führung. Bis zum Schluss rennen die Nigerianer verzweifelt gegen die Niederlage an.

Die Nigerianer sind wirklich schwer vom Schicksal geschlagen. Außer dem Selbstmordanschlag eines islamistischen Fanatikers auf ein Public Viewing in Nordnigeria haben zwei im Team jetzt auch noch den unerwarteten Tod ihres Bruders zu verkraften. Sie hatten überlegt, abzureisen. Sie waren geblieben und wollten weiter spielen, für den Bruder, für die Leute in der Heimat. Vor diesem Hintergrund haben sie die meisten neutralen Zuschauer auf ihrer Seite. Aber der Ausgleich zum 3:3 will und will nicht fallen. Sollten die so arg geplagten Afrikameister tatsächlich schon in der Vorrunde ausscheiden?

Doch dazu hätte der Iran im Parallelspiel gewinnen müssen. Es wäre das erste Mal gewesen, dass ein iranisches Team über die Gruppenspiele hinauskommt. Aber zu einem Ersteintrag in die Fußballgeschichtsbücher kommt heute nur der Gegner: Bosnien-Herzegowina - WM-Neuling, weil es eben den Staat auch noch nicht lange gibt - ist zwar bereits vor der Partie ausgeschieden, kann aber mit seinem unbekümmerten Angriffsfußball ein 3:1 über den Iran erreichen und verzeichnet damit den ersten Sieg in seiner WM-Historie. Und so kommt dann doch noch Nigeria als Gruppenzweiter weiter.

Bevor es zur Werbung und zu den Nachrichten geht, tanzen wieder die halbnackerten Hupfdohlen durchs Studio. Sie sind wohl doch nicht, wie in den sozialen Netzwerken gemutmaßt, aus Brasilien entführt und zu den folkloristischen Darbietungen im ORF-Studio gezwungen worden. Offenbar erfüllen sie ganz reguläre Verträge. Im Standard war dazu heute unter der Überschrift „ORF-Räte: `Fremdschämen im Sport´“ zu lesen: -

„Dreimal schon musste TV-Direktorin Kathrin Zechner `eingreifen´ beim WM-Sport des ORF, sagt sie beim Publikumsrat. Zuallererst für die leicht bekleideten, Pausen füllenden Sambatänzerinnen. (...) Eva Blimlinger sieht die `Go-go-Tänzerinnen´ `scharf am Rande des Sexismus´. (...) [ Der ORF-Rat ] Beppo Mauhart sieht `das Gehopse an der Grenze der Peinlichkeit´. [ Sein Kollege ] Willy Mernyi verspürt `Fremdschämen pur´. Der ÖGB-Mann rätselt über die ORF-Sportredaktion: `Was ist das für ein Bild vom Publikum vor dem Fernseher?´“ -

Das letztere Argument finde ich nicht sehr überzeugend. Denn es gibt ja tatsächlich auch dieses einfacher gestrickte Publikum, das zum Beispiel auch notorisch Probleme mit dem Dativ hat und ihm grundsätzlich falsch verwendet, oder das sich auch nicht von Unterforderung bedroht sieht und den Sender wechselt, wenn Prohaska wieder eine seiner Spielanalysen einleitet mit den Worten: „Ich denke ganz einfach, dass …“

In der Gruppe E dann, später am Abend, ist Frankreich schon weiter, schont fünf Stammkräfte und hat ja auch den gelbgesperrten Yohan Cabaye zu ersetzen. Es tritt also im zweiten Anzug an. Sein Gegner Ecuador matcht sich im Fernduell mit der Schweiz um den zweiten Platz, und auch deren Gegner Honduras hat mit einem sehr hohen Sieg und vorausgesetzt, Frankreich gewinnt sein Match, noch eine Chance aufs Weiterkommen. Beides passiert nicht. Die zweite Mannschaft Frankreichs erreicht gegen Ecuador ein torloses Unentschieden. Und der Schweizer Trainerfuchs Othmar Hitzfeld nimmt die Gelegenheit zur Wiedergutmachung nach der 2:5-Schlappe gegen Frankreich beim Schopf. Nach dem überzeugenden 3:0 gegen Honduras geht er jetzt doch nicht schon morgen, sondern erst in ein paar Tagen oder spätestens nach dem Finale in den Ruhestand. Und der in der Schweiz für die bisherigen Auftritte hart gescholtene Spielmacher Shaqiri meldete sich eindrucksvoll zurück und erzielte alle drei Schweizer Tore, eines davon per Elfer.

Es folgen die Spätnachrichten. Front-Ex, die EU-Agentur für massenhaft letale Wohlstandsverweigerung und Abschottung im Mittelmeer, verfasst keine Tagesberichte, aber wenn sie denn welche verfassen würde, dann hätte auch der heutige wieder bestehen können aus nur den vier Worten: „Im Süden nichts Neues.“

26. Juni 2014

USA - Deutschland 0:1
Portugal - Ghana 2:1

Südkorea - Belgien 0:1
Algerien - Russland 1:1



Neue Medien

Haben sie schon miteinander telefoniert? Werden sie noch miteinander telefonieren? Jürgen Klinsmann, der Trainer des US-Teams, und Jogi Löw, einst sein Assistent fürs Taktische, heute Trainer bei den Deutschen, konnten die Frage schon nicht mehr hören.

Warum so gefragt wurde, war klar. Die Konstellation vor der Begegnung ihrer Teams war exakt die gleiche wie bei der „Schande von Gijón“ 1982: Wenn sich die USA und Deutschland heute unentschieden trennen würden, würden beide aufsteigen und Ghana würde, wie einst Algerien, in die Röhre schauen. Wer bei dem Spiel auf ein Unentschieden gewettet hatte, hatte nicht die besten Quoten zu erwarten …

Aber nein! Sie hätten nicht miteinander telefoniert, wurde offiziell verlautbart, und Profis die sie sind, würden die zwei Freunde selbstredend erst nach der WM wieder miteinander telefonieren.

Nicht alle Zweifel waren dadurch ausgeräumt. Was hatte es zum Beispiel mit der App auf sich, die im deutschen Fernsehen beworben wurde und von jedermann gratis herunterzuladen war? Mit der App konnte man jetzt in Eigenregie bei den Übertragungen, oder auch noch danach, beim Betrachten einer Spielaufzeichnung, zwischen den durchschnittlich sechzehn Fernsehkamerablicken hin- und herschalten. Just vor dem letzten Spiel der US-Boys gegen Ghana war das Angebot freigeschaltet worden. Nichts als ein Zufall?

Vielleicht dient das Angebot gar nicht in erster Linie der allumfassenden Information des Fußballpublikums, über Abseits oder nicht, oder um sich die formschönsten Schwalben oder die brutalsten Fouls und die ärztliche Versorgung danach noch einmal aus der Nähe oder aus der Sicht des Torwarts oder aus der Vogelperspektive ansehen zu können. Bekanntlich halten zwei Kameras auch immer während des ganzen Spiels auf die Trainer drauf. Vielleicht dient die App auch zu einer versteckten Übermittelung von Zeichen?

Das hört sich jetzt vielleicht nach einer kruden Verschwörungstheorie an. Aber wie sonst wäre das Phänomen zu erklären, das man seit dieser WM immer öfter sieht, in der gegenteiligen Situation, wenn dem Gegner also gerade nichts mitgeteilt werden soll: Der Trainer gibt dem Einwechselspieler noch einen Rat mit auf den Weg, und er hält sich dabei die Hand vor den Mund! Oder auch, wenn sich Spieler über eine Freistoßvariante absprechen, tun sie es jetzt immer öfter hinter vorgehaltener Hand. Sie werden doch nicht etwa mit Lippenlesern im Dienste der Gegner rechnen? Ein Schuft, wer Böses dabei denkt!

Vor diesem Hintergrund erscheint die Frage, ob Klinsmann und Löw in letzter Zeit miteinander telefoniert haben, einigermaßen antiquiert. Heute ist es mit jener App leicht möglich, dass selbst noch während des Spiels sich Klinsmann - nur als Beispiel - ostentativ beide Socken richtet und nach oben zieht, was in der Geheimsprache der zwei Freunde bedeuten könnte: „Sollten wir uns jetzt nicht lieber beide mit einem Unentschieden zufrieden geben?“, und Löw, nachdem es ihm vom App-Assistenten zugesteckt wurde, könnte als Antwort - ja, was weiß ich? - zum Beispiel damit anfangen, lange und ausgiebig in der Nase zu bohren, was in der Geheimsprache bedeuten könnte: „Nein! Wir werden beobachtet! Der öffentliche Druck ist groß! Drum lasse ich euch jetzt lieber noch ein Tor einschenken.“ Und wenn er den Ertrag aus der Nase hinterher noch scheinbar gedankenlos verspeisen würde, könnte das heißen: „Die Kröte musst du jetzt noch schlucken, lieber Freund. Aber beim momentanen Stand im Parallelspiel sind wir ja auch beide bei einem 1:0 noch weiter.“

Auch die global agierende Wettmafia wird es sicher nun bald lernen, wie man einen jederzeit frei zu wählenden Kamerablick auf die korruptionsaffinen Spieler in den Stadien gewinnbringend einsetzen kann.

Aber jetzt habe ich mich mit meinen Spekulationen über die neuesten Kommunikationstechniken doch ein wenig verplaudert. Das Spiel zwischen den USA und Deutschland war nicht sehr attraktiv. Es endete mit 1:0 für die Deutschen, und weil im Parallelspiel Ghana gegen Portugal mit 1:2 verlor, kamen die zwei Trainerfreunde Jürgen und Jogi respektive ihre Teams beide ins Achtelfinale weiter.


Zeichensprache?

Eine geheime Zeichensprache? Jedenfalls bleibt heute in den Stadien nichts mehr verborgen.

Ein Geheimfavorit

Journalisten tun es, und auch für die Buchmacher gehört es zum kleinen Einmaleins: von Zeit zu Zeit immer mal wieder eine Rangliste zu erstellen aus den aufaddierten Spielergehältern oder auch dem gesamten Marktwert sämtlicher Kader bei der WM. Das Verfahren ist plausibel, denn der Markt lügt ja nicht. Wenn sich dabei nun aber ein Team in den oberen Rängen wiederfindet, sagen wir auf Platz 3, aus einem kleinen Land mit einer kleinen Liga, das heute auch keine prominente Rolle (mehr) in der Weltpolitik spielt, das auch noch nie eine Welt- oder Kontinentalmeisterschaft gewonnen hat, aber eben offenbar jetzt viele Spieler hat, die zur Zeit als hochbezahlte Legionäre in den besten Ligen der Welt ihr Geld verdienen - dann, ja dann haben wir es mit ziemlicher Sicherheit mit einem „Geheimfavoriten“ zu tun.

Belgien ist gerade ein Geheimfavorit. Über das belgische Team mit den vielen Stars in sämtlichen Spitzenligen wurde jetzt schon so viel gesprochen und geschrieben, dass von einem Geheimfavoriten strenggenommen keine Rede mehr sein kann. Aber klein ist das Land. Es hat noch keine großen Titel, nicht einmal Vizetitel gewonnen. Und die Marktwerte und Jahresgehälter der belgischen Spieler sind unumstößliche Fakten. Also ist Belgien und bleibt Belgien auch weiterhin ein oft genannter Geheimfavorit.

Auch das dritte Gruppenspiel gegen Südkorea hat Belgien wieder gewonnen. Und der Trainer hatte dabei einige Spieler geschont, denn sein Team war schon sicher weiter, und er ließ es im zweiten Anzug antreten. Selbst noch zu zehnt, denn Steven Defour bekam eine Rote Karte, hatte der Zweite Anzug des Geheimfavoriten auch das dritte Match wieder gewinnen können. Das nennt man dann wohl eine „weiße Weste“, ob nun im ersten Anzug angetreten oder im zweiten, und selbst dann noch, wenn es eine Rote Karte gab. Nur mit den Niederlanden, mit Kolumbien und Argentinien teilt sich der Geheimfavorit nach der Vorrunde noch die weiße Weste. Vor aller Welt konnte er damit eindrucksvoll belegen, dass sein Kader ganz mit Recht so teuer und dass er deshalb auch nicht ohne Grund für viele ein Geheimfavorit ist.

Im Parallelmatch ging Russland gegen Algerien schon bald in Führung. Es musste gewinnen, um weiter zu kommen, und beschränkte sich darauf, den Vorsprung über die Zeit zu schaukeln. Der Fußballgott mag das gar nicht. Oft wechselt er dann erbost den Fernsehkanal, manchmal sieht er dem Grottenkick griesgrämig weiter zu und lässt es den Ergebnisverwaltern, mehr von wegen des unergründlichen Ratschlusses denn aus einer Anwandlung von Gnade heraus, trotzdem noch durchgehen. Heute aber - Gott ist groß! - hat er's bestraft, dass es die reine Freude war. Kurz vor Schluss konnte Algerien noch den Ausgleich erzielen und hat sich damit zum ersten Mal - in Argentinien 1982 war es nahe dran und nur an einer Schande gescheitert - für ein WM-Achtelfinale qualifizieren können.

27. Juni 2014

Spielfrei

In einem Video ist festgehalten, wie Victor Halb sich über den spielfreien Tag gerettet hat. Hier der transkribierte Text zu dem Video: -

„Heute ist zum ersten Mal seit zwei Wochen spielfrei, aber WM-Spannung ist trotzdem garantiert, weil ich kann zwei neue Packerl mit WM-Superstars aufmachen. Schaumer mal, was da drinnen ist.“

Wir sehen, wie er das erste Päckchen öffnet. Er zieht die Karten heraus.

„Das habe ich noch nicht: Vincent Company! Das ist gut - Geheimfavorit Belgien!“

Er sieht sich die zweite Karte an.

„Brasilien: auch noch dabei. Den Bernard habe ich, glaube ich, schon. Aber Brasilien ist gut.“

Er sieht sich die dritte Karte an.

„Ghana ist leider schon ausgeschieden - Asamoah Gyan. “

Er sieht sich die vierte Karte an. Die Karte zeigt Andres Iniesta.

„Und Spanien - auch schon ausgeschieden.“

Dann macht er sich an …

„Das zweite Packerl. Immer wenn man für 10 Euro konsumiert beim Supermarkt meines Vertrauens, kriegt man vier Stück. Also jede Karte kostet praktisch 2,50.“

Er entnimmt die vier Karten.

„Marcelo: habe ich zwar schon. Überhaupt sind viele brasilianische Karten mit dabei. Andererseits: Von Costa Rica habe ich noch gar nichts. USA: noch gar nichts. Die sind ein bisschen unausgewogen, was sie da im Vorhinein als Stars qualifiziert haben.“

Er sieht die nächste Karte an.

„Gökhan Inler - das ist gut! Schweiz ist noch mit dabei.“

Er sieht sich die nächste Karte an.

„Tja, Iker Casillas. Mag ich schon sehr gern, ist leider auch schon ausgeschieden.“

Er sieht die letzte Karte an.

„Und Sergio Romero, Argentinien. Habe ich, glaube ich, auch noch nicht. Das ist auch gut. Das waren jetzt schon viele Treffer, finde ich.“

(Ende der Video-Transkription.)

Und dann hatte er sich aus den schon genannten privaten Gründen auf eine Reise nach Deutschland begeben, und das Viertelfinale würde er sich aus der dortigen Perspektive geben …

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