Als ich in den Großen Salon kam, war der Frühstückstisch schon gedeckt. Blubbernd lief die Kaffeemaschine. Gunter las Zeitung. Lederhut blätterte mit missmutigem Gesicht in der Aphorismensammlung, welche ich der Seminarbibliothek beigegeben hatte. – – –
[ Aphorismen zum Frühstück ]
Kommst Du mit Arbeit in Berührung,
denk daran:
Immer schön langsam!
Was die nur immer haben
mit ihren „Synergieeffekten“?
Die DDR war sowohl hinsichtlich des in Gemeinschaft
begangenen Diebstahls an Gemeineigentum
als auch auf staatlicher Ebene
nichts als ein einziger großer Synergieeffekt.
Und was hat ihr das genutzt?
Der Kapitalismus hat auch ein Gutes:
Er vernichtet Arbeitsplätze.
Eine Zeitung hat insofern mit „Zeit“ zu tun,
als sie in der Lage sein kann,
uns ein ganzes Universum an Blödheit aufzuschließen.
Wo der Staat gedenkt,
wird Geschichte verrenkt.
Wenn wir die Greenwich-Normalzeit
dereinst in einer Kommandoaktion zerstören werden,
sei bitte einmal pünktlich!
Was ist das für eine Erkenntnis,
bei der ich auf das Lebendige
mit dem Seziermesser eindringe?
Statistik ist das Ablegen von Wahrnehmungen.
Die Pendelgesetze erlauben es Dir, auszurechnen,
wie schnell Dein Pendel auf dem Mars pendeln wird.
Die identischen Windverhältnisse freilich immer vorausgesetzt.
Mathematik:
Raum und Zeit minus Menschheit gleich Null.
Rein statistisch gesehen
bist Du heute wieder ganz unwahrscheinlich!
Alltag:
An dem sich mit dem All beschäftigt wird.
Riech ich da nicht ein anti-esoterisches Naserümpfen?
Die Diagonale wirkt nur dort dynamisch,
wo vorher kadriert wurde.
Als der Dichter bloß verdichtet hat, hat er sich da verdichtet?
Aber gewiss doch will ich die Welt verändern!
Ich will nicht nur philosophieren.
Aber ohne zu philosophieren, das weiß ich, geht es nicht.
Religionsfreiheit ist die Freiheit, dumm zu bleiben.
Wenn es stimmt, was Nietzsche sagt,
und vieles spricht dafür,
dass es eine Herrenmoral gibt und eine Sklavenmoral,
dann soll die Sklavenmoral die unsere sein!
Pathos ist ein durch Denken angeschwollenes Gefühl.
Heideggers großes Verdienst:
Das Zeitliche gesegnet zu haben.
Was die Wahrheit angeht –
wahrhaftig bin ich bis zum Geht-nicht-mehr.
Betrachten wir die Utopie
als Ideologie,
verschwindet sie. – – –
Ich fragte Lederhut, warum er so übelgelaunt drein schaue und ob er schlecht geschlafen hätte. Er antwortete, es läge an den "Sinnsprüchen". In jenen vor allem, die als geistvolle Wissenschaftskritik daherkämen, sei eine Uneindeutigkeit, die ihm sehr zuwider sei. Wenn nach dem Frühstück die "Zeit in der Philosophie" als Thema anstünde, hege er schwerste Befürchtungen für die Diskussion, falls ich nicht gedächte, mich weit entschiedener gegen jede Nähe zum Irrationalismus abzugrenzen.
Ich hasse das Zeug, aber demonstrativ schmierte ich mir ein Tofubrot. – – –