Vor ein paar Tagen ist auch der letzte aus dem Lektoratspersonal noch in die Sommerferien verschwunden. Der Zufluss an Manuskriptkollegen ebbt aber kaum ab. Die Zustände hier werden allmählich unerträglich!
Erst wurden die Fensterbretter bis fast hinauf an die Decke mit den Neuankömmlingen beladen, sodass jetzt kaum noch Tageslicht in die Räume dringen kann. Dann wurde auch noch damit begonnen, die Neuen einfach irgendwohin, zum Beispiel auch auf unserem Stapel oben drauf, abzuladen. Dies bringt die reguläre Reihenfolge, nach der wir bearbeitet hätten werden sollen, ganz irreparabel durcheinander. Der überschlagsweise errechnete Zeitplan, nach dem jeder von uns hätte dran kommen sollen, ist durch die Urlaubszeit eh obsolet geworden. Die Stimmung unter den Manuskriptkollegen ist ganz gedrückt und im Keller.
Schon seit langem habe ich jetzt keine Absagen mehr bekommen. Ich nehm’s als gutes Zeichen. Wahrscheinlich bin ich hier und da doch in die engere Auswahl gerückt. Wahrscheinlich überlegen sie noch. Wahrscheinlich wird der eine oder andere Verlag demnächst über den Auszug hinaus das ganze Manuskript anfordern?
Doch, ich bin da sehr zuversichtlich, dass es diesmal klappt. Nie hatte ich beim Schreiben einen besonderen Wert darauf gelegt, dass sich meine Texte gut verkaufen müssen. Aber ohne dass ich es also gezielt darauf angelegt hätte, denke ich bei meinem neuen Buch doch, dass es sich gut vermarkten lässt. Es liest sich leicht und flüssig, fast wie ein gewöhnlicher Reisebericht. Es ist spannend, geistreich, witzig. Es funktioniert auf verschiedenen Ebenen und hat dadurch Tiefe, was ihm, wenn mich nicht alles täuscht, auch günstige Kritiken bescheren dürfte, von den kundigeren Rezensenten jedenfalls. Reiseliteratur verkauft sich auch immer gut; dazu hat’s noch einige hübsche Lyrik in dem Buch; dazu noch, unaufdringlich und grad im rechten Maß, ein bisschen Philosophie. Wenn’s auch nur halbwegs mit rechten Dingen zugeht im Literaturbetrieb, dann werden sie es einfach nehmen müssen.
Bei meinen bisherigen Büchern – das weiß ich selbst! – war das oft nicht der Fall. Meine Frühwerke, die ersten zwei, drei Bücher … ja, das waren eben noch Frühwerke. Als solche finde ich sie zwar immer noch nicht uninteressant, aber ich weiß jetzt auch selbst: als ich die schrieb, war ich noch Anfänger und auf der Suche nach dem eigenen Stil. (Freilich war ich deshalb nicht um einen Deut weniger erbost, wenn mir die Bücher von den Verlagen abgelehnt worden waren. Aber das liegt in der Natur der Sache …)
Mein Zeit-Buch hatte dann erstmals die nötige Substanz. Es war zwar formal eigenwillig, aber schon recht solide gearbeitet. (Auch wenn es aufgrund seines anspruchsvollen Themas die Redaktion durch einen fähigen Lektor oder eine fähige Lektorin, um zum wirklich guten Buch zu werden, noch nötig gehabt hätte.) Aber insgesamt war mir das „Zeit-Seminar“ doch auch sehr diffizil und kompliziert geraten, bestimmt nicht leicht zu lesen, so dass es sich nicht gerade in Massen verkauft hätte. Weshalb ich mich bei diesem Buch über Absagen von den Verlagen auch nicht groß zu wundern brauchte.
Mein letztes Buch, „Vom Mann, der keine Fehler mehr machen wollte“, beruhte bereits ebenfalls schon, wie jetzt wieder der „Philosoph auf Reisen“, auf einem, könnte man sagen, radikalliterarischen Selbstversuch. Aber im Gegensatz zum auch anderswo in der Literatur nicht unüblichen Versuchsaufbau beim „Philosoph auf Reisen“, dass sich einer auf Reisen begibt praktisch ohne Geld, handelte der „Mann, der keine Fehler mehr machen wollte“ weitaus negativer und bis hin zur Selbstzerstörung davon, was passieren würde, wenn jemand sich entschließen würde, mit jeder Arbeit, mit jeder Lohnarbeit ein für allemal aufzuhören. Entsprechend rigoros und kaum gut kompatibel mit der allerorts herrschenden Spaßkultur war mir das Buch auch geraten, und weil ich es a) politisch zu radikal fand für fast alle Verlage und b) diese Arbeit wider die Mehrwertschöpfung am Ende dann doch einzuspeisen in die Mehrwertschöpfung einen Fehler gefunden hätte, hatte ich es mit dem „Mann..“ bei den Verlagen, bis auf wenige, begründete Ausnahmen, gar nicht erst versucht. Ich will mich dieser Konsequenz gar nicht groß rühmen. Ich hätte mit dem Buch nur eh keine Chancen gehabt.
Aber mit dem „Philosoph auf Reisen“ verhält es sich jetzt anders. Es ist mit Sicherheit mein bestes Buch bisher. Vor allem kommt es nicht so negativ daher. Für Leute, die sich entschlossen haben, positive zu thinken, ist wahrscheinlich nicht auch nur die Spur von Negativität darin zu entdecken. Es ist für jeden etwas dabei. Entsprechend gut dürfte es sich auf dem Markt auch verkaufen. Wenn’s auch nur halbwegs mit rechten Dingen zugeht im Literaturbetrieb, dann werden sie es einfach nehmen müssen.