Das war 2006 - Weblog-Archiv

23. Juni 2006

Eine Kurzrezension

Eine geübte Websurferin weist mich auf eine wohlwollende Kurzrezension meines „Literarischen Zeitvertreibs Nr. 6“ im E-Zine „Zeitriss“ hin. Dort finden sich in einer Rubrik alle möglichen abseitigen Druckerzeugnisse besprochen. Über den „Literarischen Zeitvertreib“ heißt es da:

Literarischer Zeitvertreib (c/o Bücherkiste, Schlehengasse 6, 90402 Nürnberg, 2 Ausgaben (Nummern angeben) für 10,– DM inkl. PP) ist, der uns vorliegenden Nr. 6 vom Oktober 1997 nach zu schließen, ein umfangreiches ‚Flugblatt‘ mit süffisanten Kommentaren eines mutmaßlichen Einzelgängers aus dem linken Spektrum zu aktuellen politisch-kulturellen Vorgängen (hier z.B. die documenta X, die RAF-Kolportage Todesspiel, rassistische Übergriffe der Nürnberger Polizei), die trotz eines regionalen Schwerpunkts häufig scharfsichtige und zudem süffig-pointierte Kommentare zur Schieflage der Nation liefert.

Ich danke für den Hinweis. Der „Literarische Zeitvertreib Nr. 6“ – seinerzeit erschienen in einer handfotokopierten und handgehefteten Auflage von 100 Stück – ist jedoch seit ca. sechseinhalb Jahren leider schon vergriffen.

30. Juni 2006

Nicht gedruckt soll er werden

Wenn ich mir das fertige neue Buch so ansehe und darin herumblättere, drängt sich mir der Eindruck auf, dass ich die Unterzeile auf der Homepage, nach der ich einer der tausend besten niemals gedruckten Autoren deutscher Sprache bin, demnächst sicher werde ändern müssen. Es liest sich leicht und flüssig, ist überzeugend aufgebaut, amüsant und witzig, hat dabei auch Tiefgang. Mit einem halbwegs professionellen Marketing ließe es sich gewiss gut verkaufen. Es wird ganz sicher einen Verleger finden. Alles andere wäre fast schon absurd.

Aber einstweilen sträubt sich der Betrieb noch. Einstweilen ist es noch so, wie es mit meinen Büchern immer war und ist. Es könnte sich freilich auch um lauter Zufälle handeln. In gewisser Weise sind es sicher auch Zufälle. Nein, ich glaube nicht an eine bewusste Verschwörung des Betriebs gegen meine Bücher oder gegen meine Person. Aber irgend etwas scheine ich oder scheinen meine Bücher an sich zu haben, was es dem Betrieb permanent nahelegt, uns durchs Draußenhalten nicht beachten zu müssen und durch Nichtbeachtung weiter draußen zu halten. Das Phänomen ist schon seit Jahren konstant zu beobachten, und im Zusammenhang mit meiner gestrigen Wiener Book-Release-Party wirkte es sich nun wieder zu einhundert Prozent aus.

Im privaten Kreis vor allem hatte ich, in Kenntnis der Problematik, zu meiner Buchvorstellung eingeladen; daneben hatte ich – denn neue Proben aufs Exempel sind doch immer wieder gut, und auf frischen Lorbeeren lässt es sich bequemer ruhen – daneben also hatte ich noch exakt drei öffentliche Ankündigungen geschaltet. Bzw.: schalten wollen …

1. Für den Veranstaltungskalender des Standard einen Brief persönlich beim Pförtner abgegeben. Bei der zuständigen Redakteurin Frau Affenzeller telefonisch mich noch vergewissert, ob das Schreiben angekommen wäre und ob der Termin veröffentlicht würde. Sie sei im Urlaub gewesen, hatte sie gesagt, und hätte den Berg an Terminhinweisen aus ganz Österreich, der sich in der Zwischenzeit angehäuft hätte, noch nicht abarbeiten können. An meine Zuschrift erinnere sie sich jedenfalls nicht. Ich schlug ihr daraufhin vor, den Veranstaltungshinweis per Email noch einmal zu schicken. Sie stimmte zu und gab mir die Adresse. Resultat im Standard am 29. Juni: Wien – Literatur – Weinhaus Sittl – 19 Uhr – dann nicht meine, sondern die Homepage-Adresse desjenigen, der dort des öfteren und üblicherweise die Literaturveranstaltungen macht – und dann noch ein vielsagendes Wort: „Buchvorstellung“. Und Schluss. Kein Titel des Buchs. Kein Autor. Nicht gedruckt soll er werden……

2. Beim Wiener Stadtmagazin Falter kann normalerweise nichts schief gehen. Man gibt dort die Angaben für Veranstaltungsankündigungen höchstselbst elektronisch in ein dafür vorgesehenes Formular ein. Resultat dessen, in meinem Fall: am 29. Juni gab es laut Falter im Weinhaus Sittl eine „Buchvorstellung: Philosoph auf Reisen“. Man könnte nun sagen: immerhin. Aber meine Homepage mit weiteren Infos wurde unterschlagen. Kein Name des Autors wurde im Falter angegeben. Nicht gedruckt soll er werden …

3. Beim linken Wiener Newsletter MUND – medienunabhängiger Nachrichtendienst habe ich es ebenfalls versucht. Darin finden sich regelmäßig auch zahlreiche kulturelle und auch rein kommerzielle Veranstaltungshinweise, wie z. B. die Programme diverser alternativer Theater. In der entsprechenden Ausgabe des MUND stand dann im Anhang eine Bemerkung – wie sie da alle paar Jubeljahre mal vorkommt –: dass ein Albert Brandl, der die betreffende Ausgabe zusammengestellt hatte, zwei Beiträge für „nicht widerstandsrelevant“ erachtet und sie deshalb in die MUND-Ausgabe nicht aufgenommen hat. Der meine musste jedenfalls darunter gewesen sein, und so schrieb ich ihm die folgende Email:

Sehr geehrter Herr Brandl,
sollte meine Ankündigung von der Buchvorstellung „Philosoph auf Reisen“ unter die beiden Ihres Erachtens nicht widerstandsrelevanten Beiträge gefallen sein, die Sie nicht in den von Ihnen erstellten MUND aufgenommen hatten, so möchte ich hiermit schärfstens protestieren.
Sie können zwar nicht wissen, dass mein Buch zuvörderst eine Auseinandersetzung oder auch Fortschreibung von Walter Benjamins Philosophie ist, den als nicht widerstandsrelevant zu bezeichnen schon reichlich dreist wäre.
Aber Sie hätten sich auf meiner in dem Text erwähnten Homepage leicht davon überzeugen können, dass ich mich mit ALLEN meinen Büchern - auch - auf widerstandsrelevantem Terrain befinde.
Vor allem finde ich es auch sehr seltsam, dass Sie sich nicht an die MUND-eigenen Vorgaben gehalten haben, gemäß derer nämlich solcherart Zensurmaßnahmen wenigstens dem Betroffenen in einer Email mitgeteilt werden sollten. Eine solche habe ich nicht erhalten, und so bin ich nun auf Spekulationen angewiesen, was hinter der Zensurmaßnahme steckt: ob Ihnen nun beim Wort „Philosoph“ in meinem Buchtitel die Eingebung kam, dies könne wohl nicht widerstandsrelevant sein, oder ob Ihnen die Benjaminsche Richtung unbekannt ist, oder ob meine Art, Politik und Kunst und Literatur zu verknüpfen, vielleicht nicht in Ihr Konzept passt, oder was sonst hinter dieser letztendlich willkürlichen Zensurmaßnahme stecken mag.
Denn es ist ja nicht so, dass in Ihrem Verteiler nicht auch auf kulturelle und auch „kommerzielle“ Veranstaltungen hingewiesen würde. Wenn ich nun unter eine solche Zensurmaßnahme falle, die normalerweise dazu dient, Rassisten, Sexisten etc. aus Ihrem Medium fernzuhalten, dann finde ich dies schlicht empörend, und ich fordere Sie hiermit dringend auf, meinen Ankündigungstext im Rahmen Ihres Mediums der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Leute selbst entscheiden zu lassen, ob sie eine solche Veranstaltung für widerstandsrelevant erachten oder nicht.
Mit freundlichen Grüßen,
Victor Halb

Kurze Zeit später traf per Email Brandls Antwort ein. Darin hieß es lapidar:

tut mir leid, dass ich ihren beitrag als „nicht widerstandsrelevant“ bewertet habe. zur zeit gibt's leider relativ viel zu tun, wie sie an der länge des mund sehen können, und da passiert es mir manchmal, dass ich beiträge nicht aufnehme, die bei genauerer betrachtung schon in den mund passen würden.

Kein Wort dazu, ob meine Veranstaltung jetzt noch veröffentlicht würde oder nicht.

Bis zum 29. Juni gab es dann aber keine weitere Ausgabe des MUND mehr. Üblicherweise erscheint er zwar täglich. Aber im Moment haben sie dort sommerliche Personalprobleme und so können sie sein tägliches Erscheinen zur Zeit nicht bewerkstelligen. Was für mich nur leider einmal mehr darauf hinauslief: nicht gedruckt soll er werden …

Und also waren dann bei der gestrigen Book-Release-Party logischerweise (fast) bloß mir persönlich Bekannte zugegen. Es war aber trotzdem recht nett. Der Gastgarten war hinreichend gefüllt. Die Stimmung war gut. Der Buchverkauf verlief zufriedenstellend. Und das Buch wird auch so seinen Weg finden. Aber ist es nicht frappant?

Das waren ganz sicher wieder nur drei Zufälle. Ganz gewiss! Nur eine zufällige Zufallsquote von 100 Prozent. Aber der Instinkt des routinierten Schreiberlings, der ihn vor allem Neuen, Anderen warnt und seine Ahnung, dass es da etwas mit seinem simplifizierenden Weltbild nicht völlig Kompatibles geben könnte, sind eben oft auch recht nahe Verwandte des Zufalls.

04. Juli 2006

Liebe Kollegin,

unter dem Betreff „Feedback“ schickst du mir ein Lob für meine gut gemachte und übersichtliche Homepage.

Auch den Tagebucheintrag „Nicht gedruckt soll er werden“ hättest du gelesen, schreibst du dann, und dazu falle dir ein, dass auch kulturelle Veranstaltungen, die in den Massenmedien korrekt angekündigt seien, dadurch nicht unbedingt gut besucht würden. Deine jüngsten Erfahrungen mit diesen Online-Veranstaltungskalendern und jenen in den Zeitungen seien, dass sie doch nur über eine sehr begrenzte Mobilisierungs- und Werbewirkung verfügen würden.

Ich verstehe schon: Das ist als Zuspruch gemeint. Es zielt so aber völlig am Kern der Sache vorbei. Denn intensiv sich um Ankündigungen für seine Veranstaltungen bemühen und diese auch bekommen, von einem Großteil des Publikums dann aber für uninteressant befunden und nicht besucht werden kann schließlich jeder. Sich dagegen intensiv um Ankündigungen zu bemühen und diese aber nicht zu bekommen und so vom Betrieb gar nicht erst die Chance zu erhalten, von einem Großteil des Publikums für uninteressant befunden und nicht besucht zu werden – das ist die Kunst!

08. Juli 2006

Weltmeister der Herzen

Könnte mal jemand die zuständigen Stellen darauf hinweisen, bitte, dass, sich selbst zu „Weltmeistern der Herzen“ zu ernennen, immer ziemlich große Punktabzüge zur Folge hat im Ringen um den begehrten Titel eines „Weltmeisters der Herzen“?

12. August 2006

Echt Grass

Der Grass war bei der Waffen-SS? –
No ja, man muss das verstehen. Man hat, wenn man hat Nobelpreisträger werden wollen, damals da hingehen müssen.

20. August 2006

Ein unbequemer Mahner

Die Riege der Grass-Verteidiger wächst. Eines ihrer Hauptargumente, in mehreren Varianten gehört, lautet, mit aufgebauschter und gespielter Entrüstung ob jener Jugendsünden, die Grass ja doch selbst eingestanden habe und die in der einen oder anderen Weise wohl ein jeder im Keller hätte, solle jetzt „ein stets unbequemer Mahner“ zum Schweigen gebracht werden.

Ein „unbequemer Mahner“ trifft's schon ganz gut. Wie er da regelmäßig immer wieder aus den Medien herausschaute, über die obligatorische Lesebrille hinweg und flankiert vom ins Bild ragenden staatsbürgerlich mahnenden Zeigefinger – ich musste dann immer gleich heftig gähnen, und so einer Gähnattacke sich ausgesetzt zu sehen ist ja gewiss eher unbequem.

22. August 2006

Grass, die dritte

Gestern abend im ORF-Interview hatte Grass klargestellt, dass es ihm ganz recht sei, wenn nun hart über ihn gerichtet werde, und im übrigen hätte er sich den Titel eines „Gewissens der Nation“ ja nicht selbst gewählt.

Letzteres geht ja auch gar nicht. In der Regel kann man sich ja nicht einmal die Nation selbst auswählen. Und wenn einen dann aber die deutsche erwählt hat, und man kann über die damit verbundenen zeittypischen Verstrickungen ganzganz lang nichts sagen, aus tiefer Scham, oder weil man auf den Nobelpreis schielt, nämlich solange, bis man ihn hat, und noch ein bisschen darüber hinaus, um dann schließlich aber doch noch öffentlichkeitswirksam sich mit ihnen zu befassen, zu einem Zeitpunkt freilich, als die Problematik fast niemandem mehr weh tut, weil die ähnlich und mehr verstrickten fast alle schon ausgestorben sind; aber weil es doch jedenfalls einmal raus musste, erstens das Buch, und zweitens, damit damit auch reiner Tisch ist, und nebenbei waren, das kann man am Autor dann nachvollziehen, bei der Waffen-SS durchaus nicht bloß Mörder, sondern auch jugendliche Verführte dabei, Verblendete wie er, die wahrscheinlich auch, oh tragische Verwicklung!, Mörder geworden wären, aber vorher war, oh glückliche Fügung!, der Krieg auch schon wieder vorbei, und wer damals nicht hätte Mörder werden können, der trete überhaupt vor und werfe den ersten Stein … Wenn also einer in dieser Weise zuerst einmal jahrzehntelang sich schämt bis zur Verdrängung, dann aber doch noch sich dieser schwierigen Materie aussetzt und sich damit auseinander- und sich behelfs ihrer noch kurz vor Ladenschluss wieder neu zusammensetzt und sich also läutert wie sonst nur eine Nation, der muss in der Tat den Titel nicht erst selber reklamieren. Der kriegt ihn auch ganz ohne eigenes Zutun, von mir zum Beispiel, zuerkannt: Gewissen der Nation.

16. September 2006

Das ist große Politik!

Nachdem der Papst als Chef jener großen Sekte, deren im Lauf der Jahrhunderte begangene Verbrechen auf einem einzigen Kerbholz schon gar keinen Platz mehr finden, zum Abschluss seiner Deutschlandreise nun noch herumgemäkelt hat an gewissen Anhängern jener zweiten, weit verbreiteten Sekte, die mit ihrer Lustfeindschaft, ihrem Tugendterror und beim Rekrutieren von Märtyrern zur Zeit ebenfalls schöne Erfolge vorzuweisen haben, können alle Anhänger dieser zweiten Sekte sich jetzt wieder wie beim „Karikaturenstreit“ ganz arg echauffieren und die mutwillig ich-schwache und jetzt wieder ganz arg beleidigte Leberwurst spielen und in aller Welt mit wutverzerrten Gesichtern ihre wortgetreu und also völlig phantasielos abgekupferten Koransuren in die Fernsehkameras halten, da und dort auch einen Konkurrenztempel abfackeln oder zufällig vorbeikommende Ungläubige in einer spontanen Aufwallung lynchen; die gemäßigteren Anhänger der Unvernunft auf beiden Seiten werden daraufhin auch noch zu Wort kommen; der Vatikan wird sicher bald noch konkretisieren und vor aller Welt richtigstellen, und so wird schließlich beiden Seiten damit gedient gewesen sein, denn so bleibt man doch jedenfalls ein Thema.

Und die gröbste Fehleinschätzung ist damit wohl jenen unterlaufen, die dem Papst auf seiner Reise vorgeworfen hatten, er vernachlässige die Ökumene.

19. September 2006

Versteh einer das ungarische Wahlvolk

Versteh einer das ungarische Wahlvolk. Da wurde es über die Jahre hinweg belogen, betrogen und über seine Zukunftsaussichten getäuscht und in Sicherheit gewiegt, wie es in bürgerlich-parlamentarischen Demokratien eben so Usus ist, denn dazu sind sie ja in der Hauptsache da – aber kaum sagt ihm ein Regierungschef mal die Wahrheit, nämlich dass es genau so gewesen ist, da empört es sich, geht auf die Barrikaden und fordert dessen Rücktritt.

27. September 2006

Mozartjahr abgebrochen

Das Mozartjahr wurde jetzt abgebrochen. Denn die Moslems hätten sich durch Fortführung eines solchen in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen können.

Genauer gesagt lag's am Hans Neuenfels. Hätte der in seiner Berliner „Idomeneo“-Inszenierung statt eines abgeschlagenen Kopfes des Propheten Mohammed einen vom Papst Benedikt XVI. auf die Bühne gebracht, die künstlerische Aussage wäre nahezu dieselbe gewesen, die Moslems aber hätten es garantiert nicht gemerkt.

2. Oktober 2006

Nationalratswahlen in Österreich

Weil ich schon als kleines Kind ungefragt mit einer falschen Staatsbürgerschaft versehen wurde, durfte ich ja hier nicht der Wahl eines kleineren oder größeren Parteiübels fernbleiben, sondern ich musste.

Womit aber nicht gesagt sein soll, dass mich der Ausgang der gestrigen Wahlen nicht interessiert hätte. Gut daran fand ich, dass die bisherige Regierung abgewählt wurde. (Es kommt aber bestimmt eine neue.) Schlecht am Ergebnis war dagegen, wie die Kryptogermanen aus zwei verschiedenen Parteien nach einem ekelhaft rassistischen Wahlkampf zusammen mehr als 15 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich verbuchen konnten. Zu so was bin ich echt nicht aus Deutschland abgewandert!

Ein Großteil dieser Stimmen kam übrigens aus Kärnten. Weshalb ich meine hiesigen, mit der passenden Staatsbürgerschaft versehenen Brüder und Schwestern dazu auffordern möchte, ob sie nicht eine Volksabstimmung initiieren könnten mit dem Ziel, dieses unsägliche Kärnten an ein geeignetes Land, nach Slowenien zum Beispiel, abzutreten. Denn es passt einfach nicht in die hiesige Landschaft.

Die andern sonst haben nämlich, so sie denn gewählt haben, in ihrer überwiegenden Mehrheit alle ganz passabel gewählt, mehr oder weniger, und so war's für mich denn doch ein überwiegend anregendes, ein interessantes, ein kompetent und geistreich kommentiertes auch, ein oft witziges, manchmal sogar zum Schreien komisches Fernsehereignis gestern abend, diese Wahlberichterstattung, sodass ich als einer, der sich immer gern gut unterhalten lässt, jetzt nur ganz inständig hoffen kann auf bittschön vorgezogene Neuwahlen.

11. Oktober 2006

Melde mich jetzt erstmal ab und gehe bis zum Ende des Monats ein bisschen reisen. Und wenn ich dann wieder da bin, hätte ich gern von wenigstens einem der Verlage, denen ich meinen „Philosoph auf Reisen“ angeboten hatte, ein Angebot im Briefkasten oder auf der Mailbox, bitteschön.

17. November 2006

Wachsender Unmut

Unter den Wahlberechtigten in meiner Umgebung macht sich Unmut breit. Ständig höre ich jemanden lamentieren darüber, wieviele Euros die österreichischen Spitzenpolitiker jeden Monat verdienen würden, und was das in Schilling wär’, verbunden mit der Forderung, für all das viele Geld sollten sie doch jetzt endlich einmal ihre Große Koalition zustande bringen und sich gefälligst ans Regieren machen.

Ich entgegne dann meist, dass es doch weiterhin eine Regierung geben würde ganz im Gegensatz zum Schilling, den es schon lange nicht mehr gibt; dass sich der Kanzler Schüssel doch sogar sehr zum Positiven gewandelt habe seit der Wahl, weil er seither kein einziges schlechtes Gesetz mehr auf den Weg gebracht hat; dass ich aber auch generell niemandem sein hohes Gehalt neiden würde, und am wenigsten, wenn er es fürs Nichtstun bekommt, denn dann macht er wenigstens auch nichts falsch; und dass ich im übrigen auch gar nicht wüsste, welches zusätzliche Gesetz oder welche Regierungsmaßnahme sonst mir momentan fehlen tät’.

22. November 2006

Die spanische Lösung

Uiuiui, allmählich bläst uns Rauchern auch hier in Österreich ganz schön der Wind ins Gesicht! Kürzlich hat sich auch der Rau, seines Zeichens maßgeblicher Kommentator des Standard, der Sache einmal sehr vehement angenommen.

Wenn wir Raucher zur Verteidigung auf andere gesundheitsschädigende Gebräuche verweisen würden, wie zum Beispiel aufs Autofahren, welches ebenso und mehr noch die Luft verpesten und dazu noch krankmachenden Lärm verursachen würde, ohne dass es deshalb auch nur halb so ernsthaft wie das Rauchen in Frage gestellt werde – das gelte aber überhaupt nicht, hatte uns Rau ins Stammbuch geschrieben, denn wenn zwei Übel konstatiert würden, so müsste man eben sowohl gegen das eine als auch gegen das andere vorgehen. Uiuiui, das hatte aber gesessen, und ich bin jetzt schon sehr gespannt auf Raus nächste Kolumnen, in denen er sich dann mit Verve auch dem Autoverkehr in den Weg werfen wird.

Das Rauchen sei dumm, hatte er weiterhin aufgeklärt. Denn es würde erwiesenermaßen das Leben um durchschnittlich zehn Jahre abkürzen, und zwei seiner Bekannten seien deshalb in letzter Zeit gestorben, und wenn man das so unmittelbar mitbekomme, bekäme die sonst so nackte Statistik plötzlich ein Gesicht.

Dazu sei das Rauchen auch verbrecherisch, gings in dem Text dann weiter, da es ja auch die Nichtraucher schädige, die da überhaupt nichts dafür könnten, und es erfülle somit ganz klar den Tatbestand der Körperverletzung.

Starker Tobak war es, was Rau da von sich gab. Und doch werde ich auch weiterhin rauchen. Denn erstens macht es Spaß. Zweitens schmeckt es mir. Vor allem habe ich, drittens, festgestellt, dass es zu lang anhaltendem und intensivem Denken befähigt.

Dass es gesundheitsschädigend ist, wusste ich bereits. Es steht auf jeder Packung zu lesen. Ich glaub’s auch, was da steht. So dumm, wie Rau mich hinstellt, bin ich nicht. Aber wie und wodurch ich mein Leben verschönere und ob ich es dadurch vielleicht auch abkürze, oder ob ich vielleicht sogar aus irgendwelchen Gründen ganz bewusst rauche, um dieses mein Leben abzukürzen, das geht niemanden etwas an. Es ist allein meine Sache. Wo kommen wir da hin, wenn mir von Kindheit an alles mögliche vorgeschrieben wird, was mich körperlich und psychisch erwiesenermaßen schwer schädigt – jeden Tag früh aufzustehen zum Beispiel, erst um in die Schule zu gehen, dann das ganze Leben über über Gebühr viel zu arbeiten – aber kaum will ich meinen Körper selber, aus welchen Gründen auch immer, schädigen, schon kommt mir jemand mit ’nem Verbot?

Dann zum Problem mit dem Passivrauchen: Es muss ja nicht sein. Kürzlich war ich in Spanien auf Reisen, wo es bereits eine ähnlich rigorose Anti-Raucher-Gesetzgebung wie in Italien oder in einigen Staaten der USA gibt. Und doch praktizieren sie dort – ich weiß gar nicht, ob durch’s Gesetz gedeckt oder als massenhaften Akt des zivilen Ungehorsams – die einzig vernünftige Lösung: Eine große Mehrheit der Gaststätten verkündet mit einem Schild am Eingang, dass das Rauchen in ihnen gestattet ist. Jene sind übrigens die schöneren und weit besser besucht als die andern, vielleicht zehn Prozent der Lokalitäten, wo es am Eingang im Gegenteil heißt, dass in diesen nicht geraucht werden darf. Was wohl daran liegt, dass in letzteren wie gesagt sehr viel weniger Menschen verkehren, die damit nun ausschließen können, durch Passivrauchen geschädigt zu werden, und die dadurch auch tatsächlich ähnlich gesund aussehen wie Herr Rau auf dem Portrait über seiner Kolumne, und ähnlich nichtssagend und langweilig.

Ja, ich halte diese spanische für die vernünftigste Lösung des unsäglichen Konflikts mit diesem Menschenschlag – Segregation und Kennzeichnung der jeweiligen öffentlichen Bereiche, sodass Rau nicht auf Nichtrauer wie mich trifft und wir Raucher und sonstigen Genussmenschen nicht auf Rau und all das doppelmoralige Pack, das nie im Leben ernsthaft etwas gegen die Autopest tun, in seinem vorgeblichen Kampf fürs Gesunde aber auch weiterhin alles tun wird, um die Atmosphäre zwischen rauchenden und nichtrauchenden Genussmenschen möglichst zu vergiften.

30. November 2006

Zweimal katholische Nächstenliebe

Der Papst in der Türkei – Mit meiner Einschätzung, dass es dem Papst mit seiner „Regensburger Rede“ in erster Linie um die Ökumene gegangen war, um die Gemeinschaft der Gläubigen, lag ich offenbar völlig richtig. Umma? Ubäh!

Mit einer Äußerung dagegen vom 17. November lag ich völlig falsch. Ich hatte geschrieben, dass es mir wurscht wäre, ob noch die alte oder schon eine neue Regierung da sei. Denn die alte hätte jedenfalls, hatte ich erläutert, seit ihrer Abwahl kein schlechtes, nämlich überhaupt kein Gesetz mehr gemacht. Jetzt aber hat diese alte, diese bereits abgewählte Regierung doch noch einen Erlass herausgegeben, nach dem im Falle aller nichtösterreichischen Neugeborenen die Auszahlung des Kinder- und Betreuungsgelds solange verweigert werden soll, bis diese sich ordentlich ausweisen können, und dass ihnen auch danach das Geld nicht rückwirkend seit ihrer Geburt zustehen soll.

Das erste ist eine gehässige Schikane von der Art, bei der der ausführende Beamte auch die verfolgende Unschuld geben kann, indem er mit einem Schulterzucken darauf verweisen könnte, dass das bei den österreichischen Kindern auch nicht anders sei: ohne die nötigen Papiere gebe es eben kein Geld.

Aber wie da mit dem zweiten Teil des Erlasses diese Kinder dann eben doch sehr planmäßig vom Staat, und jedes einzelne von ihnen, von Geburt an benachteiligt werden, das ist schon ein selten unverfrorener Fall, heutzutage, von einer perfide gesetzmäßigen wie auch von einer international maßstabsetzenden Exerzierung jenes historisch betrachtet deutschen Prinzips, welches unbarmherzig die Menschen aussortiert nach dem Recht des Bluts, nach welchem ein Menschenkind nicht daran zu erkennen sein darf, dass es geboren, sondern nur, wenn es vom eigenen Schlag ist.

Da geht es um Kinder, verdammt noch mal, die hier unter uns heute, unterstützungsbedürftig, absolut unschuldig und wehrlos, wie Kinder zu Anfang eben sind, auf die Welt kommen. Eine jede menschliche Gemeinschaft fühlt sich für die in sie hinein Geborenen verantwortlich. Aber hier in Österreich werden neue Menschenkinder erst einmal auf ihren Ausweis hin kontrolliert und wenn sie nicht sogenannte „Österreicher“ sind, gleich einmal planmäßig von Geburt an staatlich diskriminiert und von den Behörden materiell benachteiligt.

Abgewählte Regierung, nimm diesen schockierenden und fast unglaublichen Erlass sofort wieder zurück! Und hau überhaupt ab! Denn einen solchen von den Weltläuften lang überholten und leider auch deshalb immer nur noch paranoider und paranoider werdenden Abgrenzungswahn brauchen wir nicht, und wollen wir nicht, und wollen wir zur Zeit in Österreich, das hat die Wahl gezeigt, vor allem auch in der Regierung nicht!

06. Dezember 2006

Aus der Reihe „Nicht gedruckt soll er werden“ heute:

Was meint dazu die jungle Welt?

Allmählich zeichnet es sich ab, dass ich auch mit dem „Philosoph auf Reisen“ wieder keinen Verlag finden dürfte. An sich finde ich das weder ausgesprochen überraschend, noch besonders tragisch. Es überrascht mich nicht, weil meine Literatur eben nicht dazu gemacht ist, einen zufällig einmal gut gelaunten Lektoren noch besser gelaunt zu machen, sodass er in ihrem speziellen Fall ausnahmsweise davon absieht, seine Aufgabe zu verrichten, die darin besteht, all die Dutzende Manuskripte, die ihn täglich erreichen, abzulehnen. Und den zweiten Weg, um zu einem Verlag zu kommen, nämlich irgendwelche sogenannten persönlichen Beziehungen aufzubauen und mich unter eine sogenannte Protektion zu begeben, habe ich ebenfalls nie beschritten. Und tragisch finde ich es auch nicht, denn es geht ja schließlich auch so.

Aber manchmal trifft mich eine Absage doch. Wenn sie zum Beispiel nicht von einem Verlag kommt, dessen Aufgabe es ja nicht zuletzt immer sein wird, alles Nichtmainstreamige im Sinne einer möglichst umfassenden Kalkulierbarkeit niederzuhalten, sondern von einer Seite, die ich an sich für anders agierend und fast schon seelenverwandt gehalten hätte. Die linke Berliner Wochenzeitung jungle world war jetzt so ein Fall.

Schon vor längerer Zeit – der „Philosoph auf Reisen“ war noch im Entstehen – hatte ich dem jungle-world-Feuilleton Auszüge daraus für eine ständige Rubrik angetragen. Dies war aber abgelehnt und ich war ans Ressort „Dossier“ verwiesen worden, wo es allwöchentlich viel Platz für längere Auszüge aus Büchern oder sonstige ausführlichere Abhandlungen gibt. Vor einigen Wochen hatte ich mich mit dem Hamburg-Kapitel aus dem Buch also auch noch dort beworben, und daraufhin hörte ich erst einmal lange nichts, weshalb ich, nachdem 6 Wochen vorbei waren, nachhakte:

Victor Halb an jungle-world-Dossier, Email am 24. 11. 2006:

Lieber Herr Söhler,
dürfte ich mal untertänigst nachfragen, bitte, ob das Päckchen mit meinem hübschen Buch „Philosoph auf Reisen“ und dem zugehörigen Begleitmaterial seinerzeit eigentlich angekommen ist, und wenn ja, ob damit in Richtung auf ein Dossier in der jungle world etwas weitergehen wird?
Ihnen einen Gruß einstweilen, und einen schönen Tag,
Victor Halb

Jungle-World-Dossier an Victor Halb, noch am gleichen Tag:

lieber herr halb,

ja, es ist angekommen. aber fürs dossier tragen die texte leider nicht. (sie sind dafür einfach zu kurz und mit mehreren zu arbeit schafft nur konfusion) habe die mappe deshal an meinen kollegen andreas hartmann im feuilleton weitergegeben, der gelegentlich texte für unser "heim&welt"-fornat braucht. wenden sie sich doch bitte an ihn ( HYPERLINK "mailto:feuilleton@jungle-world.com" feuilleton@jungle-world.com)

lg, maik söhler

Victor Halb an jungle-world-Dossier, noch am gleichen Tag:

Lieber Herr Söhler,

das ist ein Missverständnis!

Es handelt sich dabei um EINEN Text, nämlich um das Hamburg-Kapitel aus meinem Buch.

Das Kapitel ist freilich unterteilt, aber es wäre ja wirklich nicht das erste Mal, dass es in einem Dossier ZWISCHENÜBERSCHRIFTEN gibt. Das Ganze ist jedenfalls, wenn mich nicht alles täuscht, einigermaßen kunstreich komponiert, und dass es da Unterkapitelchen gibt, heißt nicht, dass es so gedacht war, dass das erste in so ein Dossier reinkommt, das zweite nicht, das dritte nehmen wir dann wieder...

Falls Ihnen das Hamburg-Kapitel aber zu lang ist, hätte ich ja auch kürzere im Angebot. Nicht umsonst habe ich Ihnen auch das ganze Buch beigelegt.

Weiters handelt es sich dabei vor allem um Literatur! In meinem Begleitschreiben hatte ich bereits erwähnt, wie mich das jw-Feuilleton bereits mit dem Argument, sie bräuchten „Tagesaktuelles“, abschlägig beschieden und wie es mich an eben Sie, ans Dossier verwiesen hat. Und jetzt schlagen Sie mir vor, dass sich Herr Hartmann aus meiner „Mappe“ für „Heim und Welt“ vielleicht etwas heraussuchen könnte, falls er grad sonst nichts hat? Vielen Dank für das Gespräch!

Nur noch einen kurzen Satz Klartext: Dass mich der Betrieb schon Zeit meines künstlerischen Lebens komplett ignorieren möchte und aus sich fernhält, seine schöngeistigen Fraktionen, weil ich ihnen zu politisch bin, und die politischen, weil ich ihnen zu schöngeistig bin – darüber rege ich mich schon lange nicht mehr auf. Van Gogh hat auch bloß 2 Bilder verkauft in seinem Leben. Und Van Gogh war bloß seiner Zeit voraus und nicht dazu auch noch, wie ich, dem Betrieb grundfeindlich gegenüber gestanden. Da ich die jungle world aber nicht bloß einfach dem Betrieb zurechne, sondern sie immer noch für ein einigermaßen anständiges Projekt halte, meine ich, dass ich von ihr glatt wenn schon kein Honorar, so doch solch ein Dossier einmal FORDERN kann. Das bisschen Dissidenz, das bisschen Kunst und Philosophie wird sie schon vertragen können.

Und dass von Ihnen aber erst einmal gar keine Reaktion kam und jetzt auf meine Nachfrage hin solch eine Formalität wie die mit den Teilkapitelchen bzw. Zwischenüberschriften vorgeschoben wurde, halte ich für ein Projekt, das nicht einfach bloß dem Betrieb, sondern auch, wie ich, der Linken oder was das gleich wieder war, zugehört, für ungenügend.

Bitte sehen Sie sich mein Buch doch nochmal an! Ich bin mir sehr sicher, dass sich ein sehr interessantes und auch jungle-world-kompatibles Dossier daraus extrahieren ließe.

Noch einen Gruß, und einen schönen Tag,
Victor Halb

Jungle-world-Dossier an Victor Halb, ebenfalls noch am gleichen Tag:

lieber herr halb,

ich bin derzeit krank. daher kann ich sie nur bitten, sich nuch ein wenig zu gedulden.

lg, maik söhler

Am nächsten Tag, am 25. 11. 2006 befindet sich in meinem Posteingang u.a. eine Einladung zu einem Vorbereitungstreffen für eine jungle-world-Benefizgala im kommenden Februar in Wien. Und nochmals zwei Tage später die Email:

lieber herr halb,

schicken sie mir doch bitte mal die „hamburg“-passagen als doc.-dateien. ich sehe sie mir dann ganenuer an und gebe ihnen bescheid. (ich lese nicht so gern auf papier)

lg, maik söhler

Was soviel hieß, als dass meine Unterlagen wahrscheinlich irgendwie verschütt gegangen waren in der Redaktion. Aber sei’s drum. Ich war dem Wunsch gleich noch am selben Tag nachgekommen und hatte dazu geschrieben:

Lieber Herr Söhler,
here we are:
Hamburg.rtf
Kürzen ließe sich am leichtesten, wenn es denn nötig sein sollte, innerhalb der Unterkapitel „Völkerkundemuseum“, „Kunsthalle“ und „A Clear Vision“, ohne dadurch den Gesamtaufbau zu zerstören.

Und den 9. Februar nächsten Jahres, jungle world in Wien, habe ich mir gleich notiert...

Einen Gruß, und dass sich die Bazillen von dannen machen mögen...

Victor Halb

Jungle-world-Dossier an Victor Halb, ebenfalls noch am gleichen Tag:

lieber herr halb,

bis zum nächsten montag erhalten sie nachricht, ob ihr manuskript für uns in frage komm oder nicht. voreher schaffe ich es leider nicht.

beste grüße, maik söhler

Und tatsächlich dann auch pünktlich, am 4. 12. 2006, wie versprochen, jungle-world-Dossier an Victor Halb, und jetzt aber endlich mal Butter bei die Fische:

lieber herr halb,

ich habe ihre texte jetzt noch einigen kollegen zur lektüre gegeben und wir sind uns einig, dass wir die texte nicht bringen möchten. nichts gegen subjektives, frei flottierendes schreiben – aber das hier ist für uns zu subjektiv und zu freischwebend. nehmen sie uns das bitte nicht übel und bieten sie ruhig weiter texte an. vielleicht klappt es ja beim nächsten mal.

beste grüße und alles gute für Sie,

maik söhler

Das mit dem „zu subjektiv“ hatte ich schon mehrmals von Leuten gehört, die mit meiner Literatur nichts anfangen konnten. Aber die Absage von dieser Seite – ich sagte es bereits – traf mich denn doch, und so konnte ich mich auch noch einer weiteren Entgegnung nicht enthalten. Victor Halb an jungle-world-Dossier, 6. 12. 2006:

Lieber Herr Söhler,

zuerst dachte ich, Sie wollten mich ärgern, als Sie jetzt wieder gleich zweimal von Texten schrieben, die ich Ihnen geschickt hätte. Aber wahrscheinlich war meine Auffassung, die ich Ihnen bereits dargelegt habe, dass es nämlich nur ein Text war, den ich Ihnen anbot, objektiv zu subjektiv, und es waren tatsächlich objektiv mehrere Texte.

Ihrer freundlichen Aufforderung, dass ich ruhig weiter Texte anbieten könne, wollte ich dann gleich nachkommen. Jedoch ließ schon ein flüchtiges und also gewiss nur subjektives Revuepassierenlassen meines bisherigen Gesamtwerks vor meinem inneren Auge keinen anderen Schluss zu, als dass für Sie, obzwar Sie subjektiv gegen subjektives und frei flottierendes Schreiben gar nichts einzuwenden vermeinen, dennoch objektiv alle meine Texte nicht objektiv genug und viel zu subjektiv und freischwebend geraten sein dürften. Denn es gibt da eben leider einen objektiven und unüberbrückbaren Antagonismus, nämlich den zwischen Literatur und Journalist.

Als Literat komme ich also nicht bei Ihnen unter. Bleibt mir jetzt bloß noch, Ihnen immer noch weitere Texte anzubieten – Ihnen als Journalist. Nehmen Sie doch den „Philosoph auf Reisen“! In dem Buch, das ich Ihnen bereits zugeschickt habe, befinden sich nach Ihrer eigenen Zählweise nicht weniger als 191 Texte von mir. Ergäbe fürs Feuilleton, oder auch, falls dort mal Not am Mann ist, für „Heim und Welt“, schon einmal Stoff für bis zu 191 jungle-world-Rezensionen und -Kritiken. Das sollte zum Einstieg genügen, meine ich, für eine journalistische Annäherung und Bestandsaufnahme, naheliegenderweise auch in Form von Kritik an dem übersteigerten Subjektivismus in meinen Texten, oder für jede Menge Besprechungen meiner Literatur halt eben, oder was das auch immer ist.

Bei Bedarf hätte ich auch noch viel mehr davon. Wann geht’s also los?

Herr Söhler, ich grüße Sie und wünsche Ihnen eine gute Zeit,

Victor Halb

14. Dezember 2006

Wenn der Rau ironisch wird

Am 22. November hatte ich mir den Rau vom Standard in seiner Rolle als tränenreicher Raucherbekämpfer schon einmal vorgenommen. Jetzt führte er seine Kampagne von der Titelseite des Blattes aus fort und er wurde dabei auch noch ironisch: –

Raucherverfolgung

Heute traut sich ja „kaum noch ein Raucher, die Stimme zu erheben“. Aber „es muss ein Miteinander geben, bei dem den Rauchern ein menschenwürdiger Platz bleibt“. Meint Peter Trinkl, Obmann des Bundesgremiums Tabaktrafikanten der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Aus diesem Grund werden die Trafiken eine verbilligte Ausgabe des mutigen Aufschreis von Stefanie Werger – „Ich rauche!“ – auflegen. „Damit Raucher in diesem Sinn ihre Stimme erheben und sich nicht alles gefallen lassen!“, sagt Frau Werger.

Genau. Die erbarmungslose Verfolgung der Raucher ist ja ein Faktum. Die künftige Regierung wird ja mit Sicherheit eine beinharte Studie beschließen, ob im Sinne einer freiwilligen Vereinbarung die Gastronomie gebeten wird, deutlich sichtbare Schilder mit der Aufschrift „Bitte, bitte, nur rauchen, wenn es gar nicht anders geht!“ anbringen zu lassen.

Die Menschenwürde der Raucher wird ja tagtäglich durch die erbarmungslosen Schergen der herrschenden Nichtraucherklasse in den Staub getreten. Seit der Christenverfolgung hat es nichts Vergleichbares gegeben. Dank an das Bundesgremium für einen Akt der Menschlichkeit!

An der Ironie sollt ihr sie erkennen! „Beinhart“ soll es für die Raucher werden, was dieser Rau herbeizuschreiben gedenkt. Nicht bloß irgendwelche „Studien“ mögen beschlossen werden, in Folge derer vielleicht jemand etwas freiwillig tut, sondern tatsächliche spürbare Eingriffe ins Privatleben. „Beinhart“ und „erbarmungslos“.

„Seit der Christenverfolgung hat es nichts Vergleichbares gegeben“, ironisiert er sein eigenes Wirken, vergisst dabei mal eben noch diverse Verfolgungen, die es seither sehr wohl gegeben hat, und schmeißt damit in seinem ironischen Furor auch gleich noch seinen guten Ruf als konsequenter antifaschistischer Autor über Bord.

Noch einmal: Ich fordere die „Spanische Lösung“ – Kennzeichnung aller Gaststätten durch ein Schild am Eingang, ob darinnen geraucht werden darf oder ob nicht, mit der Folge, dass es dadurch möglich sein wird, sich diejenigen bewusst auszusuchen, in denen die im Schnitt sympathischeren Leute und jedenfalls nicht solch unmenschliche, unbarmherzige Nichtraucherfanatiker vom Schlage Raus anzutreffen sein dürften.

16. Dezember 2006

Ich habe gelesen

Hannes Leidinger / Verena Moritz / Berndt Schippler: „Schwarzbuch der Habsburger“, Deuticke, Wien-Frankfurt/M., 2003

Die Co-AutorInnen haben alle drei Geschichte studiert und können vermutlich deshalb auch nicht mehr schreiben. Sätze wie: –

„Während das Blut der Regentin in erster Linie bei der Wiedergewinnung verlorengegangener Besitzungen in Wallung geriet, konnte sich Joseph II. durchaus an der Einverleibung neuer Territorien erfreuen, was ja der Machterhaltung diente.“ (Leidinger)

„Dass der Monarch, der sich einerseits gegen Standesdünkel verwehrte und sich um das Image eines Volkskaisers bemühte, auf der anderen Seite seine ganze, wenn auch bisweilen nur scheinbare Machtfülle in Anspruch nahm und im Bewusstsein des Gottesgnadentums als pseudo-absolutistischer Monarch agierte, irritierte seine Berater.“ (Moritz)

„Insbesondere die Vertreter der habsburgisch-königlichen Herrschaft in Ungarn, allen voran der Paladin, der Vizekönig beziehungsweise Verweser von Ungarn, Franz Freiherr von Wesselényi, und der Banus von Kroatien (damals ein autonomer Teil des ungarischen Königreichs), Franz Frangepány, waren von ohnmächtiger Wut und dem Gefühl tiefster nationaler Erniedrigung erfüllt.“ (Schippler)

– machten mir die Lektüre schwer.

Aber wenigstens weiß ich jetzt – wie es auf der Umschlagrückseite treffend zusammengefasst steht, „warum die österreichisch-ungarische Monarchie nicht die ideale Staatsform war.“ Mit der Meinungs- und Pressefreiheit stand’s unter den Habsburgern nicht immer zum Besten. Man denke! Jegliche antimonarchistische Opposition wurde ganz undemokratisch unterdrückt. Hört, hört! Immer wieder führten die Habsburger Krieg, um ihre Macht nicht nur zu erhalten, sondern auch auszuweiten. Nein, also! Dann das mit den Kriegsgräueln im Ersten Weltkrieg: Die k. u. k. Truppen standen darin – was mich in meiner österreichischen Seele schon noch einmal besonders schwer betroffen hat – „dem serbischen Erzfeind in nichts nach“! Schlimm war das damals, aber so schlimm? Außerdem haben die Habsburger sowohl ihren Verbleib an der Macht über Gebühr verlängert, als es schon lange nicht mehr zeitgemäß war, als auch sich deren Ende wegen schwerer politischer und strategischer Fehler selbst zuzuschreiben. Ja, hätten sie nicht so beharrt, dann wären sie vielleicht immer noch dran.

Ein wichtiges Buch gegen die immer noch und immer wieder aufkommende nostalgische Verklärung der „guten alten Zeit“. Wenn Sie also zu denen gehören, die zu nostalgischer Verklärung neigen, dann kaufen Sie sich gefälligst dieses Buch und tun Sie bitte, auch wenn’s schwer fällt, was da weiter auf der Rückseite steht: –

„Lesen Sie nach, welche strategischen und politischen Fehler die bedeutendsten Monarchen des Hauses Habsburg einerseits aus unzeitgemäßem Beharren auf Traditionen und andererseits aus überhöhten Ansprüchen begangen haben.“

Und dann werden auch Sie als Monarchienostalgiker wissen: Jene Fehler zu begehen war falsch. Auch das unzeitgemäße Beharren auf Traditionen war ganz unzeitgemäß und andererseits waren die überhöhten Ansprüche der Habsburger objektiv einfach zu hoch!

22. Dezember 2006

Warum Rau uns leider bevormunden muss

Rau scheint unsicher geworden zu sein. Wie als wenn er meine Erwiderungen auf seine Nichtraucherkommentare gelesen hätte. Aber wahrscheinlicher ist, dass auch aus seinem persönlichen Umfeld ähnlich wie von mir an ihn hingeredet wird.

Jedenfalls hat er sich heute wieder den Platz auf der Standard-Titelseite links unten geschnappt, der sonst eigentlich für Glossen und kurze witzige Alltags- oder Sprachbetrachtungen zur Verfügung steht, und dort ganz bierernst Kollegen von der Süddeutschen bis zur Zeit zur Verstärkung aufgefahren, die zum Beispiel auch festgestellt hätten, dass es da eine gewisse „Asymmetrie“ gebe zwischen den Rauchern und den Nichtrauchern. Den Rauchern wäre es nämlich völlig egal, ob nun die Nichtraucher ebenfalls mit dem Rauchen anfangen würden, während es eine solche offene bis wurschtige Einstellung auf Nichtraucherseite – und er meint damit freilich wieder nur die Nichtraucher von der verbissenen Sorte und von seinem Schlag – nicht geben würde. Jedenfalls sorge diese „Asymmetrie“ dafür, dass eine jede Freiwilligkeit in dieser Frage immer nur die Raucherseite begünstigen würde, weshalb Rau es nun klar für erwiesen hält: „Deshalb wird es ohne staatliche `Bevormundung´ nicht gehen.“

Eine brillante Argumentation, ist sie nicht? Erst eine staatliche Bevormundung herbeischreiben zu wollen, und wenn einem darauf entgegnet wird: „Geh, lass uns unser Ruh, oder schleich di!“, darin nach einigem Nachdenken eine „Asymmetrie“ zu erblicken, weil ja in der Tat nur die eine Seite sich unangenehm aufdrängt, während die andere eben sagt „Hast net ghört? Geh di brausen!“; diese „Asymmetrie“ dann aber postwendend, nicht ohne dabei eine Miene des Bedauerns aufzusetzen, wieder zum Argument zu erklären dafür, dass man leider, leider ohne die angestrebte staatliche Bevormundung nicht werde auskommen können.

Ja, ja, großer Nichtraucherchefideologe Rau, is scho recht …

Man gebe ihm doch endlich, in Gottes Namen, irgendwo seinen eigenen, bitte wenigstens einen kleinen Nichtraucherbereich!

26. Dezember 2006

Feiertägliches Fernsehprogramm

Früh aufgestanden. „Die gestohlenen Weihnachtsrentiere“ geguckt. Danach noch bis zur „Schneekönigin“ „Emily Erdbeer“ geguckt. Danach kam „Lauras Weihnachtsstern“. „Das letzte Einhorn“ hat sich blöderweise mit „Heidi“ überschnitten, aber ich hab hin- und hergezappt, bis die „Symphonie des Herzens“ begann, leider zeitgleich mit „Mariandls Heimkehr“ und mit „Heimweh ... dort, wo die Blumen blühn“, weshalb ich hin- und herzappen musste. Danach „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ war natürlich Pflicht, und danach konnte ich dann kurz aufs Klo und habe was gegessen, bis „Das Traumschiff“ begann. Danach habe ich „Mut zur Liebe“ geguckt, danach „Eine Hochzeit zum Verlieben“, und als dann noch „Ein Trucker mit Herz“ und „Lassie und die Goldgräber“ absolviert waren, da war ich aber in einer Stimmung, da hätte mir keiner mehr ’ne geladene Pumpgun in die Hände geben dürfen … Besser also verbieten all den Scheiß.

30. Dezember 2006

Ein versöhnliches Wort zum Jahresausklang

Ein kritischer Einspruch kam mir zu Ohren. Mein Urteil zum „Schwarzbuch der Habsburger“ wäre zu hart gewesen: Dass die CoautorInnen des Buchs wohl deshalb nun nicht mehr schreiben könnten, weil sie alle drei Geschichte studiert hätten.

Aber ich wollte damit ja gar nicht in Abrede stellen, dass es auch Leute gibt, in der Geschichtswissenschaft wie anderswo, die auch danach immer noch schreiben können, trotz Studium.

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