09. Jänner 2015

Je suis Charlie - was heißt das?

Je suis Charlie

Nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo sind wir jetzt alle Charlie. Aber was heißt das?

Für die meisten bedeutet es, dass eine jede Meinung erlaubt sein muss, und auch die künstlerisch zugespitzte Ausrichtung eines satirischen Blattes, gemäß derer nichts und aber auch gar nichts heilig ist.

Aber „Wir sind Charlie“ müsste eigentlich auch heißen, dass uns auch selbst heute nichts mehr heilig sein sollte. Wenn jemandem heute, 225 Jahre nach dem Sturm auf die Bastille, (die ganz in der Nähe gelegen hatte zu dem Attentatsort von vorgestern,) noch immer etwas heilig ist, dann liegt da doch immer auch schon der dogmatische Hase im Pfeffer.

„Ich bin Charlie“, das heißt nicht: Ich bin tolerant! Ich will auch nicht selbst als eine nur etwas zugespitzte Meinung von den Toleranten großmütig toleriert werden! Nein, ich will all denen schon auch wirklich weh tun, denen heute noch immer etwas heilig ist. Ich will nicht gönnerhaft toleriert werden von den armen Schluckern mit ihren religiösen Anwandlungen! Nein, ich scheiße auf deren religiöse Gefühle, weil ich alle Religionen weg haben will und weil ich sie für ein überkommenes Relikt aus voraufklärerischen Zeiten halte.

Fast das einzig Positive, was zu dem ganzen Nachrichtenkomplex zu vernehmen war, war, dass bei der Wiener Solidaritätsdemonstration für den Charlie Hebdo der Versuch der sog. „Identitären“, jener ordentlichen und adrett gekleideten Österreicher und Österreicherinnen, mit ihrem Dummtum auf den Zug aufzuspringen und sich dort einzubringen und breitzumachen, vereitelt wurde. Das hätten sie gerne, die Tümler, wie auch die Terroristen, dass sie sich jetzt beständig gegenseitig den Ball zuwerfen, und beide dabei erstarken: die Islamisten und die noch immer anachronistisch christreligiös fundierten Ösideppen und -deppinnen.

Nein, „Je suis Charlie“ heißt nicht, von den ich-schwachen Würschteln mit ihren als ewig unwandelbar gedachten Identitätskrücken toleriert werden zu wollen. „Je suis Charlie“ heißt, jede Art von Dogmatismus zu attackieren, mit Spott und Häme und in jeder anderen Weise, auf dass es wirklich weh tut; jeder Religion, jedem Patriotismus und Nationalismus, jedem Machismo, jeder Xeno- oder Homophobie und jeder Autoritätsgläubigkeit eine unmissverständliche und deshalb die Betreffenden schmerzhaft kränkende Absage zu erteilen.

„Je suis Charlie“, das heißt ein aufgeklärtes Weltbild zu vertreten, also eines, in dem keine religiös geglaubten und somit unhinterfragbaren, und also keine gottgegebenen oder sonstwie als ewige Wahrheiten erachteten Aspekte mehr nötig sind.

11. Jänner 2015

Das bringt uns nicht weiter

Noch bis vor kurzer Zeit lautete eine beliebte offizielle muslimische Linie, zum Beispiel der Muslimischen Jugend Österreichs, dass man sich nicht ständig distanzieren wollen würde von etwas, mit dem man eh nichts zu tun hat. Aber die Presse am Sonntag hat angesichts der aktuellen Vorkommnisse noch einmal Überzeugungsarbeit geleistet und für die heutige Ausgabe hat sie nun doch 32 Moslems und Muslima gefunden, die sich da von etwas distanzieren, obwohl sie eigentlich eh nichts damit zu tun haben.

Und so lesen wir jetzt also, dass der Islam eine Religion des Friedens ist; dass er von den Terroristen missbraucht würde; dass es im Koran auch heißt, wer einen Menschen tötet, tötet die ganze Welt; dass der Terror keine Religion hätte und dass die Terroristen keine Moslems seien; dass sie den Islam jedenfalls nicht verstanden hätten; dass sie den Koran wahrscheinlich nicht einmal gelesen haben; dass die gewaltsamen Passagen, die es sehr wohl geben würde im Koran, im Zeitkontext gesehen werden müssten und dass es nun eine vordringliche Aufgabe der islamischen Theologie wäre, diesen Zeitkontext klar herauszustellen. Einer, immerhin, plädiert auch, ganz allgemein formuliert, für eine Stärkung des säkularen Staates. Ein weiterer hält es für die richtige Reaktion, „die Lichter der Demokratie, Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Solidarität und Menschlichkeit“ jetzt nicht zu löschen, sondern „ganz im Gegenteil [...] diese nun in vollem Glanz scheinen zu lassen.“ Aber ansonsten dominieren die Äußerungen, die angesichts der befürchteten negativen Folgen für das Zusammenleben in der einen oder anderen Weise betonen, dass der Terror nichts zu tun hätte mit dem Glauben der Befragten und mit dem wahren und richtig verstandenen Islam.

Ich aber sage Euch, als Euer neuer, zeitgemäßer, säkularer Prophet, dem Ihr nun zuhören und gehorchen könnt oder auch nicht, wie jedem anderen Propheten auch: Wir können es nicht wissen! Es ist zwar für die Nichtmuslime beruhigend zu wissen, dass es da 32 Menschen moslemischen Glaubens gibt und wohl noch mehr, die nicht auf Terror aus sind. Aber andererseits ist es doch, rein soziologisch betrachtet, sonnenklar, dass die weitaus größte Anzahl der Terroropfer in den letzten Jahren und in aller Welt auf das Konto diverser islamisch inspirierter Täter geht. Dies lässt sich nicht wegdiskutieren. Und, theologisch betrachtet, steht dann eben die eine, Eure friedliche Koraninterpretation gegen eine andere. Wir wissen es nicht, ob Allah, so es ihn denn geben sollte, sich nicht vielleicht doch frohlockend die Hände reibt angesichts der Angst und des Schreckens, die zur Zeit in seinem Namen in der gottlosen Welt und unter vielen Anhängern von Konkurrenzreligionen verbreitet werden. Wir können es nicht wissen. Zuletzt hat er sich in den 600-er Jahren zu Wort gemeldet - wenn denn der Koran und die folgenden grundlegenden Dokumente des Islam nicht in Wirklichkeit von Menschenhand waren, aus Versatzstücken älterer Religionen zusammengesetzt, (wie es zum Beispiel auch das Christentum gemacht hatte,) im Kontext jener Zeit zu interpretieren als pragmatische und eben deshalb auch so widersprüchliche Gebrauchstexte zur Ausweitung eines sich neu formierenden Machtbereichs. Und seit damals hat er dann jedenfalls geschwiegen, dieser Allah, und sein Wort ward seither immer wieder neu, und von allem Anfang an auch immer kontrovers, von den diversen Konfessionen, Laien- und Theologenschulen interpretiert, und mal mit mehr Erfolg, mal mit weniger, an die jeweiligen Zeitumstände angepasst.

Und dass die von Euch jetzt abgelehnte, die gewaltsame Interpretation des Dschihad ganz und gar nicht zu den heutigen Zeitumständen passen würde, das kann man nun wirklich nicht sagen. Für so manchen Ausgegrenzten und Deklassierten und in einer Welt mit diesen immer noch skandalös großen Unterschieden, was die Verteilung des Wohlstands angeht, ist die gewaltsame Interpretation des Koran - das zeigt schon der anscheinend nie versiegende Nachschub an Gotteskriegern und Anwärtern auf das Märtyrertum - sehr wohl plausibel. Und darum ist es, das sage ich Euch, als Euer säkularer Prophet, dem Ihr zuhören könnt oder auch nicht, sehr wohl auch denkbar, dass Allah es betrachtet mit viel Wohlgefallen, wie da in seinem Namen heute so viel Wind gemacht wird. Wir sollten uns da nicht anmaßen, in seinem Namen sprechen zu wollen. Als Euer neuer säkularer Prophet sage ich Euch: Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht, was Allah, so es ihn denn wirklich geben sollte, über den islamistisch inspirierten Terror denkt. Nicht darüber zu spekulieren und die eine Meinung wohlwollend und voluntaristisch gegen die andere setzen zu wollen, aus einer verständlichen, aber letztlich klein menschlichen Sorge ums friedliche Zusammenleben heraus bringt uns da weiter. Nur selber zu denken, und selbstbewusst und selbstkritisch (im Sinne der Aufklärung) gemeinsam die volle Verantwortung zu übernehmen für das, was auf unserem Planeten geschieht, bringt uns, da Allah zu diesen Fragen schon so lange schweigt, (wenn denn seine Schriften nicht von Anfang an von Menschenhand waren,) im Sinne eines zukünftig weniger gewaltsamen Zusammenlebens vielleicht ein wenig weiter.

06. Februar 2015

Das passt

Im gestrigen Standard kündigte die Direktorin des Kunsthauses Wien an, dass dort jetzt das erste „Grüne Museum“ etabliert werden würde. Zwar hätte sich das Kunsthaus seit seinem Bestehen dem Werk Friedensreich Hundertwassers gewidmet, der dieses auch gestaltet hat, aber dessen Wachstumskritik und ökologisch geprägte Ideen hätten sich bis jetzt im Ausstellungsprogramm noch nicht ausreichend widergespiegelt.

Fortan werde man sich mit einer neuen Programmschiene dem Thema Ökologie und dem schonenden Umgang mit der Ressource Natur widmen, und alle Designer, Künstler und Architekten seien eingeladen, sich etwa mit Fragen der Nachhaltigkeit und des Recyclings auseinanderzusetzen.

Ich hätte da etwas im Angebot. Was könnte besser in die neue Abteilung passen als das folgende Video, auf Großbildschirm, in Endlosschleife, möglichst dann auch mit englischen Untertiteln versehen, in dem sich ein Wiener Künstler nach gründlichen Recherchen hinaus begibt aus seinem Elfenbeinturm auf die Wiener Straßen und sich öffentlich zur ökologischen Verantwortung bekennt und für die schlimme Wiener CO-2-Bilanz der letzten Jahre Abbitte tut?

26. April 2015

Nordischer Humor

Dieter „Didi“ Hallervorden, einer der bekanntesten Vertreter des Spießerhumors deutscher Prägung, hat in Wien eine Romy erhalten. Er hat bei der Gelegenheit auch wieder einen Witz gemacht, über den niemand lachen konnte.

Und alt is er worn, so mit seinem Bart. Es kann nicht mehr lang dauern, dann draht wohl auch er sich bald heim ins Reich.

05. Juni 2015

SPÖ-Koalition mit der FPÖ im Burgenland

Nach den Wahlerfolgen der FPÖ in der Steiermark und im Burgenland pfeift jetzt der SP-Chef Niessl im Burgenland auf das Tabu und geht mit der FPÖ in Koalitionsverhandlungen.

Ich weiß nicht so genau, wie Hans Niessl tickt, aber wie die Wähler seiner künftigen Koalitionspartner, wie die FPÖ-Wähler ticken, damit habe ich mich schon vor einigen Jahren in einem Vortrag ausgiebig befasst …

01. Juli 2015

Nein, diese Griechen!

Tja, wie sehr täten wir uns das wünschen: Einen Kapitalismus, der funktioniert, ganz ohne alle Krisen.

Die eine ökonomische Schule setzt auf ein solides Budget. Denn Schulden - das weiß man ja - sind gar nicht gut, und schnell lebt da ein Land über seine Verhältnisse. Man sieht es jetzt an den Griechen. Sie haben schon alles verkauft und gekürzt, wo es geht. Die Wirtschaft ist komplett im Arsch. Nie mehr im Leben wird dort genug erwirtschaftet werden, um aus der Schuldenfalle wieder raus zu kommen. Die Griechen sind da selber schuld, sagt diese ökonomische Schule.

Die andere, die keynesianische Schule betont, dass der Kapitalismus in schönster Regelmäßigkeit in Wirtschaftsflauten, sprich: in Krisen gerät, und der Staat müsse, auch auf Pump, darüber hinweg helfen und die übelsten Härten abfedern. Die KeynesianerInnen können jetzt wieder mit einigem Recht darauf hinweisen, dass das Kürzen der öffentlichen Ausgaben nicht etwa dazu geführt hat, dass die Schulden in Griechenland weniger geworden sind. Vielmehr ist die griechische Wirtschaft durch die jahrelange Sparpolitik komplett abgewürgt und ruiniert worden.

Das ist uns nun wurscht, sagt wieder die erste Schule. Aber wenn die griechischen Schulden nicht weiterhin zurückgezahlt werden, dann fällt das auf die Glaub- und Kreditwürdigkeit des ganzen Euroraums zurück. Die Griechen haben schon bei der Aufnahme in den Euroraum falsche Angaben gemacht und seither immer auf Kosten der solider wirtschaftenden Länder über ihre Verhältnisse gelebt. Sie sind böse, böse, diese Griechen!

Das mag schon sein, entgegnet da wieder der Keynesianer. Aber wenn wir sie aus dem Euroraum herauskicken, schädigt das ebenso den Ruf des Euro und der EU, und eine Ansteckung in Richtung auf die nächsten Länder, auf Spanien und Portugal, auf Italien, selbst auf Frankreich ist dann nicht auszuschließen.

Diese Befürchtung wird nun auch von der wirtschaftsliberalen Schule geteilt, und somit ist die Ratlosigkeit und Verwirrung jetzt allgemein, und niemand, niemand aus der einen Schule, niemand aus der anderen weiß jetzt noch, was zu tun ist …

Das ist nun das Ergebnis des jahrzehntelangen Streits der beiden Schulen, bis hinauf zu sämtlichen Wirtschaftsnobelpreisträgern! Man müsste schallend lachen, wenn es nicht mit soviel Elend verbunden wäre. In Griechenland, wo ganze Familien seit Jahren von der Rente der Großeltern leben müssen, die jetzt vielleicht schon bald nicht mehr oder bloß noch als Neudrachmen, als Parallel- und ziemlich wertloses Notgeld ausbezahlt werden wird. Aber auch in den sog. solide wirtschaftenden Musterländern, wie in Deutschland, wo trotz spitzenmäßiger Produktivität und nominellem Reichtum die Straßen und Schulen ebenso verfallen, und ein immer größerer Anteil der Bevölkerung selbst dann noch verarmt, wenn er einem, zwei oder auch drei der weit verbreiteten Billigjobs parallel nachgeht.

Wie sehr täten wir uns einen Kapitalismus wünschen, der funktioniert, ganz ohne Krisen! Niemand sollte verelenden, niemand sollte verhungern müssen. Unbedingt wünsche ich mir einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz! Aber in Karl Marx: „Das Kapital“, Band 1 bis 3 ist leider schlüssig dargelegt, dass es das in einem Wirtschaftssystem, das auf dem Privatbesitz an Boden und Produktionsmitteln und auf Konkurrenz beruht, und das dazu auch noch in einer endlich großen Welt mit begrenzten Ressourcen immerzu weiter wachsen muss, nicht spielen wird. Es gibt keinen krisenfreien Kapitalismus. Es werden immer Menschen bei dieser Wirtschaftsweise überflüssig werden und die Arschlochkarte ziehen.

Aber auf Tsipras und die Griechen schimpfen hilft natürlich, emotional, für eine Zeit zumindest ganz gut weiter.

02. August 2015

Männersache

Eine Umfrage im Auftrag des Familienministeriums hat ergeben, dass immer noch etwa ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher der konservativen Aussage zustimmt, dass das Geldverdienen in erster Linie Männersache ist.

Ich selbst neige ja auch zu der Ansicht. Es funktioniert halt bloß nicht.

20. September 2015

Bald sind Wahlen in Wien

Wahlwerbung

Bald sind Wahlen in Wien, und deshalb finde ich Werbemittel wie das abgebildete im Postkasten.

Als EU-Ausländer bin ich ja - außer auf Bezirksebene - nicht mitbestimmberechtigt, aber ich bin da eh zuversichtlich, dass sich nichts ändern wird mit den Wahlen in Wien, und dass alles bleibt, so wie es ist. Weil eh ois leiwand ist. Wer sollte das ändern wollen?

Unser Bürgermeister und Landeshauptmann Michael Häupl macht das - von ganz seltenen populistischen Ausritten wie beim Lehrerarbeitszeit-Sager mal abgesehen - schon ganz richtig. Mit der FPÖ, die den Unfrieden forcieren will in unserer Stadt, lässt er sich nicht ein. Mit den grünen KoalitionspartnerInnen kann er besser, als er jetzt wahlkampfbedingt manchmal tut. Er hat einfach a G'spür für Wien.

Nur das Eine tät ich mir, wenn ich da mitreden dürfte, wünschen. Es ist nur eine Lappalie, nur eine Äußerlichkeit im Grunde: dass er sich den ziemlich paternalistisch daherkommenden Landesvater-Schnauzer mal abnehmen könnte, unser Michi, das tät ich mir wünschen.

26. September 2015

Ein Zugeständnis

Also gut. Einmal assimilier i mi no.


Victor Halb liest aus dem „Österreichischen Schimpfwörterlexikon“.

29. September 2015

Herr Prof. Dr. Jontes erwartet sich eine Entschuldigung

Seit ein paar Tagen ist mein Video „Schimpfwörterlexikon“ online. (Siehe oben.) Ich hatte auch den Autor, Herrn Prof. Dr. Jontes, und den Verlag laut Impressum, die Steirische Verlagsgesellschaft, in einer knappen E-Mail darüber informiert, „dass ich das Österreichische Schimpfwörterlexikon zur Grundlage für ein Video genommen bzw. behelfs meines eigenen Werks künstlerisch kommentiert habe“, und angefügt hatte ich den Satz: „Ich denke und hoffe doch, Sie haben da nichts dagegen.“

Gestern bekam ich eine Antwort-E-Mail von Herrn Prof. Dr. Jontes. Er hat etwas dagegen.

Nach seiner Auffassung, schreibt er, würde das Video keineswegs ein eigenständiges Kunstwerk darstellen, sondern für ihn sei es ein „verkorkstes Plagiat“, das auch seine Urheberrechte verletzen würde. Keineswegs wäre mir das Video so witzig geraten, wie ich es wohl annehmen würde, und ganz davon abgesehen, dass ich nicht in der Lage sei, „ein akzentfreies österreichisches Deutsch zu sprechen“, hätte ich seine Rechtssphäre verletzt. Wenn ich ihn nicht um eine schriftliche Erlaubnis bitten würde, schrieb er abschließend, würde er sich rechtliche Schritte gegen mich vorbehalten.

Nun, das konnte ich schon tun. Also rief ich ihn gestern abend an. Um ihn um eine schriftliche Erlaubnis zu bitten. Ich kam nur leider nicht dazu. Er war noch immer recht erbost, redete viel von Plagiat und Urheberrechtsverletzung und rechtlichen Schritten, und so war ich vor allem gezwungen, ihm meinen Rechtsstandpunkt darzulegen, der da ist: -

Meine Quelle, der Autor des Lexikons wird im Videotitel klar benannt. Somit handelt es sich um ausgewiesene Zitate, und nicht um ein Plagiat. Sowohl was meine Auswahl der Schimpfwörter und ihre Gruppierung angeht, als auch vor allem meine expliziten Kommentare zu dem Lexikon und nicht zuletzt die formale Umsetzung, mit unterschiedlichen Schauplätzen etc., ist das Video darüber hinaus ganz klar ein eigenständiges Kunstwerk. (Ob es Herrn Prof. Dr. Jontes nun gefällt oder nicht.) Sein Schimpfwörterlexikon ist auch kein belletristisches Werk, vor dessen Verfilmung ich hätte um Einverständnis nachsuchen müssen. Er forscht und publiziert wissenschaftlich, und also muss er sich Kommentare von Wissenschaftskollegen und Journalisten wie auch Künstlern gefallen lassen. Niemand muss ihn dazu vorher um Erlaubnis bitten.

Das Telefonat verlief also einigermaßen unerquicklich, und was Herr Prof. Dr. Jontes am Ende wiederholt von mir verlangte, war eine Entschuldigung. Ich hatte ihn gefragt, für was ich mich entschuldigen solle, und in welcher Form. Er hat sich leider nicht klar dazu geäußert, sondern das Telefonat abrupt beendet.

Das macht die Sache heikel, denn ich kenne ja meine österreichischen Pappenheimer. Eine Entschuldigung gilt hier schneller noch als in meiner alten Heimat auch als juristisch verwertbares Schuldeingeständnis. Dazu sehe ich - ich habe meinen Rechtsstandpunkt bereits dargelegt - absolut keine Veranlassung.

Trotzdem tut es mir leid, dass es so gekommen ist. Wenn ich Herrn Prof. Dr. Jontes' akademisches Herangehen an das schmutzige Terrain der Schimpfwörter nur kurios und schrullig gefunden hätte, und nicht auch sehr witzig und sympathisch, hätte ich vielleicht eine Glosse darüber geschrieben, aber sicher niemals so einen großen, fast schon werbefilmartigen Aufwand getrieben wie mit diesem Video. Ich wollte gewiss den Autor damit nicht angreifen und so dermaßen in Rage bringen, wie es mir jetzt passiert ist. Das tut mir leid. Drum wende ich mich jetzt noch einmal persönlich an ihn: -

Entschuldigen Sie bitte, Herr Prof. Dr. Jontes, dass ich als wissenschaftlicher Laie mich so intensiv mit Ihrem Schimpfwörterlexikon beschäftigt habe, wie es wohl nur wenige Ihrer Studenten tun. Entschuldigen Sie, dass ich Ihre akademische Befassung mit jenen Niederungen der österreichischen Hochkultur zum Anlass genommen habe, einem Aspekt meiner eigenen Heimat Wien (seit über zehn Jahren) in einem subjektiv-künstlerischen Werk nachzugehen. Bitte entschuldigen Sie, dass ich als Zugereister (und ewig Außenstehender?) mich zu meiner sprachlichen Umgebung Wien satirisch in Bezug gesetzt habe, und dass bei der Verarbeitung Ihrer Schimpfwörtersammlung auch für meine sog. „Gastgeberkultur“ - denn für viele hier ist man ja auch nach über zehn Jahren noch Gast - kein goderlkratzendes, makellos glänzendes Spiegelbild heraus gekommen ist.


P.S.: Mit der obigen Erklärung zeigt sich Herr Prof. Dr. Jontes einverstanden. In einer E-Mail am folgenden Tag und „mit nunmehr freundlichen Grüßen“ regt er an, ich könnte vielleicht auch auf sein jüngst erschienenes Buch noch hinweisen, auf die „Schimpfwörter für jeden Anlass“. Aber warum sollte ich das tun, gerade jetzt, da uns die Anlässe so glücklich wieder abhanden gekommen sind?

31. Dezember 2015

Ein schöner Zuspruch

Aus Vietnam erreicht mich eine schöne Reaktion auf mein jüngstes Video (siehe unten). Quang Vo, einer der maßgeblich an dem Werk Beteiligten, schreibt mir: -

Dear Victor,
I like the video so much, song's melody is relevant to scenery in your video.
Although you don't stay in VietNam so long, but I think you sense my country thorougly.
What you want to express in "A Sentimental Journey through Vietnam" is the same thing I like to share with others.
Thank you for sharing with me,
Greetings from Viet Nam,
Best wishes and happy new year 2016,
Quang

Bekanntlich scheue ich auch vor Kontroversen nicht zurück, aber im Fall dieser „Sentimentalen Reise …“ bin ich schon besonders froh, dass sie so gut aufgenommen wurde. Wenn ich mir für's nächste Jahr etwas wünschen dürfte, dann wäre es öfter mal eine solch anregende und fruchtbare Zusammenarbeit mit KünstlerkollegInnen.


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